Russland als Nutznießer der Eskalation in Israel? Fokus der USA könnte sich von Ukraine verlagern

Im Konflikt zwischen Israel und palästinensischen Terroristen hat Russland häufig eine Doppelstrategie verfolgt. Nun könnte die Eskalation indirekt dem Kreml nutzen – und der Ukraine Kopfzerbrechen bereiten. Eine Analyse.
Wladimir Putin, Präsident von Russland.
Wladimir Putin, Präsident von Russland.Foto: Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
Von 12. Oktober 2023

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Mit Blick auf den Nahostkonflikt hat Russland bislang eine Doppelstrategie verfolgt. Auf der einen Seite wollte man die aus Sowjetzeiten geknüpften Bande zu den Palästinenserorganisationen nicht abreißen lassen. Dies hatte beispielsweise zur Folge, dass in den meisten russischen Auslandsmedien zum Teil aggressive „antizionistische“ Propaganda gegen Israel reproduziert wurde.

Auf der anderen Seite legte Präsident Wladimir Putin nicht nur größten Wert darauf, die jüdischen Gemeinden im eigenen Land zu fördern. Der Kreml war stets um ein gutes praktisches Einvernehmen mit Israel bemüht. Dies zeigte sich beispielsweise im Syrienkonflikt, wo beide Länder einander im Vorfeld über Militäraktionen in Kenntnis setzten. Zudem stellen aus den GUS-Staaten eingewanderte Juden in Israel ein nicht unbedeutendes Wählersegment dar. Dies hat zur Folge, dass israelische Regierungen diese nicht durch eine gegen Russland gerichtete Konfrontationspolitik verprellen wollen.

Selenskyj versucht sich mit Vergleich zwischen Russland und der Hamas

Nun könnte sich das taktische Vorgehen für den Kreml in einem anderen Bereich lohnen. Ohne selbst in nennenswerter Form zum Konfliktgeschehen beigetragen zu haben, könnte Russland indirekt vom neuen Kriegsschauplatz profitieren.

In der Ukraine ist man sich dieses Umstandes bereits bewusst. Auch deshalb versuchte sich deren Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem ersten NATO-Besuch seit der Eskalation des Israel-Palestina-Konflikts in Analogien. Er verglich die russische Militäroperation, die im Februar 2022 begonnen hatte, mit dem Terrorangriff der Hamas am vergangenen Samstag, 7. Oktober, auf Israel.

Auf dieser Grundlage bat er am Mittwoch vor einem Treffen mit den Verteidigungsministern der Allianz um Luftverteidigungssysteme, Langstreckenraketen und Munition. Damit wolle man „den Winter überstehen“.

Ukraine bislang nicht der Gewinner im US-Haushaltsstreit

Zwar kündigte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin jüngst neue Waffenlieferungen im Wert von 200 Millionen Dollar (rund 189 Millionen Euro) an. Dennoch ist es alles andere als sicher, wie die Hilfe der USA für die Ukraine perspektivisch aussehen wird. Im derzeit geltenden Übergangshaushalt sind noch keine neuen Mittel vorgesehen.

Inwieweit insbesondere aus den Reihen der Republikaner Bereitschaft dazu vorhanden sein wird, diese hochzuhalten, ist fraglich. Bereits jetzt betrachten manche Republikaner das Ukraine-Narrativ als ein Pendant dessen, was jenes von „Palästina“ in der islamischen Welt ist. Nämlich eine Art politisches Dogma, dessen Berechtigung nicht hinterfragt werde – obwohl es den Unterstützern selbst wenig erkennbaren Nutzen bringe.

Jene hauptsächlich aus dem neokonservativen Spektrum stammenden Präsidentschaftskandidaten, die uneingeschränkt hinter der Ukraine stehen, gelten bei den Vorwahlen als chancenlos. Demgegenüber gilt Nominierungsfavorit Donald Trump als scharfer Kritiker der derzeitigen Ukraine-Politik – ebenso wie der Zweitplatzierte in den Umfragen, Ron DeSantis.

EU befürchtet Vorteil für Russland durch US-Fokus auf Israel

Perspektivisch bedarf es jedoch möglicherweise gar keiner inhaltlichen Hinterfragung der Ukraine-Politik, um in den USA Druck zu erzeugen, die Unterstützung zurückzufahren. Es könnte bei einer angespannten Haushaltslage auf das Setzen von Prioritäten hinauslaufen. Jeder Dollar, der für die Aufrüstung der Ukraine ausgegeben wird, so könnte die Argumentationslinie lauten, würde bei der Unterstützung Israels fehlen.

Auch deshalb erklärt ein ungenannter EU-Diplomat gegenüber „Politico“ über den Hamas-Terror:

Das war möglicherweise das beste Geburtstagsgeschenk für Putin. Der Angriff gegen Israel wird die Aufmerksamkeit teilen, vor allem angesichts des natürlichen US-Fokus auf Israel.“

Putin: „USA haben Eskalation in Nahost durch Monopolisierung der Konfliktlösung begünstigt“

Auch der „Spiegel“ sieht Russland neben China und dem Iran als Profiteur der Krise. Immerhin strebten alle Genannten eine Erosion der „regelbasierten Weltordnung“ an. Kritiker dieser Sichtweise wenden ein, dass es der Westen selbst war, der oft genug „Regeln“ im internationalen Kontext missachtet habe, die er gegenüber anderen stets einfordere.

Der russische Präsident Wladimir Putin selbst hat zur neuen Eskalation im Nahen Osten jedoch ebenfalls wenig Überraschendes beizutragen. In einer Erklärung, die von diplomatischen Vertretungen der Russischen Föderation verbreitet wird, erklärt Putin einmal mehr die USA für mitverantwortlich.

Diese hätten „versucht, die Konfliktlösung zu monopolisieren, jedoch ohne das Ziel, Kompromisse zu finden, die für beide Seiten akzeptabel wären“. Um eigene Vorstellungen durchzusetzen, hätten sie Druck auf beide Seiten ausgeübt. Vor allem aber hätten sie „die grundlegenden Interessen des palästinensischen Volkes nicht berücksichtigt“. Auch deshalb sei „der Beschluss des UN-Sicherheitsrates zur Schaffung eines unabhängigen, souveränen palästinensischen Staates nicht umgesetzt“ worden.

EU bemängelt Zurückhaltung russischer Friedenstruppen in Bergkarabach

Weniger diplomatisch äußerte sich der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew. Er erklärte mit Blick auf die Amerikaner:

Statt aktiv an einer palästinensisch-israelischen Verhandlungslösung mitzuarbeiten, haben diese Deppen bei uns eingegriffen und die Neonazis [in der Ukraine] mit umfassenden Hilfen versorgt, um zwei eng verwandte Völker gegeneinander aufzuhetzen.“

Unterdessen wirft man Russland in Brüssel Zurückhaltung im Konflikt um Bergkarabach vor. Das von Armenien besetzte Gebiet wurde durch Aserbaidschan zurückerobert. Der EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem „Verrat“ Russlands an Armenien, der dem Präsidenten Nikol Paschinjan gegolten habe. Dieser hatte zuletzt eine stärker prowestlich ausgerichtete Politik verfolgt.

Tatsächlich stellt sich die Frage, wie realistisch eine aserbaidschanische Offensive in den verbliebenen armenisch kontrollierten Gebieten ohne Vertrauen auf die Zurückhaltung russischer Friedenstruppen gewesen wäre. In Russland hingegen stellt man sich die Frage, warum man in der EU auf einmal so viel Wert auf mehr Engagement russischer Truppen legen würde.



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