Dobrindts „Rückführungsoffensive“
Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan: Gespräche mit Taliban nicht ausgeschlossen
Die von Union und SPD vereinbarte Rückführungsoffensive stockt. Zwar gibt es erste Gespräche mit Syrien und Überlegungen zu Kontakten mit den Taliban in Afghanistan, konkrete Abschiebeabkommen fehlen jedoch weiterhin. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt will das ändern und setzt auf neue Wege, um Straftäter und ausreisepflichtige Personen in ihre Herkunftsländer zurückzubringen.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt möchte Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan erleichtern. (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld/dpa
Die Regierungspartner Union und SPD haben im Koalitionsvertrag eine „Rückführungsoffensive“ für abgelehnte Asylbewerber in Aussicht gestellt. Dazu wolle man auch die „Herkunftsländer stärker in die Pflicht nehmen“. Tatsächlich scheitert dieses Vorhaben bisher an dem Umstand, dass die meisten ausreisepflichtigen Migranten aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan stammen. Mit beiden Ländern gibt es weder diplomatische Beziehungen noch technische Abkommen zur Rückführung.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt möchte dies nun verändern. Gegenüber dem „Focus“ erklärte er, es gebe derzeit Kontakte mit Syrien. Diese hätten das Ziel, eine Vereinbarung abzuschließen, um die Rückführung syrischer Straftäter zu ermöglichen. Ergebnisse dazu lägen noch nicht vor, so der Minister. Dobrindt lenkt seinen Blick allerdings auch schon auf Afghanistan.
Afghanistan: Gespräche über Dritte – und mögliche Annäherung an Taliban
Dobrindt möchte dazu auch Gespräche mit den dortigen Taliban-Milizen nicht ausschließen. Diese kontrollieren seit August 2021 de facto Afghanistan, ohne dass andere Länder sie seither als legitime Regierung anerkannt hätten. Auch Pakistan, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ihre Anerkennung, die von 1996 bis 2001 gegolten hatte, bislang nicht wieder aufgenommen.
Allerdings unterhalten zahlreiche Staaten technische Kontakte zu der Regierung in Kabul. Solche strebt nun offenbar auch Dobrindt an. Bislang vollzieht sich die Durchführung von Gesprächen über Dritte. So hatte Katar im August 2024 den bislang einzigen Abschiebeflug nach Afghanistan seit dem Machtwechsel vor knapp vier Jahren vermittelt.
Dabei schob Deutschland 28 verurteilte Straftäter mit afghanischer Staatsangehörigkeit, von denen die meisten Gewaltdelikte verübt hatten, in ihr Herkunftsland ab. Die Ampelregierung hatte diesen Flug als Zeichen ihrer Entschlossenheit nach dem Terroranschlag von Solingen organisiert.
Auch vor Machtwechsel nur etwa 200 Abschiebungen pro Jahr
Weitere hat es bislang noch nicht gegeben. Dobrindt will das ändern und strebt einen Mechanismus zur erleichterten Durchführung von Abschiebungen an. Gegenüber „Focus“ äußert er:
„Mir schwebt vor, dass wir direkt mit Afghanistan Vereinbarungen treffen, um Rückführungen zu ermöglichen. Nach wie vor braucht es Dritte, um Gespräche mit Afghanistan zu führen. Eine Dauerlösung darf das so nicht bleiben.“
Vor 2021 gab es ein Abkommen zwischen der EU und der international anerkannten damaligen Regierung. Zwischen 2016 und dem Machtwechsel in Kabul konnte auf dieser Grundlage eine Rückführung von etwa 1.000 Afghanen stattfinden.
Afghanen in Deutschland genießen zumeist befristeten Schutzstatus
Zum Stichtag 31. Dezember 2023 lebten dem „Mediendienst Integration“ zufolge in Deutschland rund 322.600 afghanische Schutzsuchende. Etwa 20.630 seien davon anerkannte Flüchtlinge mit unbefristetem Schutzstatus. Der größte Teil, nämlich 231.365, profitierte von einem befristeten Schutz aufgrund bestehender Abschiebungsverbote. Für 56.680 Betroffene war der Schutzstatus noch offen, in 13.900 Fällen wurde ein solcher abgelehnt.
Es ist eine Reihe von Faktoren, die Abschiebungen nach Afghanistan derzeit massiv erschweren. Viele scheitern daran, dass das Herkunftsland keine Reisedokumente ausstellt und die Rücknahme von ausreisepflichtigen Afghanen von vornherein verweigert. Rückführungen über Drittländer wie Katar sind ohne gültige Reisepapiere nicht zu bewerkstelligen. Fluggesellschaften verweigern in solchen Fällen regelmäßig auch selbst den Transport.
Aber auch rechtliche Barrieren stehen in vielen Fällen einer Abschiebung in Länder wie Afghanistan im Weg. In einigen Landesteilen ist die Sicherheitslage instabil und prekär. Zudem gibt es das Risiko von Menschenrechtsverletzungen und sonstigen Gefahren für die Abzuschiebenden. Gerichte stoppen in solchen Fällen häufig geplante Abschiebungen. Der EuGH hat 2024 beispielsweise entschieden, dass schutzsuchenden afghanischen Frauen in der EU grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuzubilligen sei.
Taliban bieten konsularische Dienste an – gegen diplomatische Aufwertung
Die deutsche Botschaft in Kabul ist seit der Machtübernahme der Taliban geschlossen. Gleichzeitig lehnt es die deutsche Regierung auch ab, den faktischen Machthabern in Afghanistan die diplomatischen Einrichtungen des Landes in Deutschland zu übergeben.
Die Taliban haben bislang mehrfach angeboten, konsularische Dienste für afghanische Staatsangehörige in Deutschland wiederaufzunehmen. Allerdings verlangen sie im Gegenzug auch direkte Gespräche mit der Bundesregierung. Auf Arbeitsebene bestehen ebenfalls technische Kontakte – etwa im Zusammenhang mit der Koordination humanitärer Hilfe.
Kurz- bis mittelfristig erscheint eine diplomatische Aufwertung der Taliban durch EU-Staaten als wenig wahrscheinlich. Es könnte allerdings aufgrund des steigenden öffentlichen Drucks bezüglich einer effektiveren Rückführung afghanischer Straftäter oder Ausreisepflichtiger eine neue Dynamik entstehen. Die Russische Föderation hat die Taliban mittlerweile von der Liste terroristischer Organisationen gestrichen – die USA hatten die afghanischen, anders als die aus Pakistan, gar nicht erst gelistet.
HTS in Damaskus und diplomatische Öffnung: Syrien bleibt ein Sonderfall
Was Syrien anbelangt, hat Deutschland Ende 2024 die diplomatischen Beziehungen zu dem Land wiederaufgenommen. Die deutsche Botschaft in Damaskus ist seit März 2025 wieder geöffnet. Einige gegen die Regierung unter dem früheren Machthaber Baschar al-Assad verhängten Sanktionen sind noch aufrecht. Die deutsche Regierung hatte auch deren schrittweise Lockerung in Aussicht gestellt.
Eine Übernahmevereinbarung bezüglich ausreisepflichtiger Syrer aus Deutschland gibt es jedoch noch nicht. Seit Dezember des Vorjahres regiert in Damaskus ein Bündnis unter der Führung der Gruppe Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS). Diese war aus terroristischen Gruppen wie Al-Kaida im Irak und der Al-Nusra-Front hervorgegangen. Mittlerweile signalisiert sie jedoch eine Abkehr von militanten Aktivitäten.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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