Mehr Windräder in unseren Stadtstaaten? Dipl.-Ing.: Es wäre eine „optisch dominierende Skyline“

Eine Windkraftanlage in der Nachbarschaft? Deutschlands drei Stadtstaaten sollen bis 2032 ebenfalls eine bestimmte Fläche für Windkraftanlagen ausweisen – nämlich 0,5 Prozent. Der Diplom-Ingenieur Frank Hennig kritisiert selbst diesen scheinbar geringen Wert scharf.
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Windkraftanlagen im Stadtgebiet.Foto: iStock
Von 27. März 2024

Beim Windkraftausbau stehen die Bundesländer in der Pflicht. Per Gesetz müssen sie in den kommenden Jahren einen Teil ihrer Landesfläche für Windkraftanlagen ausweisen. Für die deutschen Flächenstaaten heißt das bis zum Jahr 2027 – je nach Gegebenheiten – 1,1 bis 1,8 Prozent. In einem weiteren Schritt müssen es bis 2032 dann 1,8 bis 2,2 Prozent sein.

Auch direkt in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sollen Windkraftanlagen stehen. Aufgrund ihrer geringen Gesamtflächen und ihres überwiegend urbanen Charakters aber in reduzierterem Ausmaß. Hier verlangt das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) 0,25 Prozent bis 2027 und 0,5 Prozent bis 2032.

In Berlin müssten demnach in acht Jahren 446 Hektar (ha) von insgesamt 89.112 ha für Windkraft ausgewiesen sein. In Bremen sind es 210 ha von 41.962 ha und in Hamburg 378 ha von 75.509 ha.

Hennig: Flächenziel ist willkürlich

Zum Thema Windenergie in Stadtstaaten wie Berlin fand am 19. Februar eine öffentliche Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Betriebe statt. Dort fand Frank Hennig, Diplom-Ingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, kritische Worte zu den Plänen. Er stellte sich mit seinen Aussagen auf die Seite der Betroffenen, in dessen Nähe Windräder errichtet werden.

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Frank Hennig spricht beim Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Betriebe über Windkraft in Berlin. Foto: Screenshot YouTube-Kanal „Abgeordnetenhaus von Berlin“

Seiner Ansicht nach ist die Festlegung von 0,5 Prozent der Landesfläche für Windkraft „eine durch den Gesetzgeber willkürlich getroffene Zahl“. Es gebe keinerlei Herleitung oder bilanzielle Berechnung. Anstatt mehr Erneuerbare brauche es ein versorgungssicheres, preiswürdiges und klima- und umweltfreundliches Energiesystem. „Selbst wenn wir jede verfügbare Fläche in Deutschland und in Berlin, auch den Tiergarten und den Alexanderplatz mit Windrädern voll stellen, wird es nicht reichen“, so Hennig. Damit sei auch keine Versorgungssicherheit zu erreichen.

Daraufhin sprach er die Größenverhältnisse von Windkraftanlagen an. Mit bis zu 230 Metern würde es mit neuen Windparks eine „optisch dominierende Skyline geben, die weit bis in die Berliner Innenstadt hineinreicht“.

Neben Schall, Infraschall und Körperschall gebe es von den Windrädern auch eine „Emission von Mikroplastik durch die Blattkantenerosion“ der Rotorblätter. Bundesweit gebe es zudem mehr als 1.000 Bürgerinitiativen, die gegen den massiven Ausbau der Windkraft Widerstand leisten.

Wie ist nun der aktuelle Stand in den einzelnen Stadtstaaten? Sind die Vorgaben überhaupt umsetzbar? Epoch Times hat bei den zuständigen Behörden nachgefragt.

Berlin schafft es nicht allein

Acht Windkraftanlagen sind derzeit im Berliner Stadtgebiet in Betrieb, wie der Bundesverband WindEnergie informiert. Da ein Windrad aber nur 0,5 bis 1 ha an Fläche beansprucht, muss die Hauptstadt aufholen.

Die Berliner Senatsverwaltung teilte mit, dass es für weitere Flächenausweisungen bereits eine detaillierte Analyse in Form einer Studie von Bosch & Partner in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik gibt. Dabei wurden insgesamt 31 theoretische, für Windkraft mögliche Flächen mit gut 4.300 ha identifiziert. Die Studie habe bereits alle Flächen ausgeschlossen, die beispielsweise wegen des Naturschutzes nicht infrage kommen oder bereits für andere Zwecke bestimmt sind.

Was sich zunächst komfortabel anhört, birgt allerdings ein von der Studie ebenfalls festgelegtes Konfliktrisiko in sich. Lediglich rund 330 ha sind mit einem mittleren bis hohen Konfliktrisikowert ausgewiesen. Der Großteil der Flächen – rund 4.000 ha – weist jedoch sehr hohe Konfliktrisikowerte auf. Konflikte könnte es beispielsweise geben, wenn die Windräder in die Nähe von Wohnanlagen kommen oder in den Wald. Hier kann die Gefahr bestehen, dass der Wald durch die Anlage sein Prädikat „Schutz- und Erholungswald“ verliert.

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Die Charité in Berlin mit Windkraftanlagen im fernen Brandenburger Hintergrund. Foto: iStock

Offenbar könnte die Stadt auch mit den bestehenden acht Windrädern noch bei null stehen. Denn dabei „handelt es sich um Einzelfallentscheidungen. Die dortige Fläche ist nicht per se als Windvorranggebiet ausgewiesen gewesen“, erklärte der Pressesprecher Matthias Kuder. Als Nächstes will die Stadt diese theoretischen Flächen weiter präzisieren. „Dieser Prozess läuft und ist noch nicht abgeschlossen“, so Kuder.

Ein Joker für Berlin könnte Paragraf 7 Absatz 4 WindBG sein. Demnach hätte der Stadtstaat die Möglichkeit, sein Flächensoll teilweise in ein anderes Bundesland zu verlegen. Allerdings nur, wenn dieses andere Bundesland seinen Flächenbeitragswert übererfüllt hat. Stadtstaaten können ihr festgesetztes Flächenziel so um bis zu 75 Prozent kompensieren. Im Fall von Berlin wären dies 334 ha. Ein entsprechender Staatsvertrag, der diese Übertragung regelt, muss nach aktuellen Vorgaben des Bundes bis zum 31. Mai 2024 abgeschlossen sein. Bis jetzt ist solch ein Vertrag aber nicht bekannt.

Im Januar dieses Jahres teilte der Berliner Senat bereits mit, dass die Hauptstadt den Ausbau der Windenergie nicht ohne Hilfe anderer Bundesländer schafft. Manja Schreiner (CDU), Umwelt- und Klimaschutzsenatorin, schilderte laut „rbb24“:

Wir sind ganz klar im Senat: Wir brauchen auf jeden Fall eine Vereinbarung, einen Staatsvertrag mit einem anderen Bundesland.“

Bremen ganz entspannt

350 km weiter westlich kann der Stadtstaat Bremen seinen Status quo deutlich entspannter mitteilen. Hier stehen laut Statista bereits 87 Windkraftanlagen. „Das Flächenziel ist bereits erfüllt. Die ausgewiesenen Flächen sind auch nahezu vollständig mit Windenergieanlagen bebaut“, verkündete die Pressesprecherin Ramona Schlee.

Zur Umsetzung des WindBG befindet sich derzeit ein entsprechendes Umsetzungsgesetz im Gesetzgebungsverfahren. Die Freie Hansestadt teilt demnach ihre verbindlichen Teilflächenziele auf die beiden Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven auf. Die Vorgaben an die Stadtgemeinden zum Nachweis von Windenergieflächen orientieren sich an ihren jeweiligen Landesflächen.

Bremen soll demnach 0,21 Prozent und Bremerhafen 0,29 Prozent seiner Fläche bis 2032 für Windkraft ausgewiesen haben. In Summe sind das die gesetzlich geforderten 0,5 Prozent. Die Stadtgemeinden können über diese Vorgaben hinausgehen, dürfen sie jedoch nicht unterschreiten, sagte Schlee.

Den Vorgang mit ausführlichen Erläuterungen und Tabellen zu den Flächen sind auf der Website der Bremischen Bürgerschaft einsehbar.

Das Ufer der Weser in Bremen. Im Hintergrund sind Industrieanlagen und Windräder zu sehen. Foto: iStock

Das Land Bremen liegt im Bundesländervergleich bezüglich der installierten Leistung bezogen auf die Landesfläche gemeinsam mit Schleswig-Holstein an der Spitze der Länder. Wie Schlee mitteilte, ergibt sich für Bremen „derzeit eine anrechenbare Fläche auf den Flächenbeitragswert im Sinne des WindBG von 0,75 Prozent der Landesfläche.“ Somit sind die Anforderungen bereits übertroffen.

Hamburg: Windkraftanlagen auch im Hamburger Hafen

Der nördlichste der drei Stadtstaaten liegt ebenfalls gut im Rennen. Derzeit stehen 68 Windkraftanlagen in Hamburg. Die Pressesprecherin Renate Pinzke teilte der Epoch Times mit, dass in der Hansestadt in Summe derzeit rund 194 ha für Windenergie ausgewiesen ist. Das entspricht bereits 0,26 Prozent der Landesfläche, womit die Zielvorgabe für 2027 bereits erfüllt ist. Die bestehenden Anlagen stehen dabei auf ausgewiesenen Windeignungsgebieten und Einzelstandorten im Hamburger Hafen.

Um auch das Ziel für 2032 zu erreichen, suchen die Behörden nach weiteren passenden Flächen. Dabei werden Ausschlusskriterien wie etwa Mindestabstände zu Wohnbebauung, Parkanlagen oder Friedhöfen berücksichtigt. „Nach Abschluss der vertieften Prüfung wird sich die Suchfläche für Windenergie an Land reduzieren“, so Pinzke.

Der Suchprozess beinhaltet aktuell auch einzelne – sehr kleine – Flächen mit bestehenden Bauwerken.“

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Auch in Hamburg sollen noch mehr Windkraftanlagen. Foto: iStock

Wo die nächsten Windräder aufgestellt werden, ist aber noch nicht bekannt. „Die zukünftigen Betreiber der Anlagen werden erst in der konkreten Planung entscheiden, wo genau und wie viele Anlagen auf den dann ausgewiesenen Flächen stehen werden“, erklärte die Pressesprecherin. Ob es Konflikte mit Anwohnern gibt, ist derzeit nicht bekannt.

Da der Stadtstaat das erste Flächenziel bereits drei Jahre früher erreicht hat, hält die Behörde das Endziel für 2032 „für realisierbar“.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 24.03.2024 aktualisiert und am 27.03.2024 überarbeitet.



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