Corona-Jahre: WHO bekam mehr Geld von Bill Gates als von den USA

In der Corona-Zeit erhielt die WHO mehr Geld von Bill Gates und dessen Netzwerk als von den USA oder der EU. Im Gegenzug wollten die Stiftungen Mitsprache.
Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Ex-Frau Melinda
Bill Gates und seine frühere Ehefrau Melinda, die zugleich auch Mitinitiatorin der Gates Foundation ist.Foto: Justin Sullivan/Getty Images
Von 21. September 2022


Der Microsoft-Gründer und Milliardär Bill Gates hatte bereits zu Beginn der Corona-Pandemie angekündigt, seine Stiftungen und Netzwerke zu mobilisieren. Diese sollen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und bedürftige Staaten im Kampf gegen die Seuche unterstützen. Recherchen von „Welt am Sonntag“ und „Politico“ zufolge hat der Philanthrop im Gegenzug für üppige Spenden eine Mitsprache in Entscheidungsprozessen beansprucht. Kritiker zweifeln nun auch die Effektivität seiner Bemühungen an.

Bill Gates riss früh die Initiative an sich

Die an der Recherche beteiligten Journalisten hatten unter anderem Dokumente mit Bezug zur Corona-Pandemie ausgewertet und mit Entscheidungsträgern gesprochen. Letzteres im Regelfall unter der Bedingung der Anonymität: Die Betreffenden wollten eine künftige Zusammenarbeit zwischen der US-Regierung und dem Gates-Netzwerk nicht belasten.

Der Regierung in Washington waren die Aktivitäten von Bill Gates zu Beginn der Pandemie höchst willkommen. In Deutschland hatte der Bundesnachrichtendienst (BND) vor möglichen weitreichenden Folgen einer Ausbreitung des Coronavirus gewarnt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Seuche gerade auf Europa übergegriffen. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus schickte erste Faktenfindungsmissionen nach China.

Das Problem: Europas Regierungen bevorzugten es über Wochen hinweg, die weitere Entwicklung zu beobachten. Die WHO übernahm weitgehend unkritisch Angaben des chinesischen KP-Regimes, das sich lange um Vertuschung des Ausbruchs bemüht hatte. Aber auch die US-Regierung war unsicher, wessen Angaben über das Gefährdungspotenzial des Coronavirus sie am ehesten Glauben schenken könnte.

Erste Charmeoffensive schon im Frühjahr 2020

Demgegenüber reagierten Bill Gates, seine Stiftungen und sein Netzwerk schnell. Sie hatten den Vorteil, nicht auf diplomatische Gepflogenheiten, politische Erwägungen oder eine schwerfällige Bürokratie Rücksicht nehmen zu müssen. Stattdessen konnten sie zeitnah Versammlungen von Experten und potenziellen Geldgebern einberufen und mögliche Gegenstrategien entwickeln.

Der Microsoft-Gründer setzte dabei auf die nach ihm benannte Stiftung und die von ihm mitfinanzierten Organisationen Wellcome Trust, CEPI und Gavi. Bei den beiden letztgenannten Vereinigungen handelt es sich um solche, die vor allem die Entwicklung von Impfstoffen fördern.

Wie aus Daten des US-Lobbyregisters hervorgeht, hatten Vertreter dieser vier Organisationen des Gates-Netzwerkes bereits im Frühjahr 2020 offensiv den Kontakt zur Politik gesucht. Vor allem Politiker des Weißen Hauses, Gesundheitsbeamte und Vertreter der nationalen Entwicklungsbehörde, aber auch Kongressabgeordnete wurden intensiv kontaktiert. Der damalige Präsident Donald Trump stellte CEPI 20 Millionen US-Dollar in Aussicht, sein Nachfolger Joe Biden erhöhte auf 100 Millionen.

Unter den Hauptsponsoren der WHO

Bereits Anfang 2020 will die Stiftung China und der Afrikanischen Union Zusagen im Umfang von zehn Millionen Dollar gemacht haben, um Maßnahmen gegen die Pandemie zu finanzieren. Zudem gab es aus dem Netzwerk schon Mitte Januar 2020 Pläne, fünf Millionen US-Dollar Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die Impfstoffe entwickeln sollen. Im Februar 2020 unternahm das Gates-Netzwerk bereits Anläufe, um führende Politiker westlicher Industrienationen mit den Stiftungen an einen Tisch zu bekommen.

Am 24. April 2020 einigten sich die von Gates finanzierten Organisationen zusammen mit den Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Spanien auf einem Treffen der WHO auf ein koordiniertes Vorgehen.

Vor allem die WHO sollte sich in weiterer Folge erheblicher Finanzmittel aus den Reihen der Gates-Organisationen erfreuen. Der „Welt“- und „Politico“-Recherche zufolge sollen 751 Millionen US-Dollar allein aus den Beständen der Bill und Melinda Gates Stiftung an die Organisation geflossen sein. Dazu kamen 432 Millionen von der Impfallianz Gavi. Nur Deutschland steuerte mit 1,3 Milliarden US-Dollar Mittel in einer ähnlichen Größenordnung bei.

Die zeitweilig aus der WHO ausgetretenen USA finanzierten die WHO in den Corona-Jahren mit 693 Millionen US-Dollar, Großbritannien mit 481 Millionen, die EU mit 466 Millionen und Japan mit 218 Millionen. Mehrere führende Funktionäre aus Organisationen des Gates-Netzwerks vollzogen einen fliegenden Wechsel auf leitende Positionen der WHO.

Im Gegenzug waren die Gates-Organisationen hingegen bemüht, auch Entscheidungsprozesse in der Pandemiepolitik zu beeinflussen. Vor allem eine Frage war für Vertreter des Netzwerks zentral: Die Aufrechterhaltung des Patentschutzes für Herstellerunternehmen von Impfstoffen, den Vertreter mehrerer Länder und NGOs wie „Ärzte ohne Grenzen“ aufheben wollten.

Befürworter einer Aufhebung des Patentschutzes führen an, dass eine solche Maßnahme es insbesondere ärmeren Länder schneller ermöglichen würde, ihren Bevölkerungen Impfstoffe zur Verfügung zu stellen. Gegner befürchten einen kontraproduktiven Effekt. Die faktische Enteignung der Hersteller auf dem Gebiet des Innovationsschutzes würde die künftige Bereitschaft zur Forschung beeinträchtigen.

Persönliche Intervention bei Angela Merkel

Bill Gates und seine frühere Ehefrau Melinda sollen in dieser Sache sogar persönlich zum Telefonhörer gegriffen haben, um bei der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu intervenieren. Dies geschah den Erkenntnissen des Rechercheverbundes zufolge am 6. Mai 2021, als die Impfkampagne in vielen Ländern der Welt mit Nachdruck angelaufen war.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Regierungen einflussreicher Länder wie der USA, Frankreichs oder Italiens Bereitschaft gezeigt, eine Patentschutzaufhebung mitzutragen. Merkel sollte in weiterer Folge eine solche Maßnahme auf internationaler Ebene blockieren – und so mit dazu beitragen, dass erst ein Jahr später eine Einigung auf WTO-Ebene zustande kam, die zumindest temporäre Einschränkungen der Patentrechte vorsieht.

Ob das Gespräch mit Gates für Merkels Sinneswandel seit der Zeit des Ausbruchs der Pandemie entscheidend war, ist ungewiss. Neben Gates hatten auch mehrere Pharmaunternehmen und Verbände deutsche Politiker bedrängt, einem Patentschutz-Moratorium nicht zuzustimmen. Außerdem war die Position der Union in dieser Frage schon zuvor abwartend gewesen.

Dennoch illustriert diese Begebenheit, wie intensiv das Bemühen von Gates und seinem Netzwerk war, im Austausch zu seinen Fördermaßnahmen zur Pandemiebekämpfung auch bei deren Regeln und Durchführung mitzureden. Gleichzeitig sollte zwar die WHO Kontrollrechte gegenüber den Bemühungen der von Gates initiierten Programme ACT-A und Covax erhalten. Die daran beteiligten Akteure sollen nach Einschätzung von Beobachtern eher Dienst nach Vorschrift geleistet haben, wenn es um Fragen der Transparenz ging.

Prüferkommission zieht durchwachsene Bilanz

So stark der Antritt war, den Gates mit seinem Netzwerk zu Beginn der Pandemie hingelegt hatte, so uneinheitlich fällt die Bewertung der Resultate aus, die er bei deren Bekämpfung erzielen konnte. Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang Kritik erfährt, ist die Priorität, die seine Organisationen zu Beginn der Pandemie dem Impfstoff von AstraZeneca zugedacht hatten. Gegenüber Staaten und Universitäten hatten Lobbyisten der vier beteiligten Initiativen Druck ausgeübt, vorrangig mit diesem Hersteller zu kooperieren.

Dessen ursprünglicher Impfstoff wurde jedoch schon nach wenigen Monaten in vielen Ländern vom Markt genommen, da mehrere Fälle von zum Teil tödlichen Nebenwirkungen bekannt geworden waren. In weiterer Folge erwies sich ein überarbeitetes Präparat als Ladenhüter und damit als Fehlinvestition.

Aber auch quantitativ blieben von Gates initiierte Bemühungen hinter den selbstgesetzten Zielen zurück. Dies geht aus Zahlen eines Prüferkonsortiums des Beratungsunternehmens Dalberg Global Development Advisors hervor – das im Auftrag der vier beteiligten Organisationen selbst aktiv geworden war.

So gingen bis Ende Juni 2021 lediglich 84 Millionen durch Gates organisierte Testkits in ärmere Länder – statt der anvisierten 500 Millionen. Statt 245 Millionen Dosen gegen COVID-19 entwickelter Medikamente, wie Gates sie bis Mitte 2021 in Aussicht gestellt hatte, seien nur 1,8 Millionen angekommen. Auch von zwei Milliarden Impfdosen, die von den Organisationen bis Ende 2021 in Entwicklungs- und Schwellenländer ausgeliefert werden sollten, kam weniger als die Hälfte zur Verteilung.

Gates Foundation sieht die Regierungen in der Verantwortung

In Ländern wie Ghana oder Uganda, die große Hoffnungen in die Gates-Initiativen gesetzt hatten, ziehen Gesundheitsbeamte heute eine kritische Bilanz bezüglich der Erfolge der Stiftungen. Covax habe zu wenig und zu langsam geliefert. Auch sei nur ein Bruchteil der versprochenen Mittel zur Verbesserung des Gesundheitssystems in den betroffenen Ländern tatsächlich zu diesem Zweck verwendet worden.

Der Vorstandschef der Gates Foundation, Mark Suzman, räumte ein, dass die Impfkampagne hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Dennoch bescheinigte er den Stiftungen selbst eine gute Arbeit. Wie auch Sprecher von CEPI und Gavi gibt er Regierungen die Schuld daran, dass die „Welt als Ganzes“ bei der Pandemiebekämpfung versagt habe. Schon zu Beginn hätten sich die Länder mit hohem Einkommen den vorrangigen Zugriff auf die Impfstoffe gesichert. Und ohne die Bemühungen des Gates-Netzwerkes, dessen ist man sich dort sicher, wäre die Bilanz der weltweiten Pandemiebekämpfung noch schlechter ausgefallen.



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