Deutscher Richterbund: Neue Vorgaben für V-Leute erschweren Einsätze erheblich

Der Deutsche Richterbund (DRB) geht davon aus, dass die „überbordenden Dokumentationspflichten“ im neuen Gesetz zum Einsatz von V-Leuten deren Einsatz „deutlich“ erschweren wird. DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn fordert Nachbesserungen vom Bundestag.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Das Symbolbild zeigt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).Foto: Oliver Berg/dpa
Von 6. Februar 2024

Der Deutsche Richterbund (DRB) lehnt den aktuellen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein neues Gesetz zum Einsatz von V-Personen, verdeckten Ermittlern und Tatprovokationen durch diese Informanten ab. Wie das Nachrichtenportal N-TV berichtet, hält der DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn die damit einhergehenden Anforderungen an Behörden und V-Leute für „realitätsfern“. Eine Nachbesserung durch den Bundestag sei nötig:

Die Gesetzespläne der Bundesregierung zum Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen schießen über das Ziel hinaus, die bewährten und von der Rechtsprechung anerkannten Regeln für Einsätze gesetzlich zu verankern.“

Insbesondere die „überbordende[n] Dokumentationspflichten“ würden einen Einsatz von Informanten „deutlich“ erschweren, habe Rebehn betont. Der Gesetzentwurf gerate „im Bemühen um eine möglichst umfassende Transparenz […] aus der Balance“, zitiert N-TV den DRB-Bundesgeschäftsführer. „Teilweise“ verliere der Entwurf „die staatliche Aufgabe einer effektiven Strafverfolgung […] aus dem Blick“.

Dabei seien „Vertrauenspersonen der Polizei […] unverzichtbar, um in abgeschotteten Milieus der organisierten Kriminalität oder des Extremismus schwerwiegende Straftaten aufklären zu können“.

Der Referentenentwurf „eines Gesetzes zur Regelung des Einsatzes von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation“ (PDF-Datei, Synopse als PDF-Datei) war kurz vor Weihnachten 2023 vorgelegt worden. Im nächsten Schritt soll er dem Bundestag zur Beratung übergeben werden. Der Entwurf bezieht sich auf eine Änderung einiger Paragrafen der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere auf Paragraf 101b, der den Bereich „Statistische Erfassung“ und „Berichtspflichten“ betrifft.

Die bisherige Handhabe der Ermittlungsbehörden mit V-Personen stützt sich nach Angaben des Portals „Legal Tribune Online“ ziemlich vage „auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel in § 163 Abs. 1 S. 2 StPO, die ‚Ermittlungen jeder Art‘“ erlaube.

Einsatz „Verdeckter“ besser dokumentieren

Nach dem neuen Entwurf sollen nach dem Willen von Justizminister Marco Buschmann (FDP) die „Länder und der Generalbundesanwalt“ künftig das Bundesamt für Justiz (BfJ) auch über solche Maßnahmen in Kenntnis setzen, die sich um „Verdeckte Ermittler“ (Paragraf 110a) und das „Verfahren beim Einsatz eines verdeckten Ermittlers“ (Paragraf 110b) drehen. Das Bundesjustizministerium (BMJ) soll dem Bundestag auf Grundlage der jährlichen „Übersicht“ darüber Bericht erstatten. Anzugeben seien dann:

  • die Anzahl der Verfahren, in denen solche Maßnahmen angeordnet worden sind
  • die Anzahl der Anordnungen unterschieden nach Erst- und Verlängerungsanordnungen
  • die jeweils zugrunde liegende Anlassstraftat

Bundesjustizminister Buschmann hatte zuletzt immer wieder betont, Bürokratie in Deutschland abbauen zu wollen. In einem Pressestatement zum Bürokratieentlastungsgesetz IV vom Dezember 2023 schrieb er unter anderem: „Mehr als die Hälfte der Bürokratielasten kommen aus der EU. Deshalb haben wir zusammen mit Frankreich eine europäische Entlastungsinitiative gestartet. Ziel ist es, durch einen europäischen Bürokratiekosten-TÜV für Transparenz und damit Verbesserungen zu sorgen. Und die neuen Berichtspflichten auf ein notwendiges Mindestmaß reduzieren.“ Für die Strafverfolgungsbehörden hat das allerdings offensichtlich nicht die oberste Priorität.

„Verdeckte Ermittler“ und „Vertrauenspersonen“

„Verdeckte Ermittler“ sind nach StPO-Definition „Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln“, Polizisten also, die unter falschem Namen beispielsweise im organisierten Drogenmilieu, unter illegalen Waffenhändlern, in Fälscherwerkstätten oder in Banden, die den Staatsschutz gefährden, heimlich zu strafrelevanten Informationen gelangen sollen.

Diese Beamten sind zu unterscheiden von sogenannten „Vertrauenspersonen“, kurz V-Personen, V-Männer oder V-Leute, die sich bereits vor einer Kontaktaufnahme in einer kriminellen oder extremistischen Szene gemäß der Paragrafen 74a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes bewegen. Im Beamtendeutsch des Entwurfs werden sie definiert als „Personen, die keiner Strafverfolgungsbehörde angehören und vertraulich eine Strafverfolgungsbehörde in der Regel auf längere Zeit bei der Aufklärung von Straftaten unter Führung der Strafverfolgungsbehörde unterstützen und deren Identität grundsätzlich geheim gehalten wird“. Für ihre Zuarbeit sollen künftig im Wesentlichen die gleichen rechtlichen Bedingungen gelten wie für die „Verdeckten Ermittler“.

Nicht jeder darf oder soll V-Mann werden – oder bleiben

Längst nicht jeder darf nach dem neuen Entwurf als V-Person angeworben werden. Ausgeschlossen werden sollen etwa Minderjährige und nicht voll geschäftsfähige Personen. Auch „Berufsgeheimnisträger“, Teilnehmer an einem Aussteigerprogramm, Mitglieder eines Landesparlaments, des Bundestags oder des EU-Parlaments und ihre Mitarbeiter sollen ebenso wenig rekrutiert werden dürfen wie Leute, für die „die Geld- oder Sachzuwendungen für den Einsatz auf Dauer ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellen“.

Falls jemand „kumulativ“ bereits „mehr als zehn Jahre“ als V-Person oder für einen Nachrichtendienst arbeitet, „soll“ er „nicht [mehr] als Vertrauensperson eingesetzt werden“. Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass künftig in jedem Fall vor der Anwerbung einer V-Person und „fortlaufend“ während der Zusammenarbeit „eine Prüfung der Zuverlässigkeit dieser Person und ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlage“ stattfinden muss. Sollte sich ein V-Mann „im Rahmen des Einsatzes strafbar“ machen, soll sein Einsatz „beendet werden“, heißt es im Entwurf.

Unter bestimmten Umständen soll nun auch eine V-Person wie verdeckte Ermittler auch „einen Beschuldigten zu einer Straftat […] verleiten“ dürfen, wie aus der Neufassung von Paragraf 110c StPO hervorgeht. „Leben, körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit einer Person“ dürfen aber unter anderem nicht dafür gefährdet werden. Eine „Tatprovokation“ dürfe nur dann geschehen, wenn „die Aufklärung der [eigentlich verfolgten] Straftat ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“.

Benjamin Strasser, der Parlamentarische Staatssekretär im BMJ und nach N-TV-Angaben maßgeblich am Referentenentwurf beteiligt, habe die Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung speziell für Vertrauenspersonen unterstrichen. Er habe auf „die Untersuchungsausschüsse zu den Morden des rechtsterroristischen NSU und die Erkenntnisse nach dem islamistischen Anschlag auf einem Berliner Weihnachtsmarkt 2016“ hingewiesen. In beiden Fällen hätten V-Leute eine wichtige Rolle gespielt.

AfD bundesweit von V-Leuten unterwandert?

Wie das nach eigener Zuschreibung freiheitlich-konservative „Freilich-Magazin“ aus Graz vor wenigen Tagen berichtet hatte, sollen 60 Mitarbeiter des Verfassungsschutzes allein im AfD-Landesverband Brandenburg aktiv sein. Das „Freilich-Magazin“ beruft sich auf „Informationen aus internen AfD-Kreisen“, die dem Magazin vorliegen sollen.

Nach Einschätzung des Rechtsanwalts Dubravko Mandic sollen auch „in Bayern mehrere Hundert Mitarbeiter auf die AfD angesetzt“ worden sein, die „Mitglieder der AfD“ seien. „Bundesweit dürfte es ähnlich aussehen. In jedem Kreisverband mindestens einer“, meinte Mandic auf seinem X-Kanal.

Der Jurist riet deshalb dazu, darauf zu achten, „wer demnächst alles“ aus der Alternative für Deutschland austrete. Denn das werde wohl geschehen, „wenn dann demnächst der Verbotsantrag gegen die AfD gestellt“ werde, sagte Mandic voraus. Andernfalls könne ein Parteiverbotsverfahren scheitern, wie das Beispiel NPD gezeigt habe. Damals seien „zu viele Agenten in leitender Position tätig“ gewesen.

Nach Informationen von N-TV waren bereits im November 2020 V-Leute in Brandenburg „innerhalb der AfD aktiv“. „Zur besseren Bobachtung“ habe „der Geheimdienst Informanten in der Partei und der ‚Junge[n] Alternative‘“ angeworben.

„Das Gesetz will, dass wir das AfD-Milieu auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln erfassen“, hatte seinerzeit der brandenburgische Chef des Landesverfassungsschutzes, Jörg Müller, gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt. Laut N-TV hatten sich in manch anderen Bundesländern AfD-Mitglieder selbst „dem Geheimdienst freiwillig als Quellen“ angeboten. Darauf werde aber vonseiten des Verfassungsschutzes nicht eingegangen, „weil es Zweifel an den Motiven gebe“, so Müller laut N-TV.

Verfassungsschutzämter: AfD in Teilen „gesichert rechtsextremistisch“

Teile der AfD wurden schon Mitte 2023 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Nach den Landesverbänden in Thüringen und Sachsen-Anhalt wurde Anfang Dezember 2023 auch die sächsische AfD entsprechend eingeordnet. In Brandenburg war die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) vom Landesverfassungsschutz im Juli 2023 als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ hochgestuft worden. Einen Monat später erklärte das Landesamt für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen die dortige JA-Vertretung zum „Verdachtsfall“. Die Partei wehrt sich regelmäßig gegen derartige Zuschreibungen.

Im September 2024 werden die Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neu gewählt. In allen drei Ländern stellte die AfD Umfragen zufolge seit Monaten die stärkste Kraft. Nicht erst seit einem inzwischen äußerst umstrittenen Artikel des Recherchenetzwerks „Correctiv“ vom 10. Januar 2024, in dem vor allem die AfD in ein schlechtes Licht gerückt wurde, werden immer wieder Rufe nach einem Parteiverbot und anderen juristischen Maßnahmen gegen die Oppositionspartei oder ihre Spitzenpolitiker laut.



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