Freiheitsindex 2023: „Traust du dich, deine Meinung zu sagen?“

Die Menschen haben zunehmend das Gefühl, dass ihnen vorgeschrieben wird, was sie sagen dürfen. Damit hat die Meinungsfreiheit seit Erhebung der Allensbach-Studie ein Rekordtief erreicht.
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Die neue Allensbach-Studie belegt ein Allzeittief der Meinungsfreiheit in Deutschland.Foto: iStock
Von 25. Dezember 2023

Laut einer aktuellen Studie zum sogenannten „Freiheitsindex“ glauben nur 40 Prozent, ihre politische Meinung in Deutschland frei äußern zu können. Damit landet der Wert auf einem Rekordtief. Frappierend ist nicht nur diese Zahl, sondern auch die Entwicklung seit Beginn der jährlichen Allensbach-Erhebungen im Jahr 1953.

Dass auf die Frage „Traust du dich, deine Meinung zu sagen?“ so viele Menschen wie noch nie skeptisch geantwortet haben, sei keine Überraschung, heißt es im Vorwort zum „Freiheitsindex 2023“:

„Seit dem Fall der Mauer, als 1990 noch 78 Prozent der Deutschen diese Frage ausgesprochen zuversichtlich beantworteten, sind die Werte zunächst mit der Regierung Schröder, dann unter Merkel stetig gefallen, um nun zur Halbzeit der Ampel ihren historischen Tiefpunkt zu dokumentieren.“

Talfahrt der subjektiven Meinungsfreiheit seit 2014

Von den 1960er-Jahren bis ins vergangene Jahrzehnt hinein hatten noch regelmäßig mehr als zwei Drittel der Befragten die Ansicht vertreten, dass man seine Meinung frei äußern könne. Im Jahr 1990 stimmten der Aussage noch 78 Prozent zu. Zu diesem Zeitpunkt waren nur 16 Prozent der Befragten der Meinung, dass man bei der Äußerung der politischen Meinung besser vorsichtig sein solle.

Seit 1990 fallen die Werte der Zuversicht in Deutschland, zwar nicht in großen Sprüngen, aber stetig. Sie korrelieren laut Allensbach-Institut offensichtlich mit der wachsenden Zahl derjenigen, die sich nicht mehr an Wahlen beteiligen, und mit der größer werdenden Gruppe der sogenannten Protestwähler. Ob man meint, sich frei äußern zu können, scheint nach der Allensbach-Umfrage vor allem auch von der eigenen politischen Einstellung abhängig zu sein.

Speziell seit 2014, da waren es noch 69 zu 20 Prozent zugunsten der Meinungsfreiheit, beschleunigte sich der Abwärtstrend. Im Jahr 2023 dann die Wende: Erstmals glauben mehr Menschen, dass sie ihre Meinung nicht mehr frei äußern können. Damit überwiegt erstmals seit Befragungsbeginn im Jahr 1953 mit 44 Prozent der Anteil derjenigen, die sagen, man müsse bei seinen politischen Meinungsäußerungen vorsichtig sein. Gleichzeitig meinen nur noch 40 Prozent, ihre politische Meinung frei äußern zu können.

Meinungsfreiheit abhängig von Parteienpräferenz?

Die Studienergebnisse haben große Unterschiede bei den Anhängern der verschiedenen Parteien ausgemacht. Unter den AfD-Anhängern waren im November 2023 62 Prozent der Ansicht, „sie könnten ihre Meinung nicht frei äußern“. Aber auch die Anhänger anderer Parteien, mit Ausnahme der Grünen, meinten mehrheitlich, man müsse bei seinen Meinungsäußerungen vorsichtig sein.

Umso deutlicher stechen die Grünen-Anhänger als Ausnahme hervor: Sie sagen nur zu 19 Prozent, man könne seine politische Meinung nicht frei äußern, weniger als halb so oft wie die Anhänger aller anderen Parteien“, heißt es in der Erhebung.

Die Allensbach-Studie spricht hier davon, dass sich bei „wesentlichen Teilen der Bevölkerung ein latenter Unmut entwickelt“ habe. Es bestehe das Gefühl, es mit einer „zunehmend abgehobenen politischen und medial-politischen Elite“ zu tun zu haben, die die Sorgen der Bürger nicht mehr versteht und auch nicht willens sei, sich mit ihnen zu verständigen.

Die Umfrage hat zudem gezeigt, wie sehr sich die Bildungsschichten voneinander unterscheiden. Eine klare Mehrheit derjenigen mit einfacher und mittlerer Schulbildung gibt an, sie habe den Eindruck, sich nicht mehr frei äußern zu können. Hingegen meinen „nur“ 34 Prozent solcher mit Abitur oder Studienabschluss, ihre politische Meinung noch frei äußern zu können.

Für Grüne und Akademiker alles im grünen Bereich mit der Meinungsfreiheit

Zugespitzt zusammengefasst kann gesagt werden: Grünen-Wähler und Akademiker kumulieren sich zu einer Gruppe mit der überwiegenden Ansicht, es laufe alles bestens mit der Meinungsfreiheit in Deutschland 2023 – im Gegensatz zu allen anderen Bevölkerungsgruppen, vor allem denjenigen, die nicht jahrelang das Bildungssystem der Bundesrepublik inklusive Abschlüssen durchlaufen haben.

Ob dieser Entwicklung sei es angezeigt, diesen Befund etwas näher zu betrachten, schreiben die Autoren der Studie:

Man kann annehmen, dass die allermeisten Menschen, die darüber klagen, man könne seine Meinung nicht frei äußern, durchaus wissen, dass es kein Gesetz gibt, das ihnen die Meinungsäußerung verbietet. Darum gehen in diesem Zusammenhang auch Verweise auf die im Grundgesetz festgeschriebene Meinungsfreiheit am Befund vorbei.“

Konkret bezögen sich die Ressentiments auf die „Sanktionen im sozialen Umfeld, die drohen“, wenn man gegen die Regeln der „Political Correctness“ verstoße.

Grundsätzlicher Wandel im öffentlichen Klima

Der kontinuierliche Verlauf der Zahlen über die Jahre zeige laut den Studienmachern, dass es sich nicht nur um Ausreißer der „gefühlten Meinungsfreiheit“ in den Corona-Jahren handele. Die Ergebnisse seien vielmehr „Ausdruck eines grundsätzlichen Wandels im öffentlichen Klima“. Es sei offensichtlich, dass der Tonfall der öffentlichen Diskussion gegenüber früheren Jahrzehnten zumindest auf bestimmten Themenfeldern schärfer, intoleranter geworden sei, so die Autoren.

Unter „Erosion der subjektiven Meinungsfreiheit“ führen die Studienmacher auf, dass man bei der Analyse der Ursachen nur weiterkomme, wenn man die Rolle der Massenmedien berücksichtige. „Ohne sie könnte solch ein öffentlicher Druck gegen die Einstellungen der Mehrheit nicht aufgebaut werden.“ Es spreche einiges dafür, dass sich die Diskussionen in maßgeblichen Massenmedien weitgehend von der Lebenswirklichkeit der Bürger entkoppelt haben.

Bevormundung, Gängelung und Einschüchterung: Die Rolle der Medien

Als exemplarisches Beispiel hierfür wird das Thema „Gendern“ angeführt: Im September 2023 hatte das Allensbacher Institut eine Umfrage gemacht, ob man alle Sendungen mit Otto Waalkes oder Harald Schmidt mit Warnhinweisen versehen sollte, wie es die ARD in ihrer Mediathek bereits eingeführt hatte. 77 Prozent der Befragten fanden das übertrieben, elf Prozent hielten die Hinweise „für angebracht“.

Jeder Zweite stimmte hingegen in einer Allensbach-Umfrage der Frage zu „Mir geht es auf die Nerven, dass einem immer mehr vorgeschrieben wird, was man sagen darf und wie man sich zu verhalten hat“.

Wie sehr sich die Menschen durch dieses öffentliche Klima inzwischen einschüchtern lassen, wird daran erkennbar, dass nur noch 33 Prozent der Aussage „Ich spreche so, wie ich möchte, und lasse mir dabei nichts vorschreiben“ zustimmen. Zum Vergleich: Noch vier Jahre vorher, im Jahr 2019, hatten 50 Prozent diese Antwort gegeben.

Die Allensbach-Studienmacher fassen zusammen: „Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass wachsende Teile der Bevölkerung das Gefühl entwickeln, man könne seine Meinung nicht mehr frei äußern.“



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