Lauterbach: Tausende Viren könnten auf Menschen überspringen und Pandemien auslösen

Ministerien luden zur Fachtagung für Pandemievorsorge ein. Entwicklungsministerin Schulze sieht Klimawandel und Globalisierung als Grund für weltweite Gesundheitsgefahren.
Für die weitere Erforschung von Long Covid seien mehr Mittel nötig, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach war gemeinsam mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) Gastgeber einer Fachtagung für Pandemievorsorge.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 30. September 2023

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„Wir kommen in das ,Zeitalter der Pandemien‘, weil durch Klimawandel und Zerstörung der Biodiversität es immer mehr Ausbrüche von Erregern in Menschen geben wird.“ Auf X (ehemals Twitter) macht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) keinen Hehl daraus, wie die Zukunft der Menschheit aus seiner Sicht aussieht. Wie er und andere Vertreter aus Politik und Organisationen diese Zukunft vorstellt, besprachen die Protagonisten bei der „Fachtagung für Pandemievorsorge“ am Donnerstag, den 28. September in Berlin. „Pandemics – no time for neglect“ (Pandemien – keine Zeit für Versäumnisse) lautete das Motto.

Prävention steht im Mittelpunkt

Eingeladen hatten Lauterbach vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und seine Parteifreundin Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Auf der Gästeliste standen mit Michael Ryan und Jeremy Farrar, zwei Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Aus deutscher Sicht waren neben den beiden Politikern die Psychologin Cornelia Betsch (Universität Erfurt) und Prof. Dr. Johanna Hanefeld (Leiterin des Zentrums für Internationalen Gesundheitsschutz am Robert Koch-Institut) dabei. Hinzu kamen Vertreter afrikanischer Organisationen und eine Vertreterin von Ärzte ohne Grenzen.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung sprechen BMZ und BMG von Schwächen des Gesundheitssystems weltweit, die sich beim Versuch der Bewältigung der COVID-19-Pandemie gezeigt hätten.

Sie hätten „Millionen von Menschenleben“ gekostet. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen daher Beratungen darüber, „welche Schritte in der Prävention von und Vorbereitung auf Pandemien prioritär sind“.

Es sei sehr wichtig, nicht zu vergessen, dass die nächste Pandemie eine Frage des „Wann“, nicht des „Ob“ sei, sagte einleitend die Moderatorin Caroline Chimoy.

Das Video mit allen Vorträgen ist auf YouTube zu sehen. Allerdings zeigt das BMZ ausschließlich die englischsprachigen Ausführungen der Teilnehmer. Deutsche Untertitel, Transkript – Fehlanzeige. Auch die Kommentarfunktion ist abgeschaltet.

Ministerin Schulze: Viren kennen keine Grenzen

Den Auftakt bestritt Svenja Schulze (ab Minute 29:00). Die SPD-Politikerin stellte eingangs fest, dass „infolge des Klimawandels und der Globalisierung sich Krankheiten in Weltregionen ausbreiten, die bisher nicht betroffen waren“. Als Beispiel führte sie das Dengue-Fieber an, einige Fälle seien mittlerweile auch in Europa registriert worden. Die Krankheit werde von Mücken hervorgerufen, die aufgrund der klimatischen Veränderungen mittlerweile auch in Berlin heimisch geworden seien.

Dies sei nur eines von vielen Beispielen: „Viren kennen keine Grenzen. Vor Pandemien können wir uns nur dann schützen, wenn wir global denken und handeln und anerkennen, dass die Risiken auch künftig unvermindert fortbestehen“, sagte die Ministerin. Während der Corona-Pandemie hätten die Menschen überall auf der Welt erkennen müssen, „dass niemand sicher ist, solange nicht alle sicher sind“.

Dabei gehe es nicht nur um Pandemien. Insgesamt müsse sich „viel ändern in der Art und Weise, wie wir in Zukunft die globale Gesundheit fördern“. Schulze sprach in diesem Zusammenhang unter anderem von dem globalen Austausch von Daten und einer „gerechten Verteilung von Impfstoffen“.

Pandemiefonds eingerichtet

Man müsse nun „global aktiv“ bleiben. Sie sei daher „sehr froh, dass der internationale Pandemiefonds im Sommer in die Umsetzung gegangen ist“. In einer ersten Runde seien 19 Vorhaben mit einem Volumen von insgesamt 338 Millionen US-Dollar gefördert worden.

Davon profitieren laut Schulze „nicht nur die 37 Länder des Globalen Südens, in denen die Maßnahmen umgesetzt werden, sondern wir alle“. Das müsse man „mit Kraft weiterverfolgen – zusammen mit vielen weiteren Partnern wie der Weltbank, den regionalen Entwicklungsbanken, der WHO und weiteren UN-Organisationen“.

Lauterbach (im Video ab Minute 38:45) hob die Einführung eines internationalen Pandemiefonds in diesem Jahr hervor, an dessen Entwicklung das Bundesgesundheitsministerium „wesentlich mitgearbeitet hat“. Dieser Fonds sei mittlerweile bei der Weltbank eingerichtet.

„1,9 Milliarden US-Dollar werden insbesondere für bessere Ausbildung, Labore und Frühwarnsysteme in der Pandemievorsorge ausgegeben“, führte der SPD-Politiker aus. Deutschland habe für den Fonds bislang insgesamt 119 Millionen Euro zugesagt und ist damit sein drittgrößter Geber. Neben diversen weiteren Staaten gehören auch die Bill & Melinda Gates Foundation und die Rockefeller Foundation zu den Geldgebern des Fonds.

Deutschland fördert laut Lauterbach auch den Aufbau einer lokalen Impfstoff- und Pharmaproduktion in Afrika. Bislang 550 Millionen Euro seien zur nachdrücklichen Unterstützung in dortige Vorhaben geflossen. Ziel sei es, dass die Afrikanische Union bis 2040 60 Prozent der benötigten Impfstoffe auf ihrem Kontinent produziere.

Lauterbach: Europaweit 36 Millionen mit Long COVID

Lauterbach sagte auch, dass die Pandemie für all die Menschen nicht vorbei wäre, die unter Long COVID leiden würden. Exakte Zahlen habe man zwar nicht. Man gehe jedoch davon aus, dass es allein in Deutschland zwischen einer und 1,5 Millionen Betroffene gebe. Europaweit könnten es 36 Millionen sein, das hieße das jeder dreißigste Mensch mit langfristigen Folgen seiner COVID-Erkrankung zu kämpfen habe.

Mit dem eingangs erwähnten WHO-Mann Jeremy Farrar habe er eruiert, wie man künftigen Krankheitsausbrüchen begegnen könne, bevor sie zur Pandemie würden. Sie hätten darüber gesprochen, was „wirklich fehlt, um auf eine neue Pandemie besser vorbereitet zu sein“.

Die Liste sei lang, aber ganz wichtig sei die Schulung junger Menschen für die Pandemie-Früherkennung und -überwachung. Dabei stelle er sich eine Gruppierung ähnlich der „Fridays for Future“-Bewegung von internationalem Format vor.

Der Minister behauptet auch, dass es ein „Potenzial von 10.000 Viren“ gebe, die von Tieren auf den Menschen überspringen könnten. Wenn nur zehn oder 15 die Qualität für eine Pandemie hätten, dann müsste man bis zu 15 Pandemien vermeiden. Das wäre eine „unglaubliche Aufgabe“.

Ein Problem seien auch Migration, Bevölkerungswachstum und Armut. Diese Risikofaktoren würden anwachsen, „und wenn wir uns nicht mit der Prävention beeilen […], dann werden wir mehr Pandemien haben“.

Regierung für Änderung internationaler Gesundheitsvorschriften

In der Pressemitteilung der Ministerien heißt es weiter, dass der WHO als „leitende und koordinierende Autorität in der globalen Gesundheit“ eine zentrale Rolle zukomme, um zukünftige Pandemien und andere Gesundheitskrisen zu verhindern. Hierzu ist aus Lauterbachs Sicht „eine wesentliche finanzielle Stärkung der internationalen Strukturen nötig“.

Angesichts der durch die COVID-19-Pandemie sichtbar gewordenen Lücken setze sich die Bundesregierung darüber hinaus dafür ein, gezielt Änderungen an den internationalen Gesundheitsvorschriften auszuarbeiten. Außerdem wolle sie im Zuge eines internationalen Pandemievertrags kollektive Maßnahmen und einen gemeinsamen „Handlungsleitfaden“ zur Früherkennung, Prävention und Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Pandemien festlegen.



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