Vogelgrippe: EU-Vertrag über 40 Millionen Impfdosen – WHO sieht Krankheit mit „Pandemiepotenzial“

Deutschland gehört nicht zu den Unterzeichnern des Vertrags, kann aber das Vakzin auf eigene Initiative bestellen. Finnland bekommt auf eigenen Wunsch die ersten Lieferungen, um Mitarbeiter in Tierbetrieben zu impfen.
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Wie die amerikanische Nachrichtenagentur „Reuters“ berichtet, haben am Dienstag, 11. Juni 2024, Beamte der Europäischen Union (EU) mit dem Pharmakonzern CSL Seqirus einen Vertrag zur Lieferung von Impfstoff gegen die Vogelgrippe unterschreiben. Symbolbild.Foto: Md Babul Hosen/istock
Von 12. Juni 2024

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Meldungen über steigende Infektionszahlen beim Menschen, verschärfte Regeln bei der Tierhaltung, Vertragsabschluss über den Kauf von mehr als 40 Millionen Impfdosen: Hat die Vogelgrippe (H5N1) das Potenzial, sich zu Krankheit X zu entwickeln und möglicherweise eine neue Pandemie auszulösen? Einiges deutet darauf hin, schaut man auf die Definition von Krankheit X, wie sie die Weltgesundheitsorganisation 2018 formuliert hat, und die Entwicklung in den vergangenen zwei Jahren.

Tedros: Es ist eine Frage, wann es passiert, nicht ob

Im Januar 2024 stand die Krankheit X (Disease X) im Mittelpunkt eines 45-minütigen Vortrags im Verlauf der Jahrestagung des World Economic Forums (WEF). Dabei erläuterte Tedros Adhanom Ghebreyesus, seit 2017 Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), den Begriff Krankheit X. Er werde seit 2018 verwendet, sagte er. Und es gebe viele Krankheiten, wie MERS, Zika oder Ebola, die man kenne. Epoch Times berichtete über die Veranstaltung.

Aber es gebe auch viele unbekannte Erkrankungen. „Und alles ist eine Frage, wann es passiert, nicht ob.“ Für diese unbekannten Krankheiten müsse man einen „Platzhalter“ haben. Daher habe man ihr den Namen „Krankheit X“ gegeben. COVID sei die erste „Krankheit X“ gewesen. „Und das kann wieder passieren“, fügte Tedros hinzu. Es gebe Leute, die kritisierten, dass auf diese Weise Panik geschürt würde. Doch seiner Ansicht nach sei es „sogar besser, etwas vorwegzunehmen, das geschehen könnte“.

Derzeit deutet einiges darauf hin, dass genau das geschieht – dass die WHO und Regierungen Vorbereitungen auf ein bald zu erwartendes Ereignis treffen. Wie die britische Nachrichtenagentur „Reuters“ berichtet, haben am Dienstag, 11. Juni 2024, Beamte der Europäischen Union (EU) mit dem Pharmakonzern CSL Seqirus einen Vertrag zur Lieferung von Impfstoff gegen die Vogelgrippe unterschrieben.

Mindestabnahme garantiert, damit es sich für den Pharmakonzern rechnet

Federführend ist dabei die Health Emergency Preparedness and Response Authority (HERA, zu Deutsch: Behörde für die Vorsorge und Reaktion auf gesundheitliche Notlagen). Sie wird laut „Reuters“ stellvertretend für 15 EU-Mitgliedsländer den Vertrag mit dem Konzern unterschreiben. Er beinhaltet demnach den Kauf von zunächst 665.000 Dosen mit der Option für weitere 40 Millionen Dosen in den kommenden vier Jahren.

HERA habe über Monate Gespräche mit CSL Seqirus geführt und darum gebeten, den zoonotischen Impfstoff auf den dominierenden zirkulierenden Vogelgrippestamm zu aktualisieren, schreibt das amerikanische Nachrichtenportal „Politico“. Damit sich das für das Pharmaunternehmen rechne, habe diese um eine Garantie für eine Mindestabnahme gebeten. Dies habe HERA angesichts der Beschaffung für 15 Länder zusichern können.

Deutschland gehört nicht zu den Unterzeichnern, vermeldeten Agenturen. Frankreich und Finnland sind hingegen Vertragspartner. Das nordeuropäische Land wird auf eigenen Wunsch als Erstes beliefert, weil dort Arbeiter in Nerzfarmen als gefährdet gelten, die sich bei erkrankten Tieren infizieren könnten, schreibt „Politico“.

Die EU-Länder, die heute nicht zu den Unterzeichnern gehörten, könnten jedoch auf eigene Initiative Impfstoff bestellen. „Wir sind bereit, weitere Maßnahmen zu ergreifen, sollte sich die Situation in Zukunft weiterentwickeln“, betonte EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides. „Wenn es um die Vogelgrippe geht, beobachten wir die Situation kontinuierlich und aktiv“, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides gegenüber „Reuters“.

Mit der Vertragsunterschrift „stellen wir gemeinsam mit unseren Mitgliedstaaten den Zugang zu über 40 Millionen Dosen des Impfstoffs gegen die Vogelgrippe sicher, um die am stärksten exponierten Personen zu schützen. Lieferungen an Länder mit unmittelbarem Bedarf sind bereits auf dem Weg“, sagte sie.

Gespräche über Kauf von Impfstoffen begannen 2022

Eine Sprecherin von CSL sagte, dass das Unternehmen Verträge über pandemische Grippeimpfstoffe mit 30 Regierungen abgeschlossen habe (Epoch Times berichtete). Weiter betonte sie, CSL führe seit 2022 Gespräche mit mehreren Regierungen über die Beschaffung von Impfstoffen.

Die Verhandlungen begannen schon lange, bevor das Vogelgrippevirus im Verdacht stand, für den Menschen zum Problem zu werden. Zwar grassierte es bereits unter Vögeln und auch unter Säugetieren, wie die „Tagesschau“ im Oktober 2022 berichtete, eine Übertragung auf den Menschen war zu jenem Zeitpunkt innerhalb der Europäischen Union nicht bekannt.

Weltweit seien nur wenige Erkrankungen bekannt geworden. Das deckt sich mit den Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die von 28 Infektionsfällen beim Menschen zwischen 2021 und 2023 berichtete. Anfang Oktober 2023 veröffentlichte die WHO auf ihrer Internetseite einen weiteren Artikel, in dem sie unter anderem dem Vogelgrippevirus „Pandemiepotenzial“ bescheinigte.

Fahrt nahm das Thema ab etwa März 2024 auf, mit den ersten Meldungen über die Verbreitung der Vogelgrippevirusvariante H5N1 in den USA. Dort hatte sie auch Milchviehherden befallen. Vereinzelt infizierten sich auch Menschen, der Krankheitsverlauf blieb jedoch mild. Übertragungen unter Menschen sind bisher nicht bekannt. In Finnland waren wegen eines Vogelgrippeausbruchs im August vergangenen Jahres rund 120.000 Füchse und Nerze auf behördliche Anordnung getötet worden, heißt es vonseiten der Agenturen.

Britische Regierung verschärft Auflagen für Vogelhalter

Die britische Regierung reagierte auf den „schlimmsten Ausbruch der Vogelgrippe in Großbritannien seit Ende Oktober 2021“ mit verschärften Regeln für alle Vogelhalter. Mehr als 360 Fälle seien seither registriert worden, heißt es auf der Behördenseite in einer Mitteilung vom 19. März 2024.

Bislang waren nur Geflügelhalter mit 50 oder mehr Tieren zur Registrierung verpflichtet. Nun gelten die Regeln auch für Besitzer sogenannter Hinterhofherden, von Greifvögeln oder für Taubenzüchter. Einzige Ausnahme bleiben Käfigvögel wie Papageien, Kanarienvögel oder Wellensittiche, „die das Grundstück nie verlassen, außer um einen Tierarzt aufzusuchen oder für einen anderen kurzfristigen Zeitraum“.

Mit der Pflicht zur Registrierung ihrer Vögel beabsichtigen die Behörden sicherzustellen, dass die Besitzer wichtige Informationen erhalten, etwa zu lokalen Krankheitsausbrüchen oder Biosicherheitsvorschriften zum Schutz ihrer Herden. Damit soll die Gefahr von Verbreitungen von Vogelgrippe und die Newcastle-Krankheit eingedämmt werden.

Die Geschichte des Pharmakonzerns CSL geht auf das Jahr 1916 zurück. Damals wurde es in Australien als Staatsunternehmen zur Herstellung von Impfstoffen gegründet. Seit der Privatisierung 1994 firmiert das Unternehmen unter dem Namen CSL Limited und ist in drei Bereiche untergliedert. Einer davon ist CSL Seqirus, dessen Geschäftsbereich hauptsächlich im Vertrieb von Vakzinen und Immunserum liegt.

Der Bereich CSL Behring (Plasmaprodukte und Pharmazeutika) hat Niederlassungen in den hessischen Städten Marburg (Produktion und Forschung) und Hattersheim (Vertrieb für Europa) sowie in Schwalmstadt und Göttingen. Eigenen Angaben zufolge beschäftigt der Konzern weltweit 32.000 Mitarbeiter, davon 3.150 an den deutschen Standorten.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 26. Juni 2024 aktualisiert. Reuters ist eine britische Nachrichtenagentur.



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