Neue Studie: Rechte und euroskeptische Parteien werden Europawahl dominieren

Einer jüngst präsentierten Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) zufolge werden Fraktionen wie Sozialdemokraten und EPP bei der Europawahl deutlich an Sitzen einbüßen. Auf deutliche Zugewinne können sich rechte und euroskeptische Parteien einstellen.
Der Plenarsal des Europaparlaments in Brüssel.
Der Plenarsaal des Europaparlaments in Brüssel. Symbolbild.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 29. Januar 2024

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Der European Council on Foreign Relations (ECFR) hat jüngst mit einer viel beachteten Prognose zu der Europawahl im kommenden Juni aufhorchen lassen. Dieser zufolge werden nicht nur Sozialdemokraten und Europäische Volkspartei (EPP), sondern auch die liberale ALDE und die Grünen-Fraktion Sitze einbüßen.

Demgegenüber können sowohl die rechten Fraktionen EKR und ID als auch Fraktionslose mit Zugewinnen rechnen. Die beiden Rechtsfraktionen werden demnach erstmals gemeinsam auf mehr Sitze kommen als die bisherigen Großfraktionen EPP und Sozialdemokraten (S&D).

Wichtiges „Green Deal“-Gesetz wäre mit prognostizierter Sitzverteilung gescheitert

Diese traditionellen Fraktionen der „Großen Koalition“ werden den Berechnungen des ECFR zufolge von derzeit 45 auf 42 Prozent der Sitze abbauen. Doch selbst die „Supergroße Koalition“ unter Einschluss der liberalen ALDE würde statt 60 künftig nur noch 54 Prozent auf sich vereinen können.

Hingegen würden alle euroskeptischen Parteien von links bis rechts zusammen ihren Sitzanteil im EU-Parlament von 30 auf 37 Prozent ausbauen können. Anhand des Beispiels der im Juli 2023 verabschiedeten „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ macht die Studie die möglichen Folgen eines solchen Wahlausgangs deutlich. Das damals mit 324 zu 312 Stimmen angenommene Gesetzeswerk würde in dem prognostizierten EU-Parlament ab 2024 mit 321 zu 393 durchfallen.

Es sei davon auszugehen, dass nicht nur im EU-Parlament selbst Voten zu Fragen wie Migration, EU-Erweiterung oder „Green Deal“ anders aussehen würden. Der Ausgang würde auch den Zugang der nationalen Parlamente zur EU-Gesetzgebung verändern.

ECFR sieht zahlreiche EU-kritische Parteien neu ins Parlament einziehen

Besonders hohe Zugewinne sagt der ECFR rechten Parteien in Italien, den Niederlanden und Schweden voraus. Auf hohem Niveau ihre Stimmenanteile halten könnten die „populistische“ tschechische ANO, der Rassemblement National oder der belgische Vlaams Belang.

Deutlich zulegen könnten die 2019 unter ihren Erwartungen gebliebenen Parteien wie AfD und FPÖ. Bulgariens „Wiedergeburt“ könnte ihren Stimmenanteil von einem auf 14 Prozent ausbauen. Beim ersten Antreten könnten beispielsweise auch EU-kritische und rechte Parteien aus Rumänien, Portugal, Lettland, Kroatien, Dänemark, Frankreich, Bulgarien, Belgien oder den Niederlanden mit Mandaten rechnen.

Stimmenanteile verlieren würden die FIDESZ, allerdings auf einem hohen Niveau von 53 auf 44 Prozent, sowie die PiS (von 32 auf 31), die NA aus Lettland, die zyprische ELAM, die dänische Volkspartei, die ungarische Jobbik und die niederländische FvD. Dem stehen Zugewinne oder Neueinzüge von 33 Parteien aus 22 Mitgliedstaaten gegenüber.

Le Pen auf Distanz zu AfD

Unterdessen ist noch unklar, welche möglichen Veränderungen sich auf der Rechten in der Fraktionszuordnung selbst ergeben werden. Zuletzt hatte beispielsweise Marine Le Pen namens des Rassemblement National Zweifel am Verbleib der AfD in der Fraktion Identität und Demokratie (ID) artikuliert. Offiziell begründete sie diese mit dem sogenannten Geheimplantreffen nahe Potsdam, an dem mehrere AfD-Politiker teilgenommen hatten, darunter allerdings kein EU-Parlamentarier.

Es ist allerdings denkbar, dass die Bedenken ob der „Remigrations“-Fantasien, die bei dem Treffen zur Sprache gekommen sein sollen, nur vorgeschoben sein könnten. Sie erklärte, eine Politik des Entzugs von Staatsangehörigkeiten abzulehnen.

Dennoch scheint Le Pen wenig Berührungsängste gegenüber der estnischen EKRE zu verspüren, die trotz ihrer Ausgrenzungspolitik gegenüber der dortigen russischen Minderheit Teil der ID-Fraktion ist. Zudem scheint eine mögliche Aufnahme der bulgarischen Partei „Wiedergeburt“ in die ID angedacht zu sein. Diese ist bekannt für eine extrem übergriffige Rhetorik gegenüber bulgarischen Staatsbürgern aus der türkischen Minderheit oder aus der Roma-Community.

Möglicherweise geht es Le Pen mit Blick auf die AfD eher um eine Retourkutsche für das „illoyale“ Verhalten ihres Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Dieser hatte im Vorfeld der französischen Präsidentenwahl erklärt, einen Konkurrenten zu bevorzugen. Die ID-Fraktion hatte daraufhin temporäre Sanktionen gegen Krah ausgesprochen.

ECFR-Studie sieht möglichen Übertritt von Fratelli d’Italia zur EPP

Aber auch darüber hinaus sind einige Veränderungen auf der Rechten denkbar. Die Fratelli d’Italia von Premierministerin Giorgia Meloni könnten von den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR) in die EPP wechseln. Unklar ist auch, ob Ungarns FIDESZ weiterhin fraktionslos bleiben, eine Wiederaufnahme in die EPP anstreben oder eine neue Fraktion bilden wird.

Ein Beitritt zur EKR ist unwahrscheinlicher geworden, da sich dort unter Führung der polnischen PiS vorwiegend Gegner einer Versöhnungspolitik mit Russland befinden. Viktor Orbáns Widerstand gegen eine weitere Unterstützung der Ukraine würde einem Beitritt wahrscheinlich entgegenstehen.

Der ECFR sagt den derzeitigen Mitgliedsparteien von ID 98 Sitze oder 14 Prozent und jenen vom EKR 85 Sitze oder zwölf Prozent voraus. Dazu kommen fraktionslose Rechte wie die FIDESZ mit 16 Sitzen sowie einzelne weitere Vertreter, beispielsweise aus Griechenland, der Slowakei oder Polen. So gut wie allen Parteien der Rechten im EP sind die Gegnerschaft zu mehr Macht für die EU, eine restriktive Migrationspolitik und Skepsis gegenüber weitreichenden Klimaschutzmaßnahmen gemein.

Reibungspunkte stellen die Positionen zum Ukraine-Krieg, zur NATO, zur Corona-Impfung und häufig auch zu Israel dar. In einigen Fällen verhindern auch historische Ressentiments zwischen Rechtsparteien benachbarter Staaten eine Zusammenarbeit.

Premiere von Sahra Wagenknechts BSW – fraktionslos oder als Teil einer neuen Linken?

Unklar ist auch, ob das BSW von Sahra Wagenknecht auf der Bank der Fraktionslosen Platz nehmen wird oder ob die Linksfraktion die alten Bande mit einem alten Bekannten, Fabio De Masi, wieder aufleben lassen möchte.

Möglich wäre auch der Versuch, eine neue Linksfraktion zu bilden, zu der beispielsweise die slowakische SMER-SD, die griechische KKE oder die lettische Partei der russischen Minderheit gehören könnten.



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