Solarstrom in Deutschland 40-mal teurer als Strom aus Gas

In einem Gastkommentar spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator Prof. Fritz Vahrenholt unter anderem über unterschiedliche Kosten – aus Sicht der Politik und aus Sicht der Stromkunden – von Wind- und Solarstrom sowie die unterschiedlichen Strompreise in Deutschland und Frankreich.
Was kosten Wind- und Solarstrom wirklich?
Obwohl die Politik anderes behauptet, lassen Wind- und Solarstrom die Stromkosten steigen. Der deutsche Michel zahlt, andere profitieren.Foto: iStock
Von 16. Mai 2024

Im April 2024 ist die Abweichung der globalen Temperatur vom 30-jährigen Mittel der satellitengestützten Messungen der University of Alabama (UAH) gegenüber dem März noch einmal leicht angestiegen. Der Wert beträgt 1,05 Grad Celsius.

Der Temperaturanstieg beträgt im Durchschnitt pro Jahrzehnt seit 1979 um 0,15 Grad Celsius oder 1,5 °C pro Jahrhundert.

Die Temperaturen im April 2024 überstiegen das langfristige Mittel um +1,05 Grad Celsius. Der langfristige Trend liegt bei +0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt oder 1,5 °C pro Jahrhundert.

Die Temperaturen im April 2024 überstiegen das langfristige Mittel um +1,05 Grad Celsius. Der langfristige Trend liegt bei +0,15 Grad Celsius pro Jahrzehnt oder 1,5 Grad Celsius pro Jahrhundert. Foto: Dr. Roy SpencerUniversity of Alabama, Huntsville

Mehr Photovoltaik, weniger Vergütung

Folgt man Wirtschaftsminister Habeck, so kommt die Energiewende in Deutschland gut voran: In der letzten Ausschreibungsrunde der Bundesnetzagentur erfolgten Zuteilungen von 2.234 Megawatt Solaranlagen auf Freiflächen für Anlagen größer als ein Megawatt (MW). Gleichzeitig hatte Wirtschaftsminister Habeck eine frohe Botschaft zu verkünden:

„Auch in Deutschland kann Solarstrom also sehr kostengünstig erzeugt werden“, erklärte der Minister zum Ergebnis der im April erfolgten Ausschreibungsrunde.

Die durchschnittliche Vergütung beträgt jetzt 5,11 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom. Der Durchschnitt der letzten fünf Jahre betrug 5 Cent/kWh. Auf den ersten Blick erscheint dieses Niveau tatsächlich beeindruckend. Zum Vergleich, die aktuellen Stromerzeugungskosten von Gas- und Kohlekraftwerke betragen zurzeit einschließlich CO₂-Preis sechs bis neun Eurocent je Kilowattstunde. Kommt jetzt die Energiewende in Deutschland nicht nur gut, sondern auch noch günstig voran?

Nein, denn der Vergleich dieser Einspeisevergütung für Photovoltaikstrom mit den Stromerzeugungskosten von regelbaren Kraftwerken (Gas, Kohle, Kernenergie) ist irreführend.

Wie teuer ist Solarstrom wirklich?

Er lässt außer Acht, dass der Ausbau erneuerbarer Energien mit ihrer volatilen Stromerzeugung gleichzeitig immer auch den Bedarf an stabiler und regelbarer Stromerzeugung steigen lässt, um diese Volatilität auszugleichen. Jeder Zuwachs an erneuerbaren Energien lässt daher gleichzeitig zusätzliche Investitionen und Kosten massiv ansteigen, um volatilen Strom zu zuverlässigem Strom zu machen.

Diese gleichzeitig anfallenden zusätzlichen Investitionen und Kosten für die Erzeugung zuverlässigen Stroms nenne ich Integrationskosten. Sie umfassen Kosten für zusätzliche Speicherkapazitäten, den Bau und Betrieb von Ausgleichskraftwerken bei fehlender Sonneneinstrahlung, Netzverstärkung und Netzausbau, Ausgleichszahlungen für nicht produzierten Strom, der nicht benötigt wird, sowie Eingriffskosten zum Erhalt der Netzstabilität.

Allein die Kosten zum Erhalt der Netzstabilität betrugen laut Bundesnetzagentur im Jahr 2022 rund vier Milliarden Euro.

Doch das ist erst der Anfang. Setzt unsere Ampelregierung die Energiewende wie geplant um, steigen Investitionen und Kosten für die Bereitstellung von zuverlässigem Strom in ganz neue Dimensionen.

Robert Idel von der Rice Universität in Houston berechnete bereits 2021 die notwendigen Integrationskosten für Texas und Deutschland. In Texas wäre ein auf einhundert Prozent Wind- und Solarenergie basierendes Stromversorgungssystem doppelt so teuer wie Gas und Kernenergie.

In Deutschland wäre ein solches wegen der geringeren Solareinstrahlung und der kleineren Windhöffigkeit viermal so teuer. Solarenergie ist dabei pro Kilowattstunde mehr als 15-mal teurer als Biomasse oder Kernenergie. Im Vergleich zu Gas ist der Unterschied mit Faktor 40 noch größer.

Weil sich Wind- und Solarstrom mehr oder weniger gut ergänzen, kosten sie in Kombination nur etwa das Vier- bis Zehnfache der anderen Energieträger.

Weil sich Wind- und Solarstrom mehr oder weniger gut ergänzen, kosten sie in Kombination nur etwa das Vier- bis Zehnfache der anderen Energieträger.  Foto: ts/Epoch Times nach Robert Idel (2022), Umrechnungskurs bei Ersterscheinung: 1,00 € = 0,825 US$

Erneuerbare Kostenexplosion

Die Ursachen für die erhöhten Kosten liegen vor allem in unterschiedlich hohen Integrationskosten. Kombiniert man Wind und Solar, so ergänzen sich beide Produktionsarten komplementär und senken dadurch die gemeinsamen Integrationskosten. Aber die Kosten steigen trotzdem auf über das Vierfache gegenüber regelbaren konventionellen Stromerzeugungen.

Eine solche Verteuerung der Integrationskosten, etwa durch die dramatisch steigenden Speicher- oder Wasserstoffkosten sowie die Kosten des Leitungsbaus, werden jedoch Deutschland als Wirtschaftsstandort abschaffen.

Darüber hinaus zeigt Idels Studie, dass die Integrationskosten überproportional ansteigen, wenn der Anteil von Wind- und Solarstrom über 50 Prozent getrieben wird. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam schon 2017 Prof. Hans-Werner Sinn, der zeigen konnte, dass ein Überschreiten der 50-Prozent-Marke durch Wind- und Solarstrom zu massiv steigenden Effizienzverlusten führt.

Der hochsubventionierte Anteil von Wind- und Solarstrom betrug 2023 43 Prozent an der Gesamtstromerzeugung. Der oft zitierte 55-prozentige Stromanteil erneuerbarer Energien enthält auch die steuerbaren Anteile von Biomasse- und Wasserkraftstrom. Die Bundesregierung subventioniert Solar und Wind allerdings, um möglichst bald deren Anteil über 50 Prozent an der deutschen Stromversorgung wachsen zu lassen und gerät damit zunehmend in die Kosten- und Effizienzfalle.

Die Integrationskosten für Windenergie und Solarstrom

… sind ungleich zwischen Land und Stadt sowie Ost und West verteilt, denn ein Teil der Integrationskosten findet sich in steigenden Kosten der Verteilnetze und der Hochspannungsnetze wider.

Allein die vier Hochspannungsnetzbetreiber verdoppelten die Netznutzungsgebühr seit dem 1. Januar 2024 von 3,12 auf 6,43 Eurocent pro kWh. Aber auch bei den rund 900 deutschen Verteilnetzbetreibern ist mittlerweile eine extreme Ungleichbehandlung entstanden.

Die Netzverstärkung im ländlichen Raum für Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen, die erforderlich wird, um den Wind- und Solarstrom in die Ballungsräume zu transportieren, wird ausschließlich von den Bewohnern des dünnbesiedelten ländlichen Raums getragen.

Das trifft insbesondere die Haushalts- und Gewerbekunden auf dem Lande in Schleswig-Holstein und Ostdeutschland. Sie zahlen laut Monitoringbericht Energie 2023 der Bundesnetzagentur mehr als das Doppelte gegenüber manchen westdeutschen Städten. Beispielsweise zahlt ein Haushalt zwischen Nord- und Ostsee mit 3.500 kWh Jahresverbrauch zurzeit etwa 500 Euro pro Jahr für die Netznutzung, ein gleich großer Haushalt in München oder Köln jedoch nur 150 € pro Jahr.

Der Landkreistag schlägt daher Alarm und sieht sogar die Akzeptanz der Energiewende im ländlichen Raum gefährdet. In einem Positionspapier von Januar 2024 heißt es:

„Die Menschen und Unternehmen in den ländlichen Räumen sind […] durch die Energiewende in doppelter Weise betroffen. Sie haben einerseits die Lasten zu tragen, die aus dem Ausbau der Erneuerbaren und den zum Abtransport der von ihnen erzeugten Energie erforderlichen Leitungen resultieren. Und sie – und nur sie – müssen aufgrund der bestehenden Regulierungssystematik über die Netzentgelte die energiebedingten Mehrkosten finanzieren.“

Die Bundesnetzagentur will nun einen Vorschlag machen, wie diese Kosten in die Ballungsräume verlagert werden können. Geringer werden die Kosten deshalb nicht, sie bezahlt nur jemand anderes.

Stromkunden im ländlichen Nordosten Deutschlands zahlen oft doppelt so hohe Netzentgelte wie im Süden oder Westen. Das gilt für Haushalte (3.500 kWh/a, links), Gewerbe- (50 MWh/a, rechts) und Industriekunden (24 GWh/a, ohne Bild) gleichermaßen. Foto: Monitoringbericht Energie 2023, Bundesnetzagentur. Kollage: ts/Epoch Times

Erneuerbare sind günstiger – aber nur, wenn die Natur es will

Neben der Zunahme der Integrationskosten ist die Versorgungssicherheit das zweite große Problem der Energiewende. Die unterschiedliche Volatilität der Stromerzeugung in Deutschland und Frankreich ist dafür ein gutes Beispiel. Damit verbunden unterscheiden sich die Stromkosten zwischen Frankreich und Deutschland markant.

Die Auswertung der Börsenstrompreise zeigt, dass diese in Deutschland im April 2024 zumeist doppelt so hoch waren wie in Frankreich. Nur dann, wenn es in Deutschland eine Überproduktion an Wind- und Solarstrom gab, wie am 6./7. April, 13./14. April, 29. April und 2. Mai, ist Deutschland günstiger als Frankreich. Dann wird der Strom – zu negativen Preisen – auch in die Nachbarländer exportiert und die dortigen Stromabnehmer bekommen vom deutschen Stromkunden Geld bezahlt, damit der überschüssige Strom abgenommen wird.

Nur durch temporäre Überproduktion bei Wind- und Solarstrom in Deutschland ist der Strom in Deutschland – an wenigen Tagen – günstiger als in Frankreich.

Nur durch temporäre Überproduktion bei Wind- und Solarstrom in Deutschland ist der Strom hierzulande günstiger als in Frankreich (blaue Streifen). Foto: Rolf Schuster/Vernunftkraft, mit freundlicher Genehmigung. Bearbeitung: ts/Epoch Times nach Fritz Vahrenholt

Laut Frank Hennig, Fachmann für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, geht das so weit, dass österreichische Pumpspeicherwerke das Wasser aus den Oberbecken an der Turbine vorbeilaufen lassen, damit wieder Strom durch das Heraufpumpen verbraucht werden kann. Denn mit den negativen Strompreisen aus Deutschland verdient man beim Stromverbrauch klotzig Geld.

Die Erzeuger von Wind- und Solarstrom hingegen bekommen auch in diesen Fällen die garantierte Einspeisevergütung aus dem Bundeshaushalt. Minister Lindner beklagte bereits, dass diese Subvention in diesem Jahr voraussichtlich 19 Milliarden Euro betragen wird. 19 Milliarden Euro für Strom, den wir nicht verbrauchen.

Durch Energiewende auf das Ausland angewiesen

Jedoch kommen aus Frankreich zunehmend Warnungen über eine kritische Lage in der Stromversorgung. Französische Kernkraftwerke können zwar über die Grenzen liefern, sogar mehr als bisher, aber seit Anfang März sind die Exporte über die Ostgrenzen in Richtung Belgien, Deutschland, Schweiz und Italien so groß, dass eine Gefahr für das französische Netz entsteht.

Frank Henning wies darauf hin, dass laut Netzbetreiber RTE zeitweise die Exportmengen begrenzt werden müssten. Die Netzstabilität in Deutschland hängt nun zunehmend von Importen ab. Am 28. April kam es zu einer schweren Frequenzabweichung und die Netzfrequenz sank auf 49,825 Hz. Normalerweise schwankt sie zwischen 49,98 und 50,02 Hz. Es dauerte zwölf Minuten, bis dieser sichere Korridor wieder erreicht wurde.

Trotz aller Subventionen von bisher Hunderten von Milliarden und weiter steigenden Kosten bleibt die Bundesregierung die Antwort schuldig, wie eine gesicherte und wettbewerbsfähige Stromversorgung erreicht werden kann. Eine grundsätzliche energiepolitische Korrektur wird von Tag zu Tag dringlicher.

Über den Autor:

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.

Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“ und 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt Foto: privat

Dieser Artikel erschien im Original auf klimanachrichten.de/ unter dem Titel „Fritz Vahrenholt: Die verschleierten Kosten von Wind -und Solarenergie“. (redaktionelle und grafische Bearbeitung ts/Epoch Times)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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