„Mama, ich will Konzerte spielen“ – wenn die Bürokratie der Hochbegabung im Wege steht

Kinder sind etwas Wunderbares und können Wunderbares erreichen, wenn man sie lässt und fördert. Familie Marsollek aus dem brandenburgischen Petershagen geht mit gutem Beispiel voran, trotz bürokratischer Hindernisse durch die Schulbesuchspflicht.
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Ein höchstbegabtes Duo: Miles und Maddox Marsollek aus Petershagen begeistern das Publikum, auch auf internationalen Bühnen.Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Familie
Von 10. Mai 2024

Stimmbildung, Komposition und Schulunterricht. Von früh bis spät dreht sich bei Simone Marsollek alles um ihre Kinder. Nicht nur im übertragenen Sinne spielen ihre Söhne für sie die erste Geige. Ihre beiden Jungs sind musikalisch hochbegabt. Für persönliche Interessen hat die Unternehmensberaterin aus dem brandenburgischen Petershagen nur wenig Zeit, zumal sie seit dem plötzlichen Tod ihres Mannes im April 2021 alleinerziehend ist.

Für ihre Kinder ist die 48-Jährige nicht nur Mutter, sondern gleichzeitig Konzertmanagerin, Lehrerin, Motivationscoach, Websitebetreuerin und wichtigste Beraterin, um die von ihren Kindern selbst hochgesteckten Ziele zu erreichen. Während der zehnjährige Maddox danach strebt, wie einst Tschaikowsky in der Carnegie Hall, dem berühmten Konzerthaus in Manhattan in New York City, zu spielen, träumt sein zwei Jahre jüngerer Bruder Miles von einem Auftritt mit seiner Geige in der Oper von Sydney – nicht nur um des eigenen Ruhmes willen, sondern vor allem, um den Zuhörern Freude zu bereiten.

Nach Schätzung der Gesellschaft für das hochbegabte Kind gelten in Deutschland etwa 300.000 Kinder bis zum Alter von 18 Jahren als hoch- und höchstbegabt. Eltern gehen, je nach ihren Möglichkeiten, unterschiedlich damit um. Manche Kinder werden in speziellen Hochbegabtenklassen unterrichtet, andere nehmen nach der Schule zusätzlichen Unterricht, etwa in Musik oder Tanz. Familie Marsollek geht einen anderen Weg, der durchaus als steinig bezeichnet werden kann. Denn die Förderung der Kinder erfordert nicht nur persönlichen Verzicht, sondern verlangt der Mutter auch organisatorisch und finanziell einiges ab, von den bürokratischen Hürden ganz zu schweigen. Arbeiten kann die Unternehmensberaterin nur noch in den Abendstunden.

Vom „Klaviervirus“ befallen

Der zehnjährige Maddox ist wie sein Bruder Miles ein Ausnahmetalent und hochbegabt. Mit dreieinhalb Jahren setzte er sich aus Langeweile ans Klavier. Nach wenigen Monaten hatte ihn das „Klaviervirus“ befallen, wie seine Mutter gegenüber Epoch Times schilderte. Nach sechs Monaten Klavierunterricht spielte er bereits alle Stücke nach Noten. Mit viereinhalb gab er sein Debüt bei einem Sommerkonzert in der Schlosskirche Altlandsberg. Auf dem Heimweg gab es einen kurzen Dialog mit seiner Mutter, der bis heute richtungsweisend ist: „Mama, das will ich jetzt immer machen.“ – „Ja, was denn?“ – „Konzerte spielen!“

Seither begeistert Maddox regelmäßig sein Publikum auf der Bühne, auch international. Große Fortschritte erzielt Maddox dank der Echo-Klassik-Preisträgerin Elisaveta Blumina, die ihn seit 2019 am Klavier unterrichtet. Hierneben bekommt er noch Kompositions- und Gesangsunterricht sowie Stimm- und Gehörbildung, eben alles, was ein Vollblutmusiker braucht. Internationale Künstler stellen Maddox schon jetzt mit Mozart auf eine Stufe.

Der zehnjährige Pianist Maddox Marsollek. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Familie

Der achtjährige Miles steht seinem Bruder in nichts nach und teilt die Leidenschaft, Konzerte zu geben. Mit seinen acht Jahren hat das Nachwuchstalent schon viel Bühnenerfahrung sammeln können, nicht nur im Duo mit Maddox, sondern auch als Solist.

Die Wände im Haus der Familie sprechen Bände. Hier hängen zahlreiche Urkunden und Preise, die von den beiden Kindern bei nationalen und internationalen Wettbewerben errungen wurden. Über 50 Preise hat Miles bereits erhalten, sein Bruder zählt bereits an die 140.

So erzielte Maddox beim internationalen Wettbewerb „Golden Piano Talents“ in Mazedonien 2023 in der Altersgruppe bis elf Jahre in der Kategorie „Klavier solo“ den ersten Preis. Weitere erste Preise erhielt er bei Wettbewerben in den USA, Großbritannien, Singapur, Hongkong, Indonesien, Spanien, um nur einige zu nennen.

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Am 18. Februar 2024 erzielten die beiden Brüder bei ihrem Auftritt beim Regionalwettbewerb Brandenburg Nord/Ost von „Jugend musiziert“ die Höchstpunktzahl und damit den ersten Preis in der Kategorie „Duo Klavier/Streicher“. Im Anschluss verließen die beiden sprichwörtlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge den Wettbewerb. Denn trotz Bestleistung wurden die jungen Musiker nicht zum Landeswettbewerb zugelassen, für den das Durchschnittsalter bei zehn Jahren liegen muss. Somit hatten die beiden auch keine Chance, sich für die Weiterleitung zum Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ zu qualifizieren.

„Leider zählt dort auch das Alter“, erklärte ihre Mutter. Eine Teilnahme ist erst ab zwölf Jahren möglich.

Auf internationalen Bühnen unterwegs: Miles und Maddox Marsollek. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Familie

Bürokratische Hürden

Damit ihre Söhne ausreichend Zeit für ihre Leidenschaft als Musiker haben, werden die beiden zu Hause beschult. Anstatt sie an einer Regelschule anzumelden, meldete Simone Marsollek ihre Söhne bei der Deutschen Fernschule in Hessen an und reichte beim Schulamt einen Antrag auf Befreiung von der Schulbesuchspflicht ein.

Dank der Fernschule können meine Kinder Schule und Konzerte unter einen Hut bringen – ganz ohne Freistellungsanträge, die erst von einer Schule genehmigt werden müssten“, berichtet sie.

Schließlich plane man Auftritte und Konzertreisen nicht von heute auf morgen. In einer normalen Grundschule wären ihre Jungen, die schon im Kindergartenalter lesen und rechnen konnten, schlichtweg unterfordert, sagt die Mutter.

Regelmäßig lesen die beiden Biografien ihrer musikalischen Vorbilder wie Johann Sebastian Bach oder Wolfgang Amadeus Mozart aus der häuslichen Bibliothek, um deren Leben zu studieren. Die Fernschule versorge sie zudem mit dem nötigen Unterrichtsstoff, der regelmäßig überprüft werde. Begleitend werden die Kinder von einer Mathematikdoktorin unterrichtet, ein Zeichen von hochwertiger Schulbildung schon im Grundschulalter.

Alles zum Besten der Kinder gelöst, könnte man meinen – doch so einfach ist es nicht. Mitte Dezember 2023 flatterte den Marsolleks ein Bußgeldbescheid über 200 Euro ins Haus. Grund war die fehlende Schulanmeldung von Miles und die ausstehende schulärztliche Untersuchung. Letztere habe unabhängig von Anträgen auf Befreiung von der Schulbesuchspflicht zu erfolgen, heißt es im Schreiben vom Schulamt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Familie in dieser Sache mit der Behörde zu tun hat. Der Grund: Für das Schulamt ist eine Hochbegabung kein Befreiungsgrund, da diese im Brandenburger Schulgesetz (Paragraf 36 Absatz 4) nicht explizit erwähnt wird. So lässt der Bescheid der Schulbehörde zu den Befreiungsanträgen jedes Jahr aufs Neue auf sich warten. Der Fall landete schon mehrmals vor Gericht. Glücklicherweise ist Maddox Patenonkel, Werner Notz, nicht nur engster Vertrauter der Familie und Sponsor der beiden Brüder, sondern auch Jurist.

Zwar gab das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) den Marsolleks wiederholt recht, doch nach wie vor fehlt das generelle grüne Licht vom Schulamt.

Auf Nachfrage der Epoch Times verwies das Schulamt zu diesem Fall an das Bildungsministerium. Dort wollte man sich nach Rücksprache mit der Behörde nicht äußern, da das „Verwaltungsverfahren zur Schulbefreiung 2023/24 nicht abgeschlossen“ sei.

Verein für musikalisch hochbegabte Kinder

Als betroffene Mutter weiß Simone Marsollek, wie schwierig es ist, eine Förderung für musikalisch hochbegabte Kinder zu bekommen, insbesondere für jüngere Kinder. „Die meisten Förderungen gibt es erst, wenn sie einen Bundeswettbewerb gewonnen oder ein Hochschulstudium aufgenommen haben. Aber so weit muss man erst einmal kommen“, so die Mutter.

Als ihr Sohn Maddox fünf Jahre alt war, erkundigte sie sich bei diversen Stiftungen nach Förderungsmöglichkeiten. „Die meisten haben gar nicht reagiert“, schildert sie. Als sich endlich eine Stiftung meldete, habe es nur geheißen: „Wenn Ihr Sohn jetzt mit fünf Klavierunterricht bekommt, ist er doch bestens versorgt!“

Enttäuscht gab die Mutter diese Aussage an Maddox Klavierlehrerin weiter. Gemeinsam mit anderen Personen, darunter Musiker, Juristen und Wirtschaftsexperten, gründeten sie den Verein Musikförderung Berliner Entdeckungen e. V., der musikalisch hochbegabten Kindern zugutekommen soll.

„Wir bieten Kindern beispielsweise Konzertmöglichkeiten, sodass andere auf ihre Fähigkeiten aufmerksam werden, darunter vielleicht auch der eine oder andere Sponsor, der sie finanziell unterstützt“, erklärt Simone Marsollek.

Denn es reiche nicht, dass Kinder nur ihr Instrument beherrschen, sie bräuchten auch Bühnenerfahrung. Manche Kinder seien schon aufgeregt, wenn sie vor Eltern ein Konzert geben. Um das Lampenfieber zu beherrschen, brauche es Übung, vor allem vor fremdem Publikum. Das hätten ihr Experten mehrfach bestätigt.

Aktuell erarbeitet der Verein ein neues Konzept, um hochbegabte Kinder noch besser zu fördern. Auch das nächste Konzert in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin ist bereits in Planung. Dort sollen dann weitere Kontakte geknüpft werden, um die Kinder voranzubringen. In der Vergangenheit wurde auf diese Weise schon das eine oder andere Talent entdeckt.

Und was wäre, wenn ihre Kinder Maddox und Miles plötzlich doch etwas anderes als Musik machen wollen? „Dann können sie das machen. Ich bin da vollkommen offen“, so Simone Marsollek. „Ich muss nicht ständig zu irgendwelchen Konzerten oder Wettbewerben fahren. Das brauche ich nicht. Ich bin froh, wenn ich am Wochenende einfach mal die Füße hochlegen kann. Aber die Jungs wollen halt auftreten. Und wenn sie nicht mehr wollten, könnten sie dank der Fernschule jederzeit auf eine reguläre Schule wechseln.“

Höchstleistungen in Eigenregie

Manche Menschen können die Leidenschaft ihrer Kinder schwer nachvollziehen. Die Brandenburgerin musste sich sogar schon den Begriff „Eislaufmutti“ gefallen lassen – ein abfälliger Begriff für eine Mutter, die ihre Kinder zu Höchstleistungen drillt.

„Es ist leider in den Köpfen vieler Menschen verankert, dass Kinder zu Leistungen gezwungen werden müssen.“ Wenn ihr jüngerer Sohn Miles freudestrahlend sage: „Ich gehe jetzt Geige üben“, sei er für vier Stunden in sein Zimmer verschwunden und übe ganz begeistert das nächste Stück ein.

Natürlich gebe es auch in ihrem Leben Momente, in denen die Kinder motiviert werden müssen: wenn die Intonation immer wieder und wieder Probleme bereitet oder komplizierte Passagen nicht gleich so klappen, wie sie sollen.

„Du schaffst das, von der Technik her kannst du das“, ermutigte sie beispielsweise Maddox bei einem schwierigen Klavierstück und erinnerte ihn daran, dass seine Klavierlehrerin ihm nur Stücke gibt, die er auch schaffen kann.

Unzertrennlich: Miles Marsollek und seine Geige. Foto: Mit freundlicher Genehmigung der Familie

Wenn die Kinder nach einem Auftritt die strahlenden Gesichter ihres Publikums sehen, freuen sie sich. Und auch für ihre Mutter ist das ein Lohn für ihren Einsatz und all die Entbehrungen. Nicht selten käme es vor, dass nach Konzerten Zuschauer an sie herantreten und gestehen: „Ich habe mich geirrt. Ich dachte, Ihre Kinder werden gedrillt. Jetzt habe ich gesehen, dass sie das alles wirklich freiwillig machen und Spaß daran haben.“

Das Wichtigste für Simone Marsollek ist – und diese Empfehlung gibt sie allen Eltern an die Hand –, dass Eltern die Wünsche ihrer Kinder ernst nehmen, ihre Fähigkeiten erkennen und unterstützen: „Man muss ihnen den Rücken stärken, auch wenn das bedeutet, dass man die eigene Komfortzone verlassen und gegen Versuche, die Individualität der Kinder zu ignorieren und zu negieren, ankämpfen muss.“

Der Gemeinnützige Förderverein für hochbegabten Nachwuchs und zukunftsweisende Musikprojekte, der unter der künstlerischen Leitung von Elisaveta Blumina steht, ist über die Website www.musikfoerderung-berliner-entdeckungen.de zu erreichen.



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