Psychotherapeutin Kraus warnt vor der „Transideologie“

Die Psychotherapeutin Dr. Ingeborg Kraus warnt vor verheerenden Auswirkungen des neuen Selbstbestimmungsgesetzes, das nach ihrer Ansicht zu einer unkritischen Akzeptanz von Geschlechtstransitionen führen könnte. Ein Geschlechtswechsel sei oft ein stellvertretender Ausdruck für traumatische Erlebnisse.
Menschen ziehen mit einer überdimensionalen Regenbogenfahne durch die Stadt.
Kritik am Selbstbestimmungsgesetz aus der Perspektive einer Psychotherapeutin.Foto: Fabian Sommer/dpa
Von 4. Mai 2024

Eine klare Ablehnung gegenüber dem neuen Selbstbestimmungsgesetz kommt von Psychotherapeutin Dr. Ingeborg Kraus. Sie sieht darin schwerwiegende Konsequenzen für die Gesellschaft. Ihre Kritik basiert auf ihren langjährigen Erfahrungen in der Psychotherapie, auch mit Transpersonen. Kraus, die sich auf die Behandlung von Trauma-Opfern spezialisiert hat, insbesondere auf Frauen, die Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel wurden, äußerte ihre Bedenken in einer Streitschrift.

99,5 Prozent der Bevölkerung werden Transforderungen aufoktroyiert

„In den 12 Jahren, in denen ich meine Praxis betreibe“, so Kraus darin, „habe ich ca. 900 Patientinnen psychotherapeutisch begleitet. Darunter waren 4 Transsexuelle, die meine Praxis aufgesucht haben. Diese Zahl entspricht ungefähr dem Prozentsatz der Transsexuellen in der Bevölkerung, die unter einem Prozent liegt. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz werden nun 99,5 Prozent der Bevölkerung in vielen Bereichen ihres Lebens die Transforderungen aufoktroyiert.“

Der Deutsche Bundestag hat am 12. April 2024 das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet, das ab 1. November 2024 wirksam werden wird. Damit wird es einfacher, den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und den Vornamen ändern zu lassen. Zukünftig sind keine Gutachten bei Änderungswunsch des Geschlechts mehr nötig, es reicht dann eine einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt. Ein Wechsel des Geschlechts ist dann einmal im Jahr einfach möglich.

Befürworter wie die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, sehen das Gesetz als „großen gesellschaftlichen Fortschritt“. Kritik kommt beispielsweise von Sahra Wagenknecht (BSW), die es als „ideologischen Unsinn“ bezeichnet: „Das Geschlecht wird von einer biologischen Tatsache zu einer Frage der Gemütsverfassung“, so Wagenknecht dazu.

Geschlecht wechseln, so wie man ein Kleid wechseln kann

Psychologin Ingeborg Kraus ist selbst Mitglied der Grünen. Sie warnt in ihrer Streitschrift vor einer „Transideologie“, die Geschlechterrollen und biologisches Geschlecht miteinander verknüpft und zu Fehlentscheidungen führen kann.

Die Transideologie, nach der man laut neuem Gesetz das Geschlecht wechseln könne, „so wie man ein Kleid wechseln kann […] Diese Ideologie ist fern jeglicher wissenschaftlicher Grundlage!“ In der Berufsordnung der Psychotherapeuten aber stehe: „Psychotherapeuten haben sich bei der Ausübung ihres Berufs am Stand der Wissenschaft zu orientieren“, erinnert Dr. Kraus ihren eigenen Berufsstand in der „Welt“. Das Ideal sei jetzt nicht mehr: „Biologisches Geschlecht darf vielfältige Geschlechterrollen leben, sondern: Passe im Zweifel deinen biologischen Körper, mindestens aber dein gesetzliches Geschlecht und deinen Namen stets deiner präferierten Geschlechterrolle an.“

Ist Geschlecht nur ein Gefühl?

Der große Irrtum in der transaktivistischen Ideologie bestehe darin, dass ständig Geschlecht mit Gender verwechselt werde. Das habe jetzt schon zu verheerenden Auswirkungen geführt, etwa bei Hormonbehandlungen von Kindern oder der Verstümmelung von gesunden Geschlechtsorganen.

In der Praxis habe die Therapeutin, die bereits vor 15 Jahren eine Fortbildung zur Begleitung Transsexueller gemacht hat, festgestellt, dass ein Transitionswunsch [Geschlechtsumwandlung, Anm. d. Red.] oft ein stellvertretender Ausdruck für traumatische Erlebnisse ist. Zum Beispiel bei sexueller Gewalt oder der Erfahrung sexistischer Rollenbilder in Beziehungen. Diese Erlebnisse sind laut der Therapeutin der Grund, warum 70 Prozent der Mädchen ihren Körper ablehnen. Transideologen und auch das Selbstbestimmungsgesetz sagten diesen nun: „Geschlecht ist nur ein Gefühl, euer Unbehagen könnt ihr durch eine Transition lösen.“ Das könnten insbesondere für Mädchen Scheinauswege sein, die aber folgenreiche Eingriffe mit sich führten.

Für Kraus ist das neue Selbstbestimmungsgesetz gefährlich, wie sie in einem Interview mit „corrigenda“ betont: „Gefährlich für die Bevölkerung, weil man den Menschen und auch Kindern in Schulen sagt: ‚Vielleicht bist du transgender‘ und dann kommt man in diesen Strudel der Pubertätsblocker und Operationen. Das macht den Körper krank.“

Dritte Kategorie für Transfrauen

Dass nach dem neuen Selbstbestimmungsgesetz eine „Umoperation“ nicht mehr zwingend zum Geschlechtswechsel gehört, da man sich einfach nur umentscheiden muss, und damit Körper und Medizin diesbezüglich keine Rolle mehr spielen, wertet Kraus nicht als Fortschritt. Das führe laut der 55-Jährigen lediglich dazu, „dass Männer mit Bart und Penis in Frauensaunen auftauchen oder Männer Frauen im Frauensport ausbooten – kurz, dass Frauenrechte und -räume ausgehöhlt werden.“ Wer annehme, ein Teil der Männer würde nicht jede Möglichkeit nutzen, um missbräuchlich in Frauenräume vorzudringen, sei „wahnsinnig naiv“.

Für die Therapeutin wäre ein Lösungsansatz, dass es eine dritte Kategorie für Transfrauen geben muss, die sich tatsächlich umoperieren lassen. In der Praxis wäre das ein Saunatag für Männer, einer für Frauen, einer für Frauen und Transfrauen.

Aggressive Einschüchterungen durch Transaktivisten

Ein weiterer Kritikpunkt, den die Psychotherapeutin in ihrer Streitschrift aufführt, betrifft Einschüchterungen durch Transaktivisten. Diese seien äußerst aggressiv, systematisch und extrem: „Eine Diskussion lassen sie nicht zu. Dieser Transaktivismus droht mit Mord, ruft zu Mord auf, beschimpft Frauen, beleidigt sie, ruft zu Gewalt gegen Frauen auf, nimmt sich das Recht, Frauenräume zu besetzen und sich dann als Opfer darzustellen, wenn eine Frau sich deswegen beschwert.“ Ärzte und Psychotherapeutinnen werden bei ihrer Berufskammer angezeigt, um ein Berufsverbot zu erwirken, wenn die nicht ihrer Auffassung seien, bemängelt Kraus.

Als Beispiel wird die Schriftstellerin J. K. Rowling aufgeführt, die mittlerweile über 100 Morddrohungen von der Transaktivistenszene erhalten habe, „nur weil sie es infrage gestellt hat, sich als Frau nicht mehr als Frau bezeichnen zu dürfen, sondern als blutendes Wesen oder austragende Person“.

Wer der Transideologie nicht folge, werde mittlerweile systematisch als TERF beschimpft [Anmerkung der Redaktion: Trans-Exclusionary Radical Feminist, also „Trans-ausschließende(r) Radikalfeminist(in)“].  Nach Kraus‘ Aussage werden mit dem Selbstbestimmungsgesetz systematisch Frauenschutzräume annulliert. 60 Jahre Frauenrechtskampf sowie Schutz und Aufklärung bezüglich Gewalt gegen Frauen werde mit dieser Ideologie auf einen Schlag zunichtegemacht.

Für die Therapeutin und bekennende Lesbe ist das Selbstbestimmungsgesetz „kein Fortschritt und trägt auch nicht zu einer Modernisierung des Landes bei, so wie Kanzler Scholz es twitterte.“  Vielmehr sei es reaktionär und befördere einen Rückfall in alte stereotype Geschlechterrollen.

Dr. Ingeborg Kraus schließt ihre Streitschrift. „Deswegen lehne ich als praktizierende Psychotherapeutin dieses Gesetz gänzlich ab!“

 



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