„Massive Überbeschaffung“: Bundesrechnungshof wirft Spahn Verschwendung beim Kauf von Masken vor

Mehr als eine Milliarde Euro an Folgekosten habe die Art und Weise der Maskenbeschaffung in der Zeit der Corona-Pandemie durch den damaligen Bundesgesundheitsminister Spahn verursacht. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt der Bundesrechnungshof in einem jüngst erarbeiteten Bericht.
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Der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn sprach im Dezember 2021 über die Entwicklung in der Corona-Pandemie.Foto: Kay Nietfeld/dpa/dpa
Von 30. März 2024

Als nunmehriger stellvertretender Unions-Fraktionschef im Bundestag sieht Jens Spahn derzeit seine Chance gekommen. In „Bild“ echauffiert er sich über „Migrationsleugner“ in der Ampel, Kanzler Scholz, der auf „Putins Bluff“ hereinfalle – und er fordert eine mehrjährige „Migrationspause“. Der jüngste Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsausschuss dürfte ihm da wenig gelegen kommen. In diesem wird sein Gebaren als Bundesgesundheitsminister in der Corona-Zeit angesprochen – und insbesondere seine Praxis hinsichtlich der Beschaffung von Masken.

Unpräzise bei der Beschaffung von Masken?

In dem Bericht ist die Rede von einer „massiven Überbeschaffung von Schutzmasken“ zu Beginn der Corona-Pandemie, berichtet der „Spiegel“. Diese habe zu „anhaltend hohen Lagerbeständen und erheblichen Folgekosten“ geführt. Demgegenüber sei der Nutzen bezüglich der Pandemiebekämpfung „gemessen daran gering“ gewesen.

In dem Papier wirft der Rechnungshof dem ehemaligen Minister eine umfangreiche Fehlplanung vor. So habe dieser insgesamt 5,7 Milliarden Masken beschaffen lassen. Zur Verteilung gelangt seien jedoch nur 1,7 Milliarden in Deutschland und 300 Millionen in anderen Ländern.

Die Überbeschaffung habe nicht nur die Anfangsphase der Pandemie betroffen, wo es tatsächlich über mehrere Wochen Engpässe gegeben hatte. Ein großer Teil der damals zur Verwendung gelangten OP-Masken war von Lieferketten abhängig, die nach China reichten. Von dort war es schwierig, ausreichend Schutzmasken zu erschwinglichen Preisen zu erhalten. Auch deshalb durften Menschen damals sogar Stoffmasken beim Einkauf während des Lockdowns verwenden.

Nicht einmal ein Viertel der FFP2-Masken gelangte zur Verteilung

Diese Schwierigkeit hat auch der Bundesrechnungshof in seine Kritik eingepreist. Er gestand Spahn zu, dass zu Beginn „große Ungewissheit über die Schwere und den Verlauf der Pandemie herrschte“. In dieser Situation sei auch das Beschreiten „ungewöhnlicher Beschaffungswege“ angemessen gewesen.

Allerdings habe das Ministerium „Ausnahmetatbestände überdehnt“ und viele der kritisierten Entscheidungen seien gar nicht in der Anfangsphase der Pandemie gefallen. Vor allem aber seien nicht nur weniger als ein Drittel der Masken insgesamt zur Verteilung gelangt. Von den besonders teuren FFP2-Masken, die ab Ende des Jahres 2020 zunehmend zum Standard bei Maskenpflichtvorschriften wurden, wurde nicht einmal ein Viertel verteilt.

Und das, obwohl Spahn Ende des Jahres 2020 im Wege einer Sonderaktion insgesamt 400 Millionen Masken an Angehörige von Risikogruppen verteilen ließ. Die Kosten für eine waren damals mit sechs Euro angesetzt. Für den Bund habe dies einen Aufwand von 2,5 Milliarden Euro bedeutet, zumal der ursprünglich geplante Selbstbehalt von zwei Euro im Regelfall wegfiel. Immerhin erstattete der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) den Apotheken die gesamten sechs Euro.

Noch brauchbare Masken werden bald der Vernichtung anheimfallen

Wie viele der verteilten Masken tatsächlich genutzt worden seien, bleibe unklar, heißt es in dem Bericht weiter. Gleichzeitig hätten nicht zur Verteilung gelangte Masken „bis heute laufende, massive Folgekosten für die Verwaltung der Überbeschaffung“ hervorgerufen. Dies gelte insbesondere auch „für die dauerhafte Einlagerung unbrauchbarer Ware“.

Mittlerweile seien bereits 1,2 Milliarden Masken der Vernichtung anheimgefallen. Weitere 1,7 Milliarden stünden noch dafür an. Ähnliches sei jedoch auch für etwa 800 Millionen Schutzmasken zu erwarten, die noch verwendbar wären. Es sei hier nicht erkennbar, wer diese nutzen und an wen man sie verteilen solle.

Die letzte Maskenpflichtvorschrift war in Deutschland am 7. April 2023 weggefallen. Nur wenige Krankenhäuser haben seither auf dem Wege des Hausrechts eine solche zumindest temporär wieder eingeführt. Der Stückpreis für FFP2-Masken auf dem freien Markt ist derweil auf teils geringe zweistellige Centbeträge gefallen.

Spahn soll noch persönlich Aufträge nachgeschoben haben

Für die Verwaltung des Bestandes an zu viel beschafften Masken veranschlagt der Bundesrechnungshof bis Ende 2023 Kosten von etwa 460 Millionen Euro. Im laufenden Jahr rechne er mit weiteren 534 Millionen Euro. Zudem habe das Ministerium für Prozesse mit Lieferanten allein im vergangenen Jahr etwa 113 Millionen Euro ausgegeben.

Selbst nach dem internen offiziellen Abschluss des Beschaffungsprozesses von OP-Masken am 5. Mai 2020 habe Spahn zum Teil noch persönliche Weisungen für Aufträge gegeben. Bezüglich der Vergabevermerke seien nicht selten formale Zeichnungsvorschriften nicht oder nur teilweise eingehalten worden. Einer sei sogar rückdatiert worden.

Die Informationspolitik dazu sei so restriktiv gewesen, dass Journalisten das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bemühen mussten. Einige Dokumente seien offenbar gezielt einer Geheimhaltungsstufe unterworfen worden, um Ansprüche dieser Art abzuwehren.

Zudem hafteten Schulden in dreistelliger Millionenhöhe beim Zoll aus, weil das Ministerium „nicht über die in seinem Namen und damit potenziell zulasten des Bundeshaushalts abgegebenen Zollanmeldungen“ verfüge.

Bundesrechnungshof empfiehlt kritische Aufarbeitung und Dezentralisierung

Bereits im April 2020 hatte der Bundesrechnungshof eine Bestellung von Masken durch das Spahn-Ministerium beanstandet. Zu diesem Zeitpunkt habe es bereits feste Lieferzusagen an dieses von 1,05 Milliarden FFP2-Masken für 4,7 Milliarden Euro gegeben. Dennoch habe das Ministerium die Beschaffung von 100 Millionen FFP2-Masken beim Start-up Emix in der Schweiz in Auftrag gegeben.

Dieses hatte die Masken zu einem Stückpreis von 5,40 Euro angeboten – obwohl die Lieferfrist für die bereits im Open-House-Verfahren für 4,50 Euro abgegebenen Offerten noch nicht abgelaufen war. Im Schnitt habe das Ministerium im Jahr 2020 für eine FFP2-Maske 2,31 Euro ausgegeben.

Dem Ministerium empfiehlt der Bericht eine „kritische Aufarbeitung“ und rechtssichere Krisenstrategie für künftige Zeiten. Möglicherweise auch eine Selbstrücknahme der Bundesebene. Im Bericht heißt es auch:

„Die Bundesebene ist nicht nur fachlich und logistisch am weitesten von den infrage kommenden Bedarfsträgern entfernt, sondern auch nach derzeitiger Kompetenzverteilung für eine Versorgung vor Ort nicht zuständig.“



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