Eingeständnisse von Siemens-Energy-Chef: Windbranche ging zu viele Risiken ein

Der Aufsichtsratschef von Siemens Energy bemängelt Fehler der Windenergiebranche und der Politik der vergangenen Jahre. Die Rechnung wird allerdings der Stromkunde zahlen.
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Joe Kaeser ist Aufsichtsratschef von Siemens Energy.Foto: Matthias Balk/Pool/AFP via Getty Images
Von 20. Februar 2024

Stromkunden müssen künftig tiefer in die Tasche greifen. Davor hat Joe Kaeser, der Aufsichtsratschef von Siemens Energy, einem der weltweit größten Windturbinenhersteller, vor Kurzem gewarnt.

Als Grund dafür nannte Kaeser den Technologiewandel im Energiesektor. Nur mit größerem Finanzaufwand wäre dieser zu realisieren. Ebenso kritisierte er das „märchenhafte“ Denken über die Netto-Null-Strategie.

Ein schädliches „Rattenrennen“

Die Hersteller von Windkraftanlagen haben mit großen Verlusten zu kämpfen. Sie seien deshalb gezwungen, die Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, sagte der Ex-Siemens-Manager gegenüber der britischen Tageszeitung „The Telegraph“.

Ich glaube, dass [die Kunden] eine Zeit lang höhere Preise akzeptieren müssen.“

Siemens Energy selbst schreibt schon länger rote Zahlen. Im zurückliegenden Jahr machte es im Windenergie-Sektor über vier Milliarden Verluste laut ntv.

Kaeser erklärte, dass sich die Hersteller von Windkraftanlagen auf ein schädliches „Rattenrennen“ – ein Wettbewerbsprozess, bei dem Ressourcen verschwendet werden – eingelassen hätten. Diese konstruierten immer größere Turbinen, während Regierungen die damit verbundenen Kosten leugnen würden. Heutige Windkraftanlagen, insbesondere bei Offshore-Anlagen, haben laut dem Portal „E-Fahrer“ bereits Rotordurchmesser von bis zu 260 Meter.

Der Aufsichtsratschef kritisierte, dass die Hersteller beim Bau immer größerer Turbinen oftmals die finanziellen und technischen Risiken nicht ausreichend berücksichtigen. Solch eine „Größer-ist-besser“-Mentalität resultiere nicht immer in wirtschaftlicheren Lösungen. Anstatt in immer größere Anlagen zu investieren, sollten sich Hersteller und Entwickler auf eine Stabilisierung der Branche konzentrieren. Wichtig sei auch die Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen.

Der Energietechnikkonzern Siemens Energy greift nach der kompletten Kontrolle bei seiner spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa (SGRE).

Der Energietechnikkonzern Siemens Energy griff im Mai 2022 nach der kompletten Kontrolle bei seiner spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Mankos der Windindustrie

In seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar kritisierte Kaeser, dass in der Windindustrie seit Jahren „viel geredet, aber wenig getan“ werde. Zudem würden viele Regierungen und Beteiligten in der Branche zögern, offen über wahren Kosten von Netto-Null bis 2050 zu sprechen.

Netto-Null beschreibt das Gleichgewicht zwischen der Menge der produzierten Treibhausgase und der Menge, die wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Viele Regierungen und Institutionen sind überzeugt, dass insbesondere CO₂ und Methan eine schädliche Wirkung auf das Erdklima ausüben und zu hohe Emissionen zu katastrophalen Auswirkungen führen könnten. Tausende Wissenschaftler widersprechen jedoch diesem Klima-Narrativ.

Die hohen Kosten für Windkraftanlagen erklärte Kaeser mit steigenden Preisen für Materialien. Insbesondere Beton und Stahl verteuerten sich. Grund dafür ist laut dem Portal „PlanRadar“ eine Materialknappheit, unter anderem aufgrund von Lieferkettenproblemen. Aber auch Arbeitskräfte und Spezialschiffe stellten höhere Kostenfaktoren für die Hersteller dar.

„Eines der Mankos der Windindustrie in den letzten fünf Jahren ist, dass es viele Ankündigungen und Pläne gab“, erklärte Kaeser. „Aber es dauerte manchmal vier, fünf oder sechs Jahre, um von der Bestellung zur Ausführung zu kommen.“

Gas als der „billigste Weg, der sicherste Weg“

Letztlich gehe es um Geld, so der 66-Jährige. Wenn Regierungen und Entwickler nicht bereit sind, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen, sollten sie ihre Pläne für Netto-Null noch mal neu überdenken.

„Ich denke, [Netto-Null] ist realistisch, aber es hat seinen Preis“, sagte der ehemalige Siemens-Chef. „Irgendwann muss man sich die Tatsachen eingestehen, auch wenn sie einem manchmal nicht gefallen.“ Weiter sagte Kaeser:

Wenn man günstige Energie haben will, muss man Gas verwenden. Das ist der billigste Weg, der sicherste Weg, wenn man das Ganze von Anfang bis Ende durchrechnet.“

Schließlich appellierte er: „Ich glaube, die Menschen müssen vernünftig werden, wenn es um die Energiewende geht. Es gebe schließlich auch mal windstille Nächte.“ Zu solchen Zeiten müssen grundlastfähige Kraftwerke zuverlässig die Lücken füllen können.

„Energiewende ist nur Stückwerk“

In einem kürzlichen Gespräch mit „Focus“ bemängelte Kaeser, dass die deutsche Energiewende derzeit noch zu sehr von Staatshilfen abhängig sei.

„Wo ist das mittel- bis langfristige Geschäftsmodell für eine Energiewende auf breiter Front? Es gibt derzeit keines, wäre die ehrliche Antwort“, schlussfolgerte er. „Damit zusammenhängend fehlt auch der Wille, sich in einem energiepolitischen Dreieck einzuordnen, dem man nicht entkommen kann.“

Das Münchener Unternehmen selbst wird von staatlichen Garantien gestützt, da es als für die Energiewende relevantes Unternehmen gilt.

Auch bemängelte Kaeser, dass es keine langfristige Planung für die Energiewende gebe. „Leider gibt es diesen großen Plan wirklich nicht, obwohl er gar nicht so schwer aufzuschreiben wäre. Es ist derzeit noch alles Stückwerk, und nichts davon passt wirklich zusammen.“

Der Aufsichtsratschef ging auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Klima- und Transformationsfonds ein. Dazu sagte er: „Das Unternehmen Bundesrepublik muss mit seinem Vorstand, in dem Fall der Regierung, nun circa drei Prozent vom Budget einsparen.“ Kaeser sieht darin jedoch kein großes Problem. „Wenn ich Aufsichtsratschef eines Unternehmens wäre, wo mir der Vorstand erklärt, dass er seine Kosten keine drei Prozent reduzieren kann – also dann würde ich echt meine Schlüsse ziehen.“

Mit dem „grünen Wirtschaftswunder“, das einst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen hatte, rechnet Kaeser derweil nicht mehr. „Ich bin schon froh, wenn wir kein blaues Wunder erleben. Nein, im Ernst: Wir brauchen den langfristigen Energieplan. Sonst wird das nichts.“



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