Unmut über Krah als Spitzenkandidat wächst – eine „Katastrophe mit Ansage“

Trotz der Spionageaffäre um seinen Mitarbeiter Jian G. will die AfD Maximilian Krah als ihren Europa-Spitzenkandidaten halten. Doch innerhalb der Bundestagsfraktion wächst der Unmut, besonders bei der Vorsitzenden Alice Weidel, die schon seit geraumer Zeit von der Personalie Krah genervt gewesen ist. Auch Co-Chef Chrupalla geht auf Distanz.
Maximilian Krah, Tino Chrupalla und Alice Weidel von der AfD.
Bild aus besseren Tagen: Inzwischen gehen auch Alice Weidel und Tino Chrupalla sichtbar auf Distanz zu Maximilian Krah.Foto: Sebastian Willnow/dpa
Von 26. April 2024

Wenn die Alternative für Deutschland (AfD) am kommenden Samstag in den Donauhallen in Donaueschingen ihren Europawahlkampf eröffnet, wird sie auf ihren Spitzenkandidaten, Maximilian Krah, verzichten müssen. Der Europaabgeordnete steht seit Anfang der Woche erheblich unter Druck, nachdem sein Mitarbeiter Jian G. wegen des Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit in Untersuchungshaft sitzt. 

Die Behörden werfen Krahs Assistenten im EU-Parlament vor, Informationen über Verhandlungen im EU-Parlament weitergegeben und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht zu haben. Das EU-Parlament hat G. inzwischen wegen der Vorwürfe suspendiert. Krah hat sich am Mittwoch mit sofortiger Wirkung von seinem Mitarbeiter getrennt. Zuvor hatte sich Krah mit den beiden Bundessprechern Alice Weidel und Tino Chrupalla in Berlin getroffen und die nun entstandene Situation erläutert. In einer kurz gehaltenen Pressemitteilung hieß es nach dem Treffen: „Jegliche Einflussnahmen fremder Staaten durch Spionage, aber auch der Versuch, Meinungen und Positionen zu kaufen, müssen aufgeklärt und mit aller Härte unterbunden werden.“ 

Krah hat schon länger schweren Stand

Kurze Rückblende zum AfD-Parteitag Ende Juli letzten Jahres: Maximilian Krah hat es geschafft und war auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Die 370 Delegierten haben ihn mit 65 Prozent auf den Listenplatz 1 seiner Partei zur Europawahl gewählt. Für den Rechtsanwalt aus Dresden ist diese Wahl ein Sieg auf ganzer Linie, vor allem gegen seinen parteiinternen Gegenspieler in Brüssel, Nicolaus Fest.

Noch im Februar 2023 plante die Fraktion Identität und Demokratie (ID) mit dem ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur der „Bild“ einen Ausschluss Krahs aus der Fraktion. Krah wiederum organisierte damals die Absetzung Fests als Leiter der Brüsseler AfD-Gruppe. Neben der AfD besteht die ID im Europäischen Parlament unter anderem aus dem Rassemblement National aus Frankreich, der italienischen Lega und der FPÖ aus Österreich. Außer Krah und Fest gehören noch sieben weitere AFD-Abgeordnete zu der 64 Personen starken Fraktion. 

Hintergrund der gegenseitigen Absetzungsbemühungen war damals der Streit um die Vergabe eines PR-Auftrags. Nicolaus Fest beschuldigte seinen Parteifreund Krah, die Auftragsvergabe zugunsten einer von Krah bevorzugten Agentur manipuliert zu haben. Krah wies diese Behauptung zurück. Am Ende des Machtkampfes stand der Rücktritt Nicolaus Fests, der damit einem Abwahlantritt zuvorgekommen war. „Ich hatte kein Vertrauen mehr in die Delegation“, begründete er den Rücktritt damals gegenüber der „Welt“.

Weidels Zweifel an Krah

Hört man sich innerhalb der AfD um, wird diese Skepsis gegen Krah heute eher bestätigt. Vor allem Alice Weidel soll immer wieder Zweifel angemeldet haben, ob Krah der richtige Spitzenkandidat zur Europawahl ist. Die Parteichefin der AfD drängt auf gute Beziehungen zum Rassemblement National in Frankreich. Nach Bekanntwerden des Treffens in Potsdam zum Thema „Remigration“ drohte Marine Le Pen der AfD öffentlich mit der Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft in Brüssel. Für die schlechte Stimmung zwischen den Parteien wird auch Maximilian Krah verantwortlich gemacht. Allerdings war es Weidels Referent, der beim Potsdam-Treffen dabei gewesen ist, nicht Krah oder Jian G..

Am vergangenen Dienstag kam die AfD-Bundestagsfraktion zusammen. Unter anderem wurde auch die Personalie Krah thematisiert. Der Rückhalt des Kandidaten scheint zu schwinden. Wie mehrere Teilnehmer der Sitzung laut „Welt“ berichten, soll die Verärgerung von Alice Weidel immer noch bemerkbar gewesen sein. „Das geht jetzt an die Substanz“, so Weidel gegenüber der Fraktion. Bis zum Wochenende müsse die Sache geklärt sein, sagte die Parteichefin. 

„Viele rollen nur noch mit den Augen“

Zwei fachpolitische Sprecher aus Sachsen hätten für ihren Parteifreund Krah aus dem gleichen Landesverband gesprochen. Man müsse sich solidarisieren und dürfe keine Kampagne des politischen Gegners zulassen. Gegen äußere Angriffe müsse man nun zusammenstehen. 

Wie Teilnehmer der Sitzung berichten, hätte man allerdings dann bei den Redebeiträgen anderer Bundestagsabgeordneter an diesem Tag einen deutlich anderen Ton als den der sächsischen Kollegen heraushören können. Zwar war man sich strömungsübergreifend darüber einig, dass für den Europaabgeordneten Krah die Unschuldsvermutung gelte und auch der Zeitpunkt der Festnahme, knapp sieben Wochen vor der Wahl, kaum ein Zufall sein kann. Es wurde aber auch klargestellt, dass es „keinerlei Toleranz“ geben dürfe, falls diese Vorwürfe zuträfen.

Auf „Welt-TV“ spricht Frederik Schindler aus dem Innenressort der Zeitung davon, dass ein nicht näher benannter stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion das Wort ergriffen und sich gegen Solidarität mit Krah ausgesprochen habe. 

Auch Fraktionschef Chrupalla, der bisher als einer der Unterstützer Krahs galt, sagte lediglich: Er werde nicht mehr darauf verweisen, dass man die Ermittlungsergebnisse abwarten solle und sich ansonsten nicht äußern könne. Das könnte ein Zeichen sein, dass nun auch der Sachse Chrupalla sich von Maximilian Krah absetzt. 

Mehrere Abgeordnete hätten sich hinter vorgehaltener Hand, so Schindler, „entnervt“ gezeigt. „Viele rollen nur noch mit den Augen“, angesichts ständig neuer Skandale. „Unser Wahlkampf ist versaut“, kommentierte ein anderer. „Das war eine Katastrophe mit Ansage.“ In der Partei, das hörte man tatsächlich schon länger, gab es immer wieder Gerüchte um Krahs Mitarbeiter. 

„Wo Rauch ist, ist auch Feuer“

Schon im Oktober des vergangenen Jahres berichtete „t-online“ über den Krah-Assistenten Jian G., den der Europaabgeordnete nach eigenen Angaben schon seit 2014 kennt. Im September 2019, kurz nach dem Einzug Krahs ins Europaparlament, wurde G. als einer der ersten Assistenten in Krahs Abgeordnetenbüro in Brüssel akkreditiert.

Nicolaus Fest sagte dem Magazin „The European Conservative“ damals: „Niemand weiß, was er tut, niemand hat einen Kontakt zu ihm, niemand denkt ernsthaft, dass er dort ist, um die Ziele der AfD voranzutreiben.“

Weitere Gerüchte betrafen schon damals mögliche Verbindungen von G. zur Kommunistischen Partei Chinas. Wie „t-online“ im Oktober schrieb, läge dem Portal ein Beleg vor, dass der Assistent im Winter 2021 EU-Abgeordnete angefragt habe, zu den Olympischen Winterspielen nach Beijing zu fahren. Es könnten hinsichtlich der Corona-Maßnahmen Ausnahmen für Politiker erwirkt werden. „Jeder kann seine eigenen Schlüsse daraus ziehen“, sagte Fest. „Aber wie das Sprichwort sagt: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer.“

Es blieben zu dieser Zeit allerdings nur Gerüchte. G. selbst zeigte sich entsetzt über die Anschuldigungen gegen ihn. Er führte diese auf den Machtkampf in der Fraktion zurück. Krah nahm seinen Mitarbeiter in Schutz. Dieser gerate wegen seiner ethnischen Herkunft ins Visier der politischen Gegner. Damit war die Affäre erst einmal erledigt.

Exilchinesen misstrauten Krahs Assistenten

Es existieren Fotos aus der Zeit vor seiner Anstellung bei Krah, die G. umgeben von Exil-Oppositionellen zeigen – Personen, die also dem kommunistischen Regime kritisch gegenüberstehen. Diese Fotos liegen „t-online“ vor, wie das Portal schreibt. Darauf sei G. zu sehen bei taiwanischen und exil-chinesischen Demokratieaktivisten in Deutschland, bei der tibetanischen Exil-Regierung in Indien und auch beim Dalai Lama.

Als „Teilnehmer der demokratischen Bewegung Chinas“ solle man alle Kräfte vereinen, „um eine einheitliche demokratische Front aufzubauen“ und „den Prozess der Demokratisierung Chinas voranzutreiben“, schrieb G. damals.

Das passte jedoch nicht recht zu einem Mann, der zur gleichen Zeit Geschäfte mit chinesischen Unternehmen machte. Bevor er für Krah im EU-Parlament anfing, war G. im Import-Export Geschäft tätig. Später wurde er vor allem durch seine Verbindungen zum chinesischen Staat bekannt. So soll er, ebenfalls laut „t-online“, die China-Reisen von Krah eingefädelt haben. 2023 reiste auch Tim Lochner, der heutige AfD-Bürgermeister in Pirna, mit nach China. Jian G. sei „unser chinesischer Kontaktmann“, habe er damals über Krahs Assistenten gesagt. Bei einer Reise, von G. organisiert, wurde Lochner, wie ein Staatsgast hofiert und bekam einen Verdienst­orden von der Kommunistischen Partei verliehen. Seitdem nennt sich der AfD-Bürgermeister stolz „Internationaler Freundschaftsbotschafter von Lishui“. 

Die Demokratieaktivisten in Deutschland halten sich hingegen distanziert zu G.. Obwohl er behauptete, sich aktiv für Demokratie in China einbringen zu wollen, misstrauten sie ihm, wie Epoch Times aus ihren Kreisen erfuhr.

Für diesen Artikel wurde auch Maximilian Krah um eine Stellungnahme gebeten. Bis zum Redaktionsschluss lag keine Antwort von ihm vor.



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