Kinderpornografie: Besitz und Verbreitung kein Verbrechen mehr?

Nach nur zweieinhalb Jahren will Minister Buschmann die Mindeststrafe für Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie wieder senken. Diese wären dann keine Verbrechen mehr. Kinderschützer halten das für ein falsches Signal.
Eine Kriminaloberkommissarin sitzt vor einem Auswertungscomputer bei Ermittlungen gegen Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch.
Besitz und Weitergabe von Kinderpornografie sollen nicht mehr in jedem Fall ein Verbrechen darstellen. So will es ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums.Foto: Arne Dedert/dpa
Von 8. Dezember 2023

Für Empörung bei Kinderschützern sorgt ein aktuelles Vorhaben von Bundesjustizminister Marco Buschmann. Dieser kündigte an, die gesetzliche Mindeststrafe für den Besitz von kinderpornografischem Material auf drei und für die Verbreitung auf sechs Monate senken zu wollen. Erst im Jahr 2021 hatte das damalige Kabinett Merkel IV diese für beide Tathandlungen auf ein Jahr erhöht. Mit der Absenkung würde das Delikt juristisch wieder als Vergehen und nicht mehr als Verbrechen gelten. Die Höchststrafen sollen unverändert bleiben.

Verschärfung betraf vorwiegend zwei Tatbestände des StGB

Die unter der damaligen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht veranlasste Verschärfung durch das „Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ betraf vor allem zwei Tatbestände. Zum einen ging es um den Paragrafen 176 StGB, der sexuelle Handlungen an Personen unter 14 Jahren betrifft.

Zum anderen ging es um den Paragrafen 184b. Dieser hat „Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte“ zum Gegenstand. In allen genannten Fällen beträgt die Mindeststrafe nun ein Jahr Freiheitsentzug. Dies hat juristisch unter anderem die Konsequenz, dass es sich um Verbrechenstatbestände handelt.

Staatsanwälte haben von Amts wegen bei Vorliegen eines Anfangsverdachts zu ermitteln. Sogenannte minderschwere Fälle sind nicht vorgesehen. Auch gibt es die Möglichkeit, Ermittlungsverfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen, lediglich im Bereich der Vergehen.

Verbrechen lassen keine Einstellung wegen Geringfügigkeit zu

Dass es dabei bleibt, ist Kinderschützern wie dem Anti-Mobbing-Coach Carsten Stahl ein zentrales Anliegen. In einem Gespräch mit dem Portal „NIUS“ äußert er mit Blick auf die Pläne der Ampel:

„Kinderschutz ist unverhandelbar und er muss eine hohe Priorität haben und nicht Täterschutz.“

Auf X betont er, Kinderschutz habe oberste Priorität „und nicht der Schutz von Tätern und Täterinnen“.

Carsten Stahl steht auf dem Standpunkt, dass in Fällen, in denen eine Abwägung geboten wäre, Richter und Staatsanwälte die Möglichkeit dazu hätten. Es sei dafür nicht erforderlich, die gezielt zum Verbrechen erklärten Tathandlungen des Paragrafen 184b StGB wieder zum Vergehen herabzustufen.

Die Strafprozessordnung stützt diese Einschätzung allerdings nicht: Das Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit gemäß der Paragrafen 153ff. setzt explizit voraus, dass der Anfangsverdacht sich auf ein Vergehen bezieht. Im Fall eines Verbrechens greifen diese Möglichkeiten deshalb nicht.

Mögliche Erfassung von „Mutproben“ der Generation TikTok

Der Tatbestand des Paragrafen 184b StGB erfordert keine Öffentlichkeit der Tathandlung. Bereits das Speichern von Aufnahmen oder die Weiterleitung an eine Person erfüllt den Tatbestand. Erfasst sind dabei nicht nur Darstellungen, die sexuelle Handlungen beinhalten, die Kinder involvieren.

Tatbestandsmäßig sind auch „die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung“ oder „die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes“.

De facto mehren sich jedoch Fälle, in denen bereits Minderjährige unter 14 Jahren solche Aufnahmen von sich selbst anfertigen und versenden. Diese tauchen anschließend häufig in privaten Unterhaltungen oder sogar Klassenchats auf.

Besorgte Eltern oder Lehrer könnten schon durch Abspeichern ein Verbrechen begehen

Zwar würden sich die betreffenden Unter-14-Jährigen mangels Strafmündigkeit nicht selbst strafbar machen. Bereits besorgte Eltern oder Lehrer, die solche Aufnahmen vorfinden und an die Ermittlungsbehörden weiterleiten, würden jedoch den Tatbestand erfüllen.

Technisch gesehen stellt auch das Weiterleiten an betroffene Eltern oder die Schuldirektion ein „Verbreiten“ im Sinne des Paragrafen 184b dar. Zwar schafft das allgemeine Anzeigerecht von Straftaten nach Art. 301 Abs. 1 StPO regelmäßig einen Rechtfertigungsgrund. Ein vorheriges Abspeichern begründet jedoch selbst in diesem Fall einen „Besitz“.

Der Tatbestand greift dem Wortlaut des Gesetzes lediglich dann nicht, wenn für Personen, die entsprechendes Material besitzen oder verbreiten, Absatz 5 greift. Dieser bezieht sich auf die Erfüllung staatlicher Aufgaben. Darüber hinaus geht es um solche, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, sowie um dienstliche oder berufliche Pflichten.
Im Kern bedeutet dies, dass nur Polizeibeamte und Organe der Strafverfolgung entsprechendes Material besitzen oder weiterleiten dürfen.

Richterbund: Gesetz in derzeitiger Form bindet Kräfte gegen Pädokriminalität

Fälle zweifelhafter „Mutproben“ von Teenagern oder besorgter Eltern und Lehrer hatte auch Minister Buschmann vor Augen, als er seinen Gesetzentwurf präsentierte. Er berief sich auf „Rückmeldungen aus der Praxis“. Diese würden darauf hindeuten, dass „eine tat- und schuldangemessene Reaktion nicht mehr in jedem Einzelfall gewährleistet ist“. Dies beziehe sich vor allem auf „Verfahren, die einen Tatverdacht am unteren Rand der Strafwürdigkeit zum Gegenstand haben“.

Auch der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, hatte bereits im Frühjahr eine Korrektur des Gesetzes angeregt. Schriftliche Strafbefehle oder Einstellungen gegen Auflagen seien auch in dafür geeigneten Fällen nach aktueller Rechtslage nicht mehr möglich, beanstandete er. Gegenüber dem ZDF erklärte Rebehn:

„Damit erschwert die verunglückte Reform eine angemessene Bestrafung im Einzelfall und bindet viel Personal in der Strafverfolgung, das dringend gebraucht würde, um Pädokriminelle zu überführen und zu verurteilen.“

Verfehlte Symbolpolitik kurieren – und damit falsche Signale senden?

Die Begründung, die Buschmann anführt, deutet darauf hin, dass das „Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ eher ein Akt der Symbolpolitik denn bis zum Ende gedacht war. In einer durch die Verbrechen von Lügde, Bergisch-Gladbach und Münster emotional aufgeheizten Stimmung ging es vor allem darum, Handlungsfähigkeit zu zeigen. Man wollte „Zeichen setzen“ und hat dabei offenbar über das eigentliche Ziel hinausgeschossen.

Nun befürchten Kinderschützer jedoch, dass die geplante Rücknahme eines Aspekts des Gesetzes wiederum als „Zeichen“ verstanden werden könnte – in die falsche Richtung. Dass diese Möglichkeit nicht auszuschließen ist, zeigen mehrere schwere Sexualstraftaten, die jüngst durch die Medien gegangen sind, und die Reaktionen darauf.

In Wuppertal wurde jüngst beispielsweise ein Fall bekannt, wonach polizeibekannte Teenager Minderjährige im Alter von zum Teil erst 14 Jahren zur Prostitution gezwungen haben sollen. Die mutmaßlichen Täter waren bereits zuvor polizeibekannt. Vor allem aber die weithin als mild wahrgenommenen jüngsten Urteile im Prozess um eine Gruppenvergewaltigung in Hamburg sorgen weiter für Aufregung.

Fälle wie diese tragen zu der Wahrnehmung bei, die Justiz reagiere bereits jetzt in unzureichender Weise auf immer brutaler werdende Gewalt- und Sexualdelikte schon unter Jugendlichen. Wenn nun auch der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie nicht mehr ex lege als Verbrechen gelten soll, könnte dies dem Vertrauen in den Rechtsstaat schaden. Gleiches gilt allerdings auch, wenn sich Ermittlungen wegen dieses Tatbestandes gegen Personen richten, die lediglich Straftaten melden wollen.



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