Was auf Bürger zukommt, wenn das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft tritt – Union hakt nach

Die Unionsfraktion im Bundestag hat einen umfangreichen Fragenkatalog zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz an die Regierung übergeben. Der aktuelle Gesetzentwurf zeige, „dass es insbesondere im Rechtsverkehr auch weiterhin auf das biologische Geschlecht“ ankomme.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) bei einem Pressestatement zum Selbstbestimmungsgesetz.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) bei einem Pressestatement zum Selbstbestimmungsgesetz.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 29. Dezember 2023

Die Union will das für 2024 anvisierte „Selbstbestimmungsgesetz“ der Ampelregierung offenbar nicht widerspruchslos hinnehmen.

Nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag „führt die Möglichkeit, dass beinahe ausnahmslos jede Person ‚auf Zuruf‘ ihren Geschlechtseintrag ändern kann, zu einer Fülle an Folgeproblemen, die rechtlich nicht gelöst werden können“, heißt es in der Einleitung einer „Kleinen Anfrage“, die unter der Federführung von CDU-Parteichef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor Weihnachten an die Bundesregierung gestellt worden war.

Der aktuelle Gesetzentwurf zeige, „dass es insbesondere im Rechtsverkehr auch weiterhin auf das biologische Geschlecht ankommt und nicht auf die ‚Geschlechtsidentität‘“. Das Nachrichtenportal „NiUS“ hatte als erstes Medium darüber berichtet.

92 Fragen an die Ministerin

Doch wie können die Widersprüche, die die Union ausgemacht hatte, rechtssicher aufgelöst werden? Genau das will die Union nun von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) erfahren: Die „Kleine Anfrage“ (BT-Drucksache 20/9885, PDF) listet nicht weniger als 92 Fragen auf, mit der sich Paus und ihr Beraterstab nun auseinandersetzen muss. Dazu gehören Fragen, die sich um „Schutzräume“ für Frauen, um die Identität von Migranten, Häftlingen oder Soldaten, um das Kindeswohl oder auch um das Sorgerecht der Eltern drehen. Die Union will unter anderem wissen,

  • ob und auf welcher Grundlage die Regierung davon ausgehe, dass es nicht zu einer verfrühten Entscheidung bezüglich einer medizinischen Transition kommen könne (Frage 8)
  • warum die Bundesregierung im Gesetzentwurf „keine einfache verpflichtende Beratung mehr für Minderjährige“ vorsieht, obwohl sie so einer Beratung für den Fall eines neuen Geschlechtseintrags eine „zentrale Bedeutung“ zumisst (Frage 10)
  • wer für eine Falschberatung haften soll (Frage 25)
  • ob Strafgefangene selbst entscheiden können sollen, ob sie in einem Gefängnis für Frauen oder Männer büßen wollen (Frage 70)
  • wie die Geschlechtertrennung bei Soldaten erfolgen soll, die in Gemeinschaftsunterkünften leben müssen (Frage 84)
  • wie die Bundesregierung zum Umgang mit Personen mit Migrationshintergrund steht, die neben einem heimatstaatlichen Pass mit der alten, biologischen Identität auch ein deutsches Identitätspapier besitzen, das ein anderes Geschlecht ausweist (Frage 48)
  • inwiefern sich eine selbst gewählte Geschlechtsidentität auf die Praxis der Abschiebung illegaler Migranten auswirkt (Frage 44)
  • ob das Sorgerecht eines Elternteils entzogen werden kann, wenn diese Person der Änderung des Geschlechtseintrags oder der medizinischen Behandlung seines Kindes nicht zustimmt (Frage 40, 41)
  • wie die Chancen eines Elternteils auf Erteilung des alleinigen Sorgerechtes stehen, wenn diese Person der Änderung der Identität seines Kindes kritisch gegenübersteht (Frage 42)

Eine Sprecherin des Familienministeriums teilte der Epoch Times auf Anfrage mit, dass die „Kleine Anfrage“ 20/9885 mit Frist zum 11. Januar 2024 beantwortet werden soll.

Wenn die biologische Realität nicht ausgesprochen werden darf

Das Nachrichtenportal „NiUS“ hatte erst vor wenigen Tagen auf einen besonders erstaunlichen Widerspruch hingewiesen. In Paragraf 14 des SBGG-Entwurfs droht die Regierung mit bis zu 10.000 Euro Strafe für den Fall, dass jemand die Geschlechtszugehörigkeit oder den ursprünglichen Vornamen eines Identitätswechslers „offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt.“

Mit diesem „Offenbarungsverbot“ halte der Gesetzgeber zwar „an der Wahrheit des biologischen Geschlechts fest“, stelle aber zugleich unter Strafe, diese Wahrheit auch auszusprechen, wie es „NiUS“-Autor Felix Perrefort auf den Punkt bringt. Und das auch noch, „ohne an die eigene Lüge zu glauben“. Insgesamt werde dadurch das „konstitutive Grundrecht auf freie Rede massiv beschränkt“:

Dieses Tor zu öffnen, bedeutet eine Willkommenskultur für einen Totalitarismus einzuleiten, der sich in den Farben des Regenbogens camoufliert, künftig aber auch andere Flaggen hissen könnte.“

„NiUS“-Autorin Judith Sevinc Basad erinnert das alles an George Orwells dystopischen Roman „1984“, in dem der britische Schriftsteller schon 1948 gezeigt habe, „wie die Diktaturen des letzten Jahrhunderts vorgingen, um den Willen ihrer Bürger zu brechen“: Sie seien gezwungen worden, „Absurditäten als Wahrheit anzuerkennen“. Im Fall des SBGG werde es zum „Verbrechen“, zu „sagen, dass Männer Männer sind und Frauen Frauen“.

Ähnlich könnte man angesichts einer Reihe anderer SBGG-Paragrafen argumentieren. So beschreibt etwa Paragraf 6 (4) einen neu verfügten Geschlechtseintrag als irrelevant „bei allen gesundheitsbezogenen Maßnahmen oder Leistungen […], sofern diese im Zusammenhang mit körperlichen, insbesondere organischen Gegebenheiten stehen“.

Auch in Paragraf 8 wird darauf hingewiesen, dass „Gesetze und Verordnungen“ ihre Gültigkeit „unabhängig von dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht“ behalten, sofern es um „Regelungen zu Schwangerschaft, Gebärfähigkeit, künstlicher Befruchtung sowie zu Entnahme oder Übertragung von Eizellen oder Embryonen“ gehe. Für biologische Männer, die sich zu Transfrauen erklären, sollen die entsprechenden juristischen Regeln bezüglich ihrer Samenzellen ebenfalls weiter gelten.

Biologische Männer, die den Dienst mit der Waffe ablehnten, dürfen sich dafür gemäß Paragraf 9 auch nicht auf ihr „Frausein“ berufen, wenn ihr Identitätswechsel weniger als „zwei Monate vor Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls“ erfolgt war.

Das neue Selbstbestimmungsgesetz

Das „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (SBGG, Entwurf vom 23. August 2023 als PDF-Dokument) gehört zu den großen Prestigeprojekten der Ampelregierung. Die Bündnispartner hatten das Vorhaben schon in ihrem Koalitionsvertrag (PDF-Datei) auf Seite 95 bekräftigt:

Wir werden das Transsexuellengesetz abschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Dazu gehören ein Verfahren beim Standesamt, das Änderungen des Geschlechtseintrags im Personenstand grundsätzlich per Selbstauskunft möglich macht, ein erweitertes und sanktionsbewehrtes Offenbarungsverbot und eine Stärkung der Aufklärungs- und Beratungsangebote. Die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen müssen vollständig von der GKV übernommen werden. […] Für Trans- und Inter-Personen, die aufgrund früherer Gesetzgebung von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen sind, richten wir einen Entschädigungsfonds ein.“

Die wohl wichtigste Änderung des SBGG-Entwurfs im Vergleich zum seit 1981 wirksamen Transsexuellengesetz (TSG) besteht darin, dass grundsätzlich jede Person das Recht erhalten soll, den Eintrag seiner empfundenen Geschlechtszugehörigkeit und seinen Vornamen einmal im Jahr amtlich ändern zu lassen, ohne die Ernsthaftigkeit aufwendig glaubhaft machen zu müssen. Für den Fall, dass gesetzliche Vertreter von Jugendlichen über 13 Jahre nicht einwilligen sollten, wird gemäß Paragraf 3 (1) SBGG das Familiengericht die Zustimmung erteilen, „wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht“. Sogenanntes „Misgendern“ (Ansprache mit der „falschen“ Geschlechtsidentität) und „Deadnaming“ (Ansprache mit dem alten, abgelegten Vornamen) sollen bestraft werden können.

Das Gesetz war am 23. August 2023 vom Bundeskabinett beschlossen worden. Es soll in den nächsten drei Monaten endgültig verabschiedet werden und am 1. November 2024 in Kraft treten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte das alte TSG zuvor in mehreren Entscheidungen teilweise für verfassungswidrig erklärt, sodass eine Novelle grundsätzlich zu den Pflichten der Regierung gehört.



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