Flüchtlingskrise 2015: Schäuble-Memoiren offenbaren Stoiber-Putschpläne gegen Merkel

In der kommenden Woche werden die Memoiren des im Dezember 2023 verstorbenen CDU-Politikers Wolfgang Schäuble erscheinen. Darin schildert er, wie Ex-CSU-Chef Stoiber ihn in der Zeit der Flüchtlingskrise zum Sturz von Kanzlerin Merkel ermuntert habe.
Der damals neue CDU-Vorsitzende Schäuble gratuliert 1998 in Bonn der soeben zur CDU-Generalsekretärin gewählten Angela Merkel.
Der damals neue CDU-Vorsitzende Schäuble gratuliert 1998 in Bonn der soeben zur CDU-Generalsekretärin gewählten Angela Merkel.Foto: Michael Jung/dpa
Von 4. April 2024

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Im Jahr 2016 hatte der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber offenbar versucht, die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel im Wege einer Palastrevolte aus ihrem Amt zu befördern. Grund dafür war das Verhalten der Kanzlerin in der Zeit der Flüchtlingskrise. An ihre Stelle sollte der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble treten. Dies geht aus den Memoiren des am 26. Dezember des Vorjahres verstorbenen Politikers hervor.

Schäuble war skeptisch bezüglich der Flüchtlingspolitik – blieb aber zuverlässig

In wenigen Tagen wird das Buch „Erinnerungen. Mein Leben in der Politik“ posthum erscheinen. Auf 656 Seiten blickt der im Alter von 81 Jahren verstorbene Schäuble auf mehr als fünf Jahrzehnte in der Politik zurück. Insgesamt gehörte der CDU-Politiker 51 Jahre lang dem Bundestag an.

Der „Stern“ druckte einige Passagen bereits vorab ab – darunter auch jene bezüglich der Ambitionen Stoibers in der Zeit der Flüchtlingskrise. Der frühere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident hatte bereits 2007 den Rückzug aus seinen Ämtern bekannt gegeben. Als Ehrenvorsitzender der CSU und gefragter Parteitagsredner hatte seine Stimme zumindest in der bayerischen Unionspartei noch Gewicht.

CSU-Vorsitzender war zum Zeitpunkt der Flüchtlingskrise Horst Seehofer gewesen. Ebenso wie Schäuble selbst, der im November 2015 den Zustrom an Flüchtlingen als „Lawine“ bezeichnete, hatte auch dieser Bedenken. Allerdings war Stoiber offenbar der Auffassung, ein möglicher Ersatz für Merkel müsse aus der CDU kommen.

Putsch hätte aus Sicht von Schäuble der Partei geschadet

Schäuble lehnte das Ansinnen jedoch ab. Er empfand es als einerseits skurril, ihn als damals 73-Jährigen mittels einer Palastrevolte ins Kanzleramt bringen zu wollen:

„Die ganze Debatte amüsierte mich fast ein wenig, weil ich ja mein Alter kannte, seit mehr als einem Vierteljahrhundert querschnittsgelähmt war und insgesamt eine angeschlagene Gesundheit hatte.“

Andererseits habe sein „nach heutigen Maßstäben vielleicht ein wenig antiquiert“ erscheinendes Loyalitätsverständnis ihn davon abgehalten, dem Gedanken näherzutreten. Der Partei hätte „der Sturz der eigenen Kanzlerin […] langfristig nur schaden“ können.

Schäuble erklärte, Merkel habe sich „in jeder Phase auf mich verlassen“ können. Er verteidigte auch die Entscheidung, in der Nacht vom 4. auf den 5. September 2015 die Grenzen für in Ungarn gestrandete Flüchtlinge zu öffnen.

Stoiber hat Merkel – wie schon 2002 – im Ergebnis stabilisiert

Aussagen wie „Wir schaffen das“ oder dass man den Ankommenden „ein freundliches Gesicht“ zeigen solle, sah er als „starke Statements“. Allerdings sei Merkel in bestimmten Bereichen auch „beratungsresistent“ gewesen. Zudem habe sie es versäumt, deutlich zu machen, dass die Maßnahme im Hinblick auf die Flüchtlinge in Ungarn als „einmalige Notmaßnahme unwiederholbar“ hätte sein sollen.

Schäuble nahm für sich in Anspruch, rechtzeitig die erforderlichen Schritte eingeleitet zu haben, um ein Gespräch Merkels mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu ermöglichen. Der dort besprochene Flüchtlingsdeal habe am Ende zur Entschärfung der Situation beigetragen.

Stoiber, dem bereits im Umfeld des Sturzes seines Amtsvorgängers in Bayern, Max Streibl, 1993 brachiale Machtpolitik zugeschrieben worden war, hatte 2002 mittels des „Wolfratshausener Frühstücks“ Merkels Kanzlerkandidatur verhindert. Die Union konnte bei der Bundestagswahl zwar zulegen.

Stoiber scheiterte aber an einem starken Wahlkampffinish von Bundeskanzler Gerhard Schröder und einem Antisemitismusskandal in der FDP. Am Ende gelang es ihm auch 2015/16 nicht, eine Putschdynamik in der Union zu erzeugen.

 



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