Bund will Gasnetz stilllegen – Branchenverband: „Verbraucher werden verunsichert“

Das Green Paper des Wirtschaftsministeriums hat für Wirbel gesorgt. Denn damit soll das Gasnetz größtenteils zurückgebaut werden. Ein Branchenverband hat für die Pläne allerdings nur bedingtes Verständnis. Es fehle ein neues, „umsetzbares Konzept“.
Gasnetz
Quo vadis, Erdgasversorgung?Foto: iStock
Von 20. April 2024

Die Ampelregierung hat vor, das deutsche Gasnetz in Großteilen stillzulegen. Bis 2045, so vermutet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), werde es sich deutlich verkleinert haben.

Das zentrale Dokument hierfür ist das 23-seitige Green Paper des Ministeriums mit dem Titel „Transformation Gas-/Wasserstoff-Verteilernetze“. Darin heißt es, „Ziel ist es, Klimaneutralität spätestens im Jahr 2045 zu erreichen. Erdgasverteilernetze für die bisherige Erdgasversorgung werden dann in der derzeitigen Form und Umfang nicht mehr benötigt werden.“

Derzeit beträgt die Länge der deutschen Gasverteilernetze über 500.000 km. Diese werde sich künftig stark reduzieren. Anstatt Gas als Brennstoff für die heimische Heizanlage zu nutzen, erwartet das Ministerium, dass viele Gebäude auf Fernwärme oder Wärmepumpen umsteigen. Der Rückgang des Gasnetzes begründet sich auch damit, dass die Erdgasalternativen Wasserstoff und Biomethan nur begrenzt zur Verfügung stehen werden, schreiben Habecks Experten.

Bundesnetzagentur: Bürger sollen mitwirken

Das Ziel der sogenannten Treibhausgasneutralität bis 2045 bestätigte auch die Bundesnetzagentur auf Anfrage der Epoch Times. Das beinhaltet unter anderem „die Transformation der bestehenden Gasnetze“. Treibhausgasneutralität oder Klimaneutralität bedeutet, dass sich der globale CO₂-Gehalt durch menschliche Aktivität künftig nicht mehr erhöht.

Viele Regierungen und Organisationen sind überzeugt, dass sich der CO₂-Gehalt in der Erdatmosphäre in den vergangenen 150 Jahren durch den Menschen stark erhöht hat. Diesen Standpunkt bezweifeln jedoch mehrere Wissenschaftler.

Fiete Wulff, die Pressesprecherin der Energiebehörde, appellierte dabei an das Mitwirken der Bürger, da diese Transformation „ein hohes Maß an gesamtgesellschaftlichem Zusammenspiel erfordert“. Dennoch lege die Bundesnetzagentur neben der Treibhausgasneutralität weiterhin großen Wert auf Versorgungssicherheit und Verbraucherschutz.

Welche Leitungen oder Regionen in Deutschland von dem geplanten Rückbau betroffen sind, konnte Wulff allerdings nicht mitteilen. „Inwieweit Gasverteilernetze beziehungsweise einzelne Leitungen aufgrund der Transformation der Energiewirtschaft außer Betrieb genommen oder einem anderen Verwendungszweck zugeführt werden, ist dabei unter anderem in hohem Maße von den derzeit von den Kommunen aufzuarbeitenden kommunalen Wärmeplanungen abhängig.“

Bundesverband: Papier hat Signalfunktion

Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG) reagierte auf das Green Paper nur mit bedingtem Verständnis. „Wer aus der Versorgung mit Gasmolekülen (Erdgas/Methan oder Wasserstoff) aussteigen will, braucht irgendwann die dazugehörige Infrastruktur nicht mehr“, sagte der Hauptgeschäftsführer Dr. Ludwig Möhring auf Anfrage der Epoch Times.

„Für die Umsetzung eines solchen Plans ist allerdings auch die Gewissheit erforderlich, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dem genannten Ausstieg kommt“, so Möhring. Das sei momentan allerdings noch „sehr offen“ und offenbar nicht viel mehr als „eine konzeptionelle Überlegung“.

Zudem vermutet der Verbandsleiter hinter dem Green Paper eine Signalfunktion. Die Bundesregierung wolle den Verbrauchern damit klarmachen, „dass es keine Ewigkeitsgarantie für Erdgas- und Wasserstoffheizungen gibt“. Damit seien besonders diejenigen Menschen angesprochen, die gerade über eine neue Heizung nachdenken.

Absatz neuer Wärmepumpen rückläufig

Millionen Haushalte in Deutschland nutzen derzeit eine Gasheizung. Viele davon sind von dieser Technologie überzeugt und halten daran fest. Die politisch gewollte Umstellung auf Wärmepumpen hat bisher nur bedingt funktioniert. Im vergangenen Jahr gab es einen Rekordabsatz von Gasheizungen.

Gleichzeitig ist der Absatz neuer Wärmepumpen rückläufig, anstatt – wie von der Regierung erhofft – weiter anzusteigen. Das vermutet der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie für dieses Jahr – und zwar in deutlichem Ausmaß. Das wäre der erste Jahresrückgang beim Wärmepumpenabsatz. Die Branche sieht hier eine massive Verunsicherung der Verbraucher durch das Gebäudeenergiegesetz.

Mit dem geplanten Rückbau des Gasnetzes könnte der Bund einen ähnlichen Effekt erzielen. Nach Ansicht von Möhring bedeutet das Green Paper eine „Verunsicherung bei den Verbrauchern – vielleicht auch gewollt“. Für die Politik ergebe sich daraus eine gewisse Notwendigkeit, in der Folge „konkret einen Plan für einen bezahlbaren Umstieg auf andere Energieformen vorzulegen“.

Die regionale Gasindustrie, also lokale Stadtwerke, dürften sich sicher kaum über die Pläne des Ministeriums freuen. „Für sie bedeutet ein zurückgehendes Erdgasgeschäft zurückgehende Erträge“, teilte Möhring mit. „Dass in Deutschland der Anteil von Erdgas am Energieverbrauch zurückgeht, weiß die internationale Gasindustrie.“

„Aufgabe ist größer, als viele denken“

Ob Deutschland nach dem Atomaus, dem Kohleaus in den kommenden Jahren auch ein Gasaus verträgt, wird sich erst noch zeigen müssen, sagte der 57-Jährige. „Wir brauchen gerade im Wärmemarkt ein umsetzbares Konzept, wie in Deutschland bezahlbar und CO₂-neutral geheizt wird.“

Möhring geht davon aus, dass die sogenannten erneuerbaren Energien die Gasversorgung ersetzen können – zumindest theoretisch. „Die Aufgabe ist aber größer, als viele denken“, merkte er an. Denn ein Drittel des gesamten deutschen Endenergieverbrauchs entstehe für Heizung und Warmwasser, weitere 20 Prozent für Prozesswärme. „Aktuell hat der Wärmemarkt einen Anteil an erneuerbaren Energien von 17 Prozent, wovon Biomasse/Holz rund 65 Prozent ausmachen – das wird nicht beliebig skalierbar sein“, warnte der Verbandsleiter.

Jüngst kritisierte auch der Ökonom und Präsident des Münchner ifo Instituts, Clemens Fuest, die Pläne des Bundes. „Hier wird der Fehler wiederholt, funktionierende Anlagen abschalten zu wollen, bevor klar ist, ob und wie neue Anlagen funktionieren“, sagte er. „Bevor man abschaltet und demontiert, muss man zeigen, dass die Alternative funktioniert.“

(Mit Material von dts)



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