Petition gegen Ungarn: Budapest soll Stimmrecht entzogen werden

Ein finnischer Europaabgeordneter hat eine Petition gestartet, um Ungarn sein Stimmrecht im Europäischen Rat zu entziehen. Entscheidungen könnten diese Woche fallen.
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Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn.Foto: MTI/Pressebüro des Ministerpräsidenten/Fischer Zoltán
Von 17. Januar 2024

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Petri Sarvamaa nennt es „eine historische Petition“. Der finnische Europaabgeordnete und Verhandlungsführer im Europäischen Parlament für Rechtsstaatlichkeit hat eine Petition gestartet: Wenn sie erfolgreich ist, könnte Ungarn sein Stimmrecht im Europäischen Rat entzogen werden.

„Ich habe sie [die Petition] gestartet, weil Ungarn die anderen 26 Mitgliedstaaten in Geiselhaft genommen hat. Unter anderem hat es sein Veto gegen die Hilfe für die Ukraine und die Sanktionen eingelegt“, sagte Sarvamaa, der Mitglied der Mitte-Rechts-Fraktion EVP ist, gegenüber dem ungarischen Fernsehsender RTL.

Bis 12. Januar hatten 120 Abgeordnete aus den fünf größten Fraktionen Sarvamaas Petition unterzeichnet.

Der finnische Politiker betont, dass das Verfahren jedoch nicht eingeleitet werden soll, weil Ungarn in bestimmten Fragen mit „Nein“ stimmt, sondern weil es gegen rechtsstaatliche Vorgaben verstoße. Die Abgeordneten sollten Ungarn das Stimmrecht nach Artikel 7 des EU-Vertrags entziehen, „um weiteren Schaden abzuwenden“.

Im Jahr 2018 hat das Parlament bereits mit einer Zweidrittelmehrheit dafür gestimmt, den ersten Schritt in diesem Verfahren gegen Ungarn zu unternehmen.

Was sind die nächsten Schritte?

Das große Thema der Sitzungswoche des Parlaments, die am Montag, 15. Januar begann, wird die Abstimmung über Ungarn sein, so Sarvamaa.

Am Mittwoch, 17. Januar, werden die Europaabgeordneten mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel über Ungarn sprechen. Dabei geht es um die Frage, warum die Kommission für Budapest eingefrorene EU-Gelder Ende Dezember freigegeben hat, auch wenn die Kommission selbst überzeugt ist, dass die Gefahr besteht, die Gelder könnten missbraucht werden, so „Politico“

Am Donnerstag, 18. Januar, werden die EU-Parlamentarier über eine Resolution zu Ungarn abstimmen. Der Text könnte Schritte zur Einschränkung der Stimmrechte von Budapest beinhalten.

Die EU hält immer noch 20 Milliarden Euro an Hilfen für Ungarn zurück aufgrund der Nichterfüllung von rechtsstaatlichen Anforderungen.

„Politico“ deutet darauf hin, dass sich die EU-Führung schon darauf vorbereitet, einen Kompromiss mit Orbán einzugehen, um die Haushaltsreform und die Finanzhilfen für die Ukraine – 50 Milliarden Euro über vier Jahre – so schnell wie möglich zu genehmigen. Die erste Nachricht über einen möglichen Ausgleich wurde bereits letzte Woche veröffentlicht.

Der Zeitdruck im Hintergrund

Vor der anstehenden Europawahl im Juni stehen für das Parlament eine Reihe von Abstimmungen an. Bis April sollen über mehr als hundert Gesetzentwürfe entschieden werden. Dieser Prozess könnte durch ein erwartetes Erstarken der konservativen Parteien unter besonderen Druck geraten.

Einer Analyse des “RedaktionsNetzwerks Deutschland“ zufolge fördert der aktuelle politische Druck Kompromisse, zu denen die Fraktionen sonst nicht bereit gewesen wären. „Die Sorge ist groß, dass nach einem Rechtsruck bei den Europa­wahlen viele vorbereitete Gesetze das Parlament nicht oder nur stark abgeschwächt passieren könnten.“

Eine Einigung mit Viktor Orbán ist daher zu dieser Zeit von besonderer Bedeutung. Schließlich verschieben sich dadurch die Entscheidungen, die im Vorfeld der Wahlen getroffen werden müssen.

Selbst mit Orbán können die Chancen auf eine Einigung in der Ukraine-Frage also höher sein als in einer normalen Situation. Die „Financial Times“ berichtete schon über die ersten Kompromissversuche – einen „Notbremsenmechanismus“.

Im Rahmen dieses Mechanismus würden die 50 Milliarden Euro für die Ukraine für den Zeitraum zwischen 2024 und 2027 zwar verabschiedet, würden aber automatisch nach zwei Jahren überprüft. Jedes Mitglied – einschließlich Ungarn – hätte dann ein Vetorecht, falls Bedenken bestehen. Die Hoffnung ist, das Orbán, der eine jährliche Abstimmung über die Ukraine-Hilfe gefordert hatte, diesem Kompromiss zustimmen wird.

Ungarische Politiker über die Kampagne gegen Ungarn

Balázs Hidvéghi, Europaabgeordneter der ungarischen Regierungspartei Fidesz, reagierte in einem Facebook-Beitrag auf die Entwicklungen. Er schrieb, dass das Europäische Parlament gar kein Recht habe, ein neues Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Ungarn zu beginnen, und dass „die Europäische Kommission bereits im Dezember zugeben hat, dass der ungarische Rechtsstaat einwandfrei funktioniert“.

Der Politiker bezeichnet die Vorwürfe als “haltlose Verleumdungskampagne“ und dass sich das nicht ändern werde, solange „die EU-Institutionen voller Leute wie Sarvamaa sind“, meint er. Hidvéghi erklärte, die Lösung sei daher, bei den diesjährigen Wahlen „die politische Kontrolle in Brüssel“ zu übernehmen.

Judit Varga, eine frühere Justizministerin unter Orbán und bei den Europawahlen auf dem ersten Listenplatz der Fidesz-Partei, sagte, dass das Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn für die Diplomaten dieser Länder eine „schmerzhafte Belastung“ darstelle.

Wenn du nicht auf Linie der EU passt, wirst du irgendwie erpresst, und das ist ein typisches Beispiel dafür, wie Artikel 7 funktioniert“, so Varga.

Experte: „Ungarn ist ein demokratischer Staat“

Ob Ungarn ein demokratischer Staat ist oder nicht, darüber scheiden sich die Geister. So sagte Frank Furedi, Direktor der Denkfabrik MCC Brussels, in einem „Politico“-Podcast, dass Ungarn in der Tat ein demokratischer Staat sei, nicht weniger demokratisch als zum Beispiel Frankreich oder Deutschland. Mit Blick auf die ungarische Haltung fügte er jedoch hinzu:

Das Land hat ganz andere Werte, und es geht darum, zu lernen, mit Staaten zusammenzuleben, deren Werte sich von unseren unterscheiden.“

Der Experte äußerte sich auch konkret zu dem ungarischen Veto in Fragen bezüglich der Ukraine. In Bezug auf den EU-Beitritt der Ukraine wies Furedi nämlich darauf hin, dass sich die Staats- und Regierungschefs der anderen EU-Länder, genau wie Ungarn, der Risiken bewusst seien, die mit der Aufnahme der Ukraine verbunden sind.

„Aber anstatt den Mut zu haben, es auszusprechen, überlassen sie es jemandem wie Orbán und sagen: Wir sind nicht für die Situation verantwortlich, Ungarn ist es“, zitierten ihn ungarische öffentliche Medien.

Orbán: „Den progressiven liberalen Trend ablösen“

Fidesz veröffentlichte die Worte von Orbán auf ihrer Social-Media-Seite. Laut dem Ministerpräsidenten wird „das post-liberale Zeitalter, auf das wir warten und das den derzeitigen progressiven liberalen Trend ablösen wird, nicht von selbst kommen, jemand muss es tun“, heißt es in dem Beitrag.

Laut dem Beitrag ist bei den Wahlen zum Europäischen Parlament „alles möglich“, um durch eine „gut durchdachte Aktion eine konservative Wende in Brüssel“ zu erreichen.

Zum Vorwurf der Erpressung sagte Orbán Ende Dezember, dass es wahr sei, aber Ungarn sei allerdings nicht der Erpresser. Stattdessen säßen die Erpresser im Europäischen Parlament, die damit drohten, Ursula von der Leyen abzusetzen, wenn die Kommission Ungarn Geld gibt. Dies werde auch in Brüssel zugegeben und sei eine „öffentlich anerkannte Tatsache“. Die Frage sei, was man dagegen tun könne, so der Politiker in seiner Jahresabschlussrede.



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