AfD auch in Sachsen-Anhalt „gesichert rechtsextremistisch“ – Verfassungsschutz sieht Radikalisierung

Nach Thüringen stuft nun auch der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt die dortige AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Er verweist unter anderem auf Äußerungen führender Funktionäre. Die Partei sieht aktuelle Umfragen als Grund.
Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2021 erreichte die AfD 20,82 Prozent der Stimmen.
Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2021 erreichte die AfD 20,82 Prozent der Stimmen.Foto: Daniel Karmann/dpa
Von 8. November 2023

Seit Dienstag, 7.11., wird der AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt vom dortigen Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Bereits im Jahr 2021 hatte das Landesamt in Thüringen diese Einstufung dem AfD-Verband von Björn Höcke gegeben. In beiden Fällen trifft dies überdurchschnittlich erfolgreiche Landesverbände. In Baden-Württemberg scheiterte unterdessen ein Eilantrag gegen die Beobachtung als Verdachtsfall.

AfD „derartig radikalisiert, dass systematische Beobachtung erforderlich ist“

In Sachsen-Anhalt hatte der Verfassungsschutz bereits im Januar 2021 den AfD-Landesverband als Verdachtsfall beobachtet. Wie der MDR berichtet, hat Behördenchef Jochen Hollmann nun die Einstufung als „gesichert rechtsextremistische“ Bestrebung verkündet.

Die Entscheidung stütze sich auf die Ergebnisse der Beobachtung. Seit deren Beginn hätten sich die tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung „sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht weiter verdichtet“.

Hollmann attestiert der AfD in Sachsen-Anhalt nicht nur weiterhin „verfassungsfeindliche Positionen, die zur Einstufung als Verdachtsfall geführt hatten“, zu vertreten. Vielmehr habe diese sich zudem seit der Corona-Pandemie „derart radikalisiert, dass eine systematische Beobachtung unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gerechtfertigt ist“. Der Verfassungsschutz komme mit der Bekanntgabe der Entscheidung „seinem ebenfalls gesetzlich definierten Informationsauftrag als Frühwarnsystem der Demokratie“ nach.

Niedrigere Hürden für den Verfassungsschutz zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel

Nach dem „Prüffall“ und dem „Verdachtsfall“ ist die Einstufung einer Bestrebung als „gesichert extremistisch“ die äußerste Form der Etikettierung, die der Inlandsgeheimdienst vornehmen kann. Die Konsequenz daraus ist, dass der Verfassungsschutz sogenannte nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung anwenden darf. Er kann etwa V-Leute – auch aus dem Umfeld der Partei – anwerben oder Personen observieren. Unter bestimmten Voraussetzungen darf er sogar die Telekommunikation überwachen.

Im Fall einer „gesichert extremistischen“ Bestrebung sind die Hürden dafür noch niedriger als im Bereich des „Verdachtsfalls“. Da die Beobachtung in die Grundrechte Betroffener eingreift, ist allerdings auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu bewahren. Jede Maßnahme muss erforderlich und angemessen sein, es darf kein gelinderes Mittel zur Erreichung des gesetzlich formulierten Ziels zur Verfügung stehen.

Nur in absoluten Ausnahmefällen ist die Beobachtung gewählter Abgeordneter mit nachrichtendienstlichen Mitteln zulässig. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht 2013 im Zusammenhang mit einer früheren Beobachtung des späteren thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow entschieden. Grund für die höhere Hürde ist hier das Prinzip des freien Mandats.

Partei stellt in Sachsen-Anhalt bereits einen Bürgermeister

Als Beleg für die angenommene Bestrebung der AfD Sachsen-Anhalt gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verweist Hollmann auf Äußerungen aus der Partei selbst. Eine „Vielzahl von Aussagen des Landesverbandes und zahlreicher Funktions- und Mandatsträger der AfD Sachsen-Anhalt“ würde die Annahme bestätigen.

Der Verfassungsschutz verweist auf eine Beweissammlung im Umfang von mehr als 100 Seiten. Man habe öffentliche Quellen wie YouTube-Mitschnitte von Parteiveranstaltungen, Wahlkampfreden und Interviews ausgewertet.

Die Partei, die in Sachsen-Anhalt seit 2016 im Landtag sitzt und seit einigen Monaten auch einen Bürgermeister stellt, stelle mehrere tragende Verfassungsprinzipien infrage. Der Verfassungsschutz nennt das Prinzip der Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip.

Was wirft der Verfassungsschutz der Partei genau vor?

Gegen das Prinzip der Menschenwürde verstießen insbesondere zahlreiche „muslimfeindliche, rassistische und antisemitische Aussagen von Funktions- und Mandatsträgern des Landesverbandes“. Die AfD strebe ein „ethnokulturell homogenes Staatsvolk“ an und betreibe dafür eine Ausgrenzung von Menschen aufgrund von Herkunft und Religion. Man verwende abwertende Begriffe wie „Invasoren“ oder „Eindringlinge“ für Einwanderer oder „Passdeutsche“ für Deutsche mit sogenanntem Migrationshintergrund.

Die Infragestellung des Demokratieprinzips leite sich aus Bestrebungen ab, Institutionen und Vertreter der Bundesrepublik Deutschland „verächtlich zu machen“ und zu „delegitimieren“. Der Vergleich der Corona-Maßnahmen mit totalitären Regimen und die Verbreitung von Verschwörungstheorien verfolge den gleichen Zweck. Der Verfassungsschutz nennt dabei die Darstellung, eine globale Elite habe die Pandemie im Interesse eines „Great Reset“ geplant, „antisemitisch geprägt“.

Zudem sei aus Äußerungen führender AfD-Vertreter das Bestreben erkennbar, „ganze soziale Gruppen zu entrechten und einer faktischen Willkürherrschaft zu unterwerfen“. Dies verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. In ähnlicher Weise hatte bereits das Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen seine Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ begründet.

AfD vermutet Zusammenhang mit Umfrage – und Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt

In der AfD selbst sieht man den Schritt als politisch motiviert. Co-Fraktionschef Oliver Kirchner äußerte: „Es interessiert mich nicht, was der Verfassungsschutz behauptet.“ Der Magdeburger Stadtrat Ronny Kumpf verweist auf eine jüngst veröffentlichte INSA-Umfrage, der zufolge die AfD im Bundesland stärkste Kraft sei. Kumpf schreibt auf Facebook von einer „grotesken Entscheidung“.

Linksfraktionschefin Eva von Angern hingegen erklärte, „nicht überrascht“ von der Entscheidung zu sein:

Überall in Sachsen-Anhalt erleben wir regelmäßig, wie diese Partei Grund- und Menschenrechte mit Füßen tritt.“

Auch Grünen-Landeschefin Madeleine Linke nennt die AfD eine „rechtsextreme Partei“. Diese gehe „von der Ungleichwertigkeit von Menschen aus, verharmlost den Nationalsozialismus und hat eine starke Affinität zu diktatorischen Regierungsformen“.

Im kommenden Jahr finden Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt statt. Die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ könnte zahlreiche Bürger, vor allem Beamte, von einer Kandidatur für die AfD Abstand nehmen lassen.

Baden-Württemberg: Gericht hat „keine Bedenken“ gegen Beobachtung als Verdachtsfall

Unterdessen hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Eilantrag der AfD Baden-Württemberg gegen eine Beobachtung als „Verdachtsfall“ abgewiesen. Dies bestätigte ein Gerichtssprecher gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“. Das Gericht gehe ebenfalls von tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen aus.

Auch hier verweist der Beschluss auf einen „völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ und die Infragestellung der Menschenwürde bestimmter Gruppen. Vor allem Muslimen weise die AfD „undifferenziert die Verantwortung für Missstände“ zu. In Verbindung mit erniedrigenden Bezeichnungen oder unangemessenen und unhaltbaren Vergleichen wolle sie beim Zuhörer Hass oder Neidgefühle hervorrufen.

Die Landessprecher Markus Frohnmaier und Emil Sänze wiesen die Vorwürfe zurück. Man wolle „keinem Menschen, auch nicht Muslimen, die Menschenwürde absprechen“. Jedoch werde die AfD weiterhin „auf Probleme hinweisen, die aus ihrer Sicht mit der islamischen Zuwanderung nach Deutschland verbunden sind“. Allerdings wolle man den Beschluss zum Anlass nehmen, „um erneut zu prüfen, ob einzelne Funktionäre hier gegen unsere Programmatik gehandelt haben“.



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