EU: Von der Leyen vor zweiter Amtszeit – hat Scholz sie als NATO-Chefin verhindert?

Ursula von der Leyen steht vor einer zweiten Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin an. Mit einer Ankündigung wird heute im CDU-Parteivorstand gerechnet. Aus der CSU gibt es kritische Töne. Dort heißt es, sie solle sich mehr auf Wettbewerbsfähigkeit statt auf den Green Deal fokussieren.
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 1. Februar 2024 in Brüssel.Foto: John Thys/AFP via Getty Images
Von 19. Februar 2024

Am Montag, 19. Februar, tagt in Berlin der Bundesvorstand der CDU. Von der Leyen sei am Montag einstimmig vom CDU-Vorstand nominiert worden, erfuhr die „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa) in Berlin aus dem Parteigremium. Parteichef Friedrich Merz hatte sich bereits im Vorfeld dafür ausgesprochen. Von der Leyen selbst hatte in ihrer Rede zur Lage der EU im September des Vorjahres ihre Zukunft offengelassen.

Von der Leyen wäre vierte EU-Kommissionspräsidentin mit zweiter Amtszeit

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz soll die Option einer zweiten Amtszeit von der Leyens bereits seit längerer Zeit im Auge haben. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist die Rede davon, dass die Grünen das Vorschlagsrecht für den deutschen EU-Kommissar haben sollen – es sei denn, die Kommissionspräsidentin komme weiterhin aus Deutschland.

Zuletzt hatte sich auch ihr Amtsvorgänger Jean-Claude Juncker für eine zweite Amtszeit von der Leyens ausgesprochen. Diese habe, so äußerte er gegenüber dem „Tagesspiegel“, einen „guten Job an der Spitze der EU-Kommission unter schwierigsten krisenhaften Umständen vorgelegt“.

Bis dato haben Walter Hallstein, Jacques Delors und José Manuel Barroso zwei Amtszeiten als EU-Kommissionspräsidenten auf sich vereint. Dass von der Leyen dafür im neuen EU-Parlament die erforderliche Mehrheit erlangt, ist denkbar – allerdings könnte sie auf mehr Stimmen aus der Linken angewiesen sein als bisher.

Sozialdemokratischer Gegenkandidat gilt als chancenarm

Im Jahr 2019 war sie als Kompromisskandidatin ins Spiel gekommen, nachdem sich weder für EVP-Kandidat Manfred Weber noch für den Sozialdemokraten Frans Timmermans Mehrheiten abgezeichnet hatten. Die Stimmen der polnischen PiS, der ungarischen Fidesz und der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung sicherten ihr eine knappe Mehrheit.

Dieses Mal könnte sie kaum auf Unterstützung vonseiten der Ungarn zählen. Zudem werden den rechten Fraktionen deutliche Stimmengewinne vorausgesagt. Allerdings gilt der langjährige luxemburgische Arbeitsminister Nicolas Schmit, der für die Sozialdemokraten ins Rennen geht, als Außenseiter. Es ist deshalb davon auszugehen, dass von der Leyen mit den Stimmen der eigenen Fraktion, der Sozialdemokraten, der Liberalen und notfalls der Grünen gewählt wird.

Dass sie sich in ihrer Amtsführung diesen deutlich angenähert hat, sorgt für Argwohn in der CSU. Deren EU-Abgeordneter Markus Ferber kritisierte in der „Augsburger Allgemeinen“, von der Leyen habe sich „öfter mit Greta Thunberg getroffen als mit Wirtschaftsvertretern“. Priorität könne künftig nicht der Green Deal sein, sondern es gehe um „Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung des Binnenmarkts“.

Teile der EVP mahnen Abstriche beim Green Deal an

Als vertrauensbildende Maßnahme hat von der Leyen immerhin kürzlich ihre Vorlage für eine Pestizidverordnung zurückgezogen. Nicht nur unter protestierenden Bauern, sondern auch in der EVP selbst war diese auf starken Gegenwind gestoßen. Viele Mitgliedsparteien der EVP haben ihre Stammwählerschaft unter den Landwirten. Ein Festhalten an den damit verbundenen Belastungen hätte ein Desaster bei den EU-Wahlen begünstigen können.

Inwieweit sie bereit sein wird, weitere Abstriche am Green Deal zugunsten einer realistischen Klima- und Energiepolitik zu machen, ist ungewiss. Offiziell soll der EVP-Parteitag am 6. und 7. März in Bukarest von der Leyen als Spitzenkandidatin bestätigen. Innerhalb der Parteienfamilie wächst der Unmut über die ambitionierten Klimaziele der Kommissionspräsidentin. Es ist daher denkbar, dass sie zumindest vorübergehend ein Einlenken in Aussicht stellen wird.

Sollte sie zur Erlangung einer Mehrheit im EU-Parlament auf die Stimmen der Grünen angewiesen sein, könnte sich ihr Kurs jedoch wieder verändern. Immerhin hat sie in Aussicht gestellt, das Amt eines EU-Verteidigungskommissars einzurichten. Dies ist ein Signal an Politiker in den eigenen Reihen, die auf noch mehr Konfrontation gegen Russland setzen – und an die Grünen.

Scholz soll persönlich von der Leyen als NATO-Generalsekretärin verhindert haben

Neben einer möglichen zweiten Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin stand auch eine denkbare Funktion als NATO-Generalsekretärin im Raum. US-Außenminister Anthony Blinken soll diese Option sogar lange Zeit favorisiert haben – ebenso wie der scheidende Amtsinhaber Jens Stoltenberg.

Jüngst soll jedoch ausgerechnet Bundeskanzler Olaf Scholz US-Präsident Joe Biden davon überzeugt haben, dass dies keine gute Idee sei. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtet, soll der – selbst nicht als übermäßig prorussisch bekannte – Kanzler die feindselige Position von der Leyens gegenüber Moskau als Begründung genannt haben. Langfristig, so die Argumentation, sei diese nicht hilfreich, soll er in einem Telefongespräch gesagt haben.

Hochrangigen EU-Beamten und Spitzendiplomaten zufolge, auf die sich das Blatt beruft, soll Scholz regelrecht ein Veto eingelegt haben gegen die Politikerin. Auch bei EU-Spitzenbeamten selbst wie EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Chefdiplomat Josep Borrell stieß von der Leyens eifriges Engagement in Sachen Ukraine und Gaza nicht immer auf Begeisterung.
Noch vor der EU-Wahl im Juni soll die Nachfolge Stoltenbergs geklärt werden. Als Favorit gilt nun der scheidende niederländische Premierminister Mark Rutte.



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