Selbstbestimmungsgesetz im Bundestag beschlossen – Proteste vor dem Bundestag

Heute wurde im Bundestag in einer namentlichen Abstimmung über das Selbstbestimmungsgesetz abgestimmt. Mit 372 zu 251 Stimmen wird dieses nun ab 1. November 2024 in Kraft treten und das Transsexuellengesetz aus den 1980ern ablösen. Die Reaktionen sind auch nach der Abstimmung so kontrovers wie vor der Abstimmung.
Der Sitz des Bundestages: Das Reichstagsgebäude in Berlin.
Der Reichstag.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 12. April 2024

Heute hat der Bundestag über das Selbstbestimmungsgesetz abgestimmt – mit eindeutigem Ergebnis. Bei der namentlichen Abstimmung um 13:10 Uhr haben 634 Abgeordnete von 734 ihre Stimme abgegeben. Von diesen haben 372 für das neue Selbstbestimmungsgesetz gestimmt, 251 dagegen und 11 haben sich der Stimme enthalten.

Vor dem Parlament hatten sich parallel zur Abstimmung Demonstranten versammelt. Dabei hielten einige Banner hoch, mit denen gegen die Gesetzespläne protestiert wurde. Zugleich kamen aber auch Demonstranten zusammen, die für das Gesetzespaket protestierten.

Grün komplett „Ja“, AfD und BSW geschlossen „Nein“

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz ist nach der Durchsetzung des Bürgergeldes jetzt ein zweites wichtiges Projekt der Ampelregierung an den Start gebracht worden. Von den Stimmen für das neue Gesetz entfielen 109 Stimmen auf die Grünen, bei neun nicht abgegebenen Stimmen. Enthaltungen oder Gegenstimmen gab es nicht. Auch die SPD sagte 179-mal „Ja“ bei zwei Enthaltungen und keiner Gegenstimme. Bei der FDP gab es 9-mal „Nein“ bei 64 Ja-Stimmen und 5 Enthaltungen.

Die Union stimmt mit 171 Stimmen „fast“ geschlossen gegen das Gesetz, es gab eine Enthaltung. Bei der AfD und Sahra Wagenknechts Gruppe BSW stimmten alle Anwesenden mit „Nein“. Bei der Linken gab es 19 Ja-Stimmen, ein Nein und 3 Enthaltungen. Von den fraktionslosen Mitgliedern des Bundestages stimmten 4 mit Nein und 1 für das neue Selbstbestimmungsgesetz.

Ab November greift das neue Selbstbestimmungsgesetz

Mit diesem Ergebnis ist klar, dass das Selbstbestimmungsgesetz ab November in Kraft treten wird. Eine zusätzliche Bestätigung durch den Bundesrat ist nicht notwendig. Die Ampelkoalition hat damit eines ihrer wichtigsten Vorhaben, neben dem Bürgergeld und der Kindergrundsicherung, durchgesetzt.

Durch ein zweistufiges Inkrafttreten des Gesetzes soll sichergestellt werden, dass bereits ab dem 1. August 2024 eine Anmeldung der Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen abgegeben werden kann, sodass die dreimonatige Anmeldefrist zu laufen beginnt. Ab 1. November 2024 löst das SBGG dann das Transsexuellengesetz von 1980 endgültig ab.

Die AfD-Fraktion hatte noch einen Antrag mit dem Titel „Transsexuellengesetz erhalten und den Schutz von Menschen mit Geschlechtsdysphorie verbessern“ zur Abstimmung eingebracht, der zurückgewiesen wurde. Statt der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes sollte die Regierung eine Gesetzesnovelle vorlegen, so die Forderung, wonach der Wechsel des Geschlechts nur nach Zustimmung einer interdisziplinären Kommission erlaubt sein soll.

Ohne Beratungspflicht: Einmal im Jahr ganz einfach das Geschlecht wechseln

Künftig gilt dann eine einfache Erklärung beim Standesamt für den, der seinen Geschlechtseintrag und Vornamen ändern möchte. Die bisherige Pflicht, eine ärztliche Bescheinigung dafür vorzulegen, fällt weg. Fortan muss die „Erklärung mit Eigenversicherung“ nicht mit Gutachten flankiert werden und wird nicht gerichtlich überprüft.

Sie ist unabhängig davon, inwieweit sich der oder die Betroffene zu geschlechtsangleichenden medizinischen Eingriffen entscheidet. Betroffene müssen lediglich erklären, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht. Hier ist keine zahlenmäßige Begrenzung vorgesehen, nur, dass eine Umentscheidung nur maximal einmal pro Jahr möglich ist. Für das Inkrafttreten der Änderung des Geschlechtseintrags gilt eine Dreimonatsfrist.

Das aus dem Jahr 1980 stammende Transsexuellengesetz, was damit hinfällig wird, sah vor, dass Betroffene für eine Änderung des Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten einreichen müssen. Am Ende hat dann das zuständige Amtsgericht entschieden. 

Bei Kindern unter 14 sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können. Jugendliche ab 14 können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern. Gibt es hier innerfamiliäre Konflikte, kann das Familiengericht die Entscheidung treffen. Maßstab soll das Kindeswohl sein. Hier gab es eine Änderung des ursprünglichen Entwurfes, sodass die minderjährige Person, die das 14. Lebensjahr vollendet hat, auch erklären muss, dass sie beraten worden ist. Vor Vollendung des 14. Lebensjahres müssen die gesetzlichen Vertreter eine Erklärung über die Beratung abgeben.

Besonders umstritten war die Frage vom Zugang zu geschützten Räumlichkeiten – also etwa Umkleidekabinen, Frauenhäusern, Toiletten, Saunen und anderen Schutzräumen, insbesondere für Frauen. Hier wurden vielerlei Bedenken geäußert, solche Schutzorte generell auch für Trans-Personen öffnen zu müssen. Das Selbstbestimmungsgesetz wird das private Hausrecht unberührt lassen. Gelten wird aber das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierungen verhindern soll.

Eine weitere Befürchtung war, dass Kriminelle sich den Identitätswechsel zunutze machen könnten und sich auf diese Weise den Strafverfolgungsbehörden entziehen. Daran scheiterte das Vorhaben erst durch die Bedenken des BundesinnenministeriumsDurch mehrere Änderungen hat der Gesetzentwurf letztlich auch die Zustimmung von Nancy Faesers Ressort bekommen.

Hitzige Debatte und kontroverse Stimmen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) twitterte: „Wir bringen trans-, intergeschlechtlichen und nicht binären Menschen Respekt entgegen – ohne anderen etwas zu nehmen. So treiben wir die Modernisierung unseres Landes weiter voran. Dazu gehört, Lebensrealitäten anzuerkennen und gesetzlich zu ermöglichen. #Selbstbestimmungsgesetz“.

Joana Cotar, fraktions- und parteilos im Bundestag, hatte vor der Abstimmung bereits via X in einem Tweet angekündigt:

Ich stimme heute für die Kinder, für die Frauen, für die Frauenrechte. Und daher stimme ich gegen das #Selbstbestimmungsgesetz.“

Kritische Stimmen: Frauenfeindlich und gegen das Kindeswohl

Scharfe Kritik am neuen Gesetz kam hauptsächlich von der AfD, die das Gesetz als „ideologischen Unfug“ bezeichnete. Kritik übten auch das Bündnis Sahra Wagenknecht und die Union.
„Das Geschlecht wird von einer biologischen Tatsache zu einer Frage der Gemütsverfassung“, sagte Sahra Wagenknecht.  Und weiter: „Es ist wie immer bei der Ampel: Ideologie triumphiert über Realität.“ An diese Ideologie glaube die Ampel allerdings selbst nicht: „Denn im Kriegsfall soll es keine freie Geschlechtswahl geben.“
Wagenknecht hatte zuvor bereits angekündigt, das BSW werde in den kommenden Wahlkämpfen die Rückabwicklung „dieses gefährlichen Irrsinns fordern, der Eltern und Kinder zu Versuchskaninchen einer Transideologie macht, von der allein die Pharmaindustrie profitiert“. Die Vize-Unionsfraktionsvorsitzende Dorothee Bär (CSU) fürchtet, junge Menschen könnten zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen geradezu ermutigt werden.
Hubert Aiwanger, Bayerns Wirtschaftsminister (Freien Wähler), hatte sich schon kurz vor der Abstimmung auf X zum Thema geäußert:

„#Selbstbestimmungsgesetz ist ein weiterer Schritt, um der Gesellschaft die Orientierung zu nehmen. Selbstverständlichkeiten werden infrage gestellt. Die Verlierer sind Kinder und Jugendliche, die Orientierung bräuchten. Ideologen öffnen die Tür zur Kindeswohlgefährdung. Mit FDP.“



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