Gratis-Führerschein und Studium: So will Klingbeil die Bundeswehr attraktiv machen

Die Bundesregierung will die Zahl der Soldaten in der Bundeswehr bis 2031 von derzeit 182.000 auf 203.000 erhöhen. Minister Pistorius will bis Ende des Quartals ein Konzept zu einer Reaktivierung der Wehrpflicht vorlegen. SPD-Chef Klingbeil will auf Freiwilligkeit statt Zwang setzen.
SPD-Chef Lars Klingbeil spricht in einem Interview mit Journalisten der Deutschen Presse-Agentur.
SPD-Chef Lars Klingbeil spricht in einem Interview mit Journalisten der „Deutschen Presse-Agentur“.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 22. Mai 2024

In der Debatte um die Wiederbelebung der 2011 in Deutschland ausgesetzten Wehrpflicht hat sich SPD-Chef Lars Klingbeil nun positioniert. Gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) sprach er sich für Freiwilligkeit und gegen einen Zwangsdienst aus. Stattdessen will er den Gang zur Bundeswehr „attraktiver machen“.

SPD-Chef will Bundeswehr durch Angebote statt durch Wehrpflicht attraktiv machen

Klingbeil spricht sich dafür aus, primär mit Vergünstigungen zu arbeiten, um junge Menschen für die Truppe zu begeistern. Dies wäre seiner Einschätzung nach beispielsweise dadurch möglich, dass Freiwillige kostenlos den Führerschein machen oder in der Bundeswehr studieren könnten:

„Da gibt es viele gute Argumente für die Truppe und das sind die Dinge, die ich in den Vordergrund stellen würde.“

Bereits vor knapp zwei Wochen hatte sich Klingbeil zu dem Thema geäußert. In der „Rheinischen Post“ meinte er, jeder junge Staatsbürger solle sich „einmal mit der Frage auseinandersetzen müssen“, ob er sich „einen Dienst für das Land vorstellen“ könne. Dies könne „bei der Bundeswehr sein oder eben im sozialen oder kulturellen Bereich“.

Klingbeil sprach sich zudem dafür aus, dass Schulen Soldaten „aktiv einladen, um über die Möglichkeiten in der Bundeswehr zu sprechen“. Dies habe „ja nichts mit Kriegsverherrlichung zu tun, sondern mit einer Entscheidungsoption für die persönliche Zukunft und Informationen über die Sicherheitslage“.

Umfragen zeigen Pistorius und Wehrpflicht im Höhenflug

Zu Beginn des Monats hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angekündigt, einen Vorschlag zur Reaktivierung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht vorzulegen. Die Bundeswehr soll nach dem Willen der Bundesregierung bis 2031 von derzeit 182.000 auf 203.000 Soldaten aufgestockt werden. Im Kalten Krieg verfügte die Bundeswehr unter den Bedingungen der Wehrpflicht über 500.000 Soldaten.

Trotz des Ukraine-Krieges und der gestiegenen Gefahr, dass auch NATO-Staaten in eine bewaffnete Konfrontation involviert sein könnten, weisen sämtliche Umfragen einen deutlichen Rückhalt unter den Deutschen für die Wehrpflicht aus. Minister Pistorius, der seit seinem Amtsantritt die Herstellung der „Kriegstüchtigkeit“ fordert, ist der mit Abstand beliebteste Politiker im Land.

Die CDU hatte Anfang des Monats mit dem Argument einer Bedrohung durch Russland beschlossen, die Aussetzung der Wehrpflicht „schrittweise“ zurücknehmen zu wollen. Dabei war es die Union selbst, die in der Koalition mit der FDP 2011 das Aus selbst beschlossen hatte.

Das Konzept der CDU geht in die Richtung eines „verpflichtenden Gesellschaftsjahrs“, das „wahlweise auch bei der Bundeswehr“ absolviert werden könne. Die Verpflichtung solle für Männer und Frauen gleichermaßen gelten.

Wie viele würden für Deutschland in den Krieg ziehen?

Während offenbar eine hohe abstrakte Zustimmung zu einer Wiedereinführung der Wehrpflicht in der Bevölkerung vorhanden ist, werfen andere Zahlen Fragen bezüglich des Willens zur „Kriegstüchtigkeit“ auf. Laut „Tagesschau“ hatten nach Beginn des Ukraine-Krieges 2022 fast fünfmal mehr Menschen in Deutschland einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt als im Jahr zuvor.

Auch eine Umfrage im Auftrag des „Stern“ aus dem Dezember 2023 brachte Ergebnisse, die widersprüchlich erscheinen gegenüber der großen Zustimmung zu Pistorius und der Wehrpflicht. Dieser zufolge wären nur 17 Prozent der Bundesbürger „sicher“ und 19 „wahrscheinlich“ bereit, für Deutschland zur Waffe zu greifen.

Die Frage bezog sich dabei explizit nur auf den Fall eines militärischen Angriffs. Weitergehende Szenarien wie ein Verteidigungsfall der NATO oder ein Eingreifen aufseiten Kiews in den Ukraine-Krieg wurden gar nicht erst abgefragt.

Demgegenüber würden 61 Prozent Deutschland wahrscheinlich oder sicher nicht mit der Waffe verteidigen. Mit 40 Prozent lag der Anteil derer, die auf keinen Fall dazu bereit wären, doppelt so hoch wie im Mai 2022. Mit 28 Prozent wären AfD-Anhänger am ehesten verteidigungsbereit. Von den Anhängern der Grünen, die zu vehementesten Befürwortern von Waffenlieferungen an die Ukraine gehören, würden nur neun Prozent Deutschland auf jeden Fall verteidigen.

Sozialverbände sehen „Gesellschaftsjahr“ skeptisch

Die Befürworter einer allgemeinen Dienstpflicht in Union und SPD versprechen sich von dieser allerdings auch eine mögliche Entlastung bei den sozialen Berufen. Diese leiden unter einem chronischen Mangel an Arbeitskräften.

Dass die soziale Dienstpflicht ein Beitrag zur Entspannung der Lage sein könne, ziehen Praktiker jedoch in Zweifel. Gegenüber dem Magazin „buten un binnen“ äußerte Nadine Portillo von der Freiwilligen-Agentur Bremen, dass die Gefahr einer Verschlechterung für reguläre Arbeitskräfte bestehe. Es sei zu befürchten, dass reguläre Stellen im sozialen Sektor durch Pflichtdienstleistende besetzt und somit letztlich eingespart würden.

Ähnliche Befürchtungen verhindern bislang in vielen Fällen auch eine Beschäftigung von Flüchtlingen in gemeinnützigen Einrichtungen. Die Angst vor Lohndumping und dem Verlust von Aufträgen für Dienstleister zu Marktpreisen wecken auch in diesem Bereich Argwohn.

Aus den Sozialverbänden SoVD und VdK kommen hingegen vorsichtig positive Stellungnahmen zum verpflichtenden Gesellschaftsjahr. Junge Menschen könnten „der Gesellschaft etwas zurückgeben“ oder Gelegenheit zur Berufsorientierung finden.

Verfassungsrechtliche Bedenken im Bundesfamilienministerium

Allerdings wird auch in den Sozialverbänden betont, dass Pflichtdienstleistende nicht ausgenutzt oder auf Kosten regulärer Arbeitskräfte eingesetzt werden dürften. Bremens SoVD-Chef Joachim Wittrin betont die Notwendigkeit einer langfristigen Sicherung des Personals im sozialen Bereich:

„Aufgrund des demografischen Wandels benötigen wir schlichtweg deutlich mehr qualifiziertes Personal und eine höhere Anerkennung für diese Berufe.“

Im Bundesfamilienministerium hat man zudem verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein soziales Pflichtjahr. Ein Sprecher von Ministerin Lisa Paus (Grüne) äußerte, Freiwilligkeit müsse Voraussetzung für das Engagement bleiben:

„Eigeninitiative, Mitgestaltung und Beteiligung aller Altersgruppen in der Zivilgesellschaft sollten nicht erzwungen werden.“



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