„Gemeinde hat Bürger viel zu wenig informiert“: Gegenwind für riesige Windkraftanlagen

Drei 261-Meter-große Windkraftanlagen sollen im baden-württembergischen Ortenaukreis entstehen. Über Lärm und Schattenwurf hätte die Gemeinde die Bürger nicht informiert. Nun formiert sich Widerstand. Doch möglicherweise ist es dafür schon zu spät.
Titelbild
Windkraftanlagen in Baden-Württemberg. Viele Bürger haben Bedenken gegen diese Form der Energiegewinnung.Foto: iStock
Von 13. Februar 2024

Mitten im Herzen des Schwarzwaldes erstrecken sich tief geschnittene Täler, steile Rebhänge, rauschende Bäche und weite Wälder. Nach den Plänen der Gemeinden Oberkirch und Durbach im baden-württembergischen Ortenaukreis soll sich das Landschaftsbild künftig deutlich ändern. Drei Bauwerke, von denen jedes etwa so hoch ist, wie Deutschlands höchstes Gebäude  – der Commerzbank Tower – sollen an der Grenze der beiden Gemeinden entstehen. Die Rede ist von Windkraftanlagen.

Der Grund für die Pläne: Die Vorgabe der Bundesregierung, wonach die Bundesländer beim Erreichen der Ausbauziele der Windkraft in Deutschland beitragen sollen. Nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz sollen bis Ende 2032 in Baden-Württemberg auf 1,8 Prozent der Landesfläche Windkraftanlagen stehen.

Das wirkt sich bis auf Kommunalebene aus. Städte und Ortschaftsräte legen den Fokus derzeit vielerorts auf Projekte für neue Windräder zur Stromerzeugung. Insbesondere im Süden Deutschlands gibt es Aufholbedarf. Die Behörden stoßen jedoch oftmals auf kritische Stimmen aus der Bevölkerung. Viele Menschen haben aufgrund von Bedenken gegen die riesigen Stahltürme bereits Bürgerinitiativen gegründet.

Windprojekt Hummelsebene in der Kritik

So ebenfalls im Ortenaukreis. Das Projekt trägt dort den Namen Windenergieprojekt Hummelsebene. Geplante Gesamthöhe der Windräder: jeweils 261 Meter – nur 50 Meter kleiner als der Eiffelturm. Die drei Anlagen vom Typ Vestas V-172 haben eine installierte Nennleistung von jeweils 7,2 Megawatt. Zusammen also über 21 Megawatt – sofern der Wind ausreichend stark weht.

Kritik an dem Projekt bekundet seit Monaten die Interessengemeinschaft Oberkirch/Durbach. In einem Gespräch mit der Epoch Times teilte Gunda Herzog von der Interessengemeinschaft mit, dass „die Stadtverwaltung Oberkirch von Anfang an kein Interesse an unseren Veranstaltungen im November 2023 gezeigt hatte.“ Ebenso habe die Stadt die Hallenanmietung durch die Gemeinschaft „erschwert“. In der Gemeinderatssitzung vom 25. September 2023 forderte die Interessengemeinschaft unter anderem eine öffentliche Podiumsdiskussion. „Bis heute fand diese aber nicht statt“, bemängelte Herzog. Sie ist auch Sprecherin der Schwarzwald-Heimat-Aktivgruppe von Oberkirch.

Der Ortenaukreis befindet sich in Baden-Württemberg, direkt an der französischen Grenze. Foto: iStock

Bereits im September kritisierten mehrere Teilnehmer einer öffentlichen Sitzung zum Windkraftprojekt den Oberkircher Ortschaftsrat, dass eine Aufklärung der Bürger fehle, wie die „Acher-Rench-Zeitung“ schrieb. Der Ortsvorsteher hatte die Sitzung kurzfristig an einen anderen Standort verlegt. Dies, laut Herzog, um dafür zu sorgen, dass weniger Bürger erscheinen würden.

Die anwesenden Bürger forderten eine bessere Bürgerbeteiligung. Eine Zuhörerin wies darauf hin, dass der Ortschaftsrat die Bürger doch „mitnehmen“ müsse. Der Wunsch der Mitbürger, zu den Entscheidungen bezüglich des Projekts eingebunden zu werden, sei „deutlich zum Ausdruck“ gekommen, so der Ortsvorsteher.

Vielen Bürgern sei es zudem unverständlich, dass die Windkraftanlagen in der Vorbergzone errichtet werden sollen. Das habe gravierende Auswirkungen für das Landschaftsbild und die Gesundheit der Anlieger.

Oberkircher Stadtrat Georg Wolf (CDU) bemerkte, dass viele anwesende Bürger sich gegen die Windräder entschieden hätten, was er jedem zugestehe, wünsche sich aber eine fachliche, ruhig und sachliche Diskussion. Ziel sei es, eine bestmögliche Lösung zu finden.

„Gemeinde hat Bürger viel zu wenig informiert“

Der Zeitungsartikel schilderte auch das Fallbeispiel der Gaststätte Hummelswälder Hof. Die Windräder sollen in knapp 700 Meter Entfernung errichtet werden. Die Betreiberin Jenny Haas und ihre Familie befürchten aufgrund der Windkraftanlagen um das Fortbestehen ihres Lokals. Haas ging davon aus, dass der Bau der Anlagen dem Tourismus in der Region schade und sie dadurch finanzielle Einbußen erfahren würde. Es ginge nicht nur um ihren Betrieb. Betroffen seien alle, die Ferienwohnungen oder Zimmer vermieten oder ein Hotel betreiben, wie die Lokalzeitung „Oberkirch heute“ schrieb.

In einem Gespräch mit der Epoch Times bestätigte Haas, dass „die Bürger über den Windpark Hummelsebene vonseiten der Gemeinde viel zu wenig informiert“ worden seien. In den Zeitungsartikeln darüber sei meistens nur erklärt worden, wie viel Strom die Anlagen erzeugen und wie viele Haushalte, damit versorgt werden könnten.

Was alles damit in Verbindung steht, mit Lärm, Schatten, Landschaftsbild – das war niemandem so wirklich bewusst.“

Eines der Windräder im Größenvergleich mit anderen Bauwerken. Foto: Mit freundlicher Genehmigung vom Hummelswälder Hof

Haas teilte mit, dass der Bauantrag bereits beim Landratsamt eingereicht wurde. Um zu erfahren, was die Anlagen für ihren Betrieb bedeuten, hatte sie eine Akteneinsicht angefordert. Dadurch erfuhr sie von folgenden Daten, Veränderungen und Beeinträchtigungen für den Hummelswälder Hof:

  • Die Zuwegung der Anlage ist über deren Grundstück geplant. Die Familie lehnt bis heute mithilfe eines Anwalts eine Genehmigung dafür ab.
  • Deren Haus ist vom Schlagschatten und Lärm betroffen.
  • Jedes dieser Windräder enthält über 6.000 Liter wassergefährdende Stoffe. Die Gastronomin sagte: „Wir sind rein an unsere Wasserquellen angeschlossen. Wenn es zu einem Unfall käme, könnten diese Quellen verunreinigt werden. Und auch durch die Erschütterungen beim Bau könnte es zur Verstopfung, Zuschüttung oder Verunreinigung der Quellen kommen.“ Der Ortsrat würde dies verneinen.
  • Pro Windrad sind alleine für den Beton über 250 Anfahrten nötig.
  • Angaben zur Größe der Fundamente.
  • Fotosimulationen zeigen, wie die Anlagen in der Landschaft später aussehen sollen.

Schattenwurf betrifft mehrere Höfe

All diese Dinge und noch vieles mehr habe der Ortschaftsrat den Bürgern vorher nicht mitgeteilt. „Ich bin mir sogar bis heute sicher, dass die ganzen Höfe, die stark vom Schattenwurf betroffen sind, bisher nicht darüber informiert wurden“, vermutet Haas. „Wenn wir nicht selbst Akteneinsicht angefordert hätten, wüssten wir das bis heute nicht.“ Die Familie lehnt bis heute eine Genehmigung ab.

Haas erklärte zudem, dass bei 21 umliegenden Höfen der Grenzwert für den Schattenwurf der rotierenden Rotorblätter überschritten sei. „Dadurch muss ein Abschaltsensor eingebaut werden, der nach 30 Minuten Schattenwurf die Windräder abstellt, weil es sonst unzumutbar ist.“

Angesichts dessen stellt sich die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen der Windräder. Wenn sie häufig abschalten, generieren sie weniger Strom und somit erhält der Betreiber weniger Vergütung. Hinzu kommt, dass die Effizienz der Windräder im windärmeren Süden Deutschlands ohnehin nur rund 17 Prozent (Baden-Württemberg) beträgt. Im Norden Deutschlands liegt die Ausbeute im Schnitt bei bis zu 31 Prozent (Schleswig-Holstein).

Aufgrund des Schattenwurfs sieht Haas jedoch vielmehr einen „Einschnitt in die Privatsphäre der Menschen“. Sie kritisiert: „Das können nicht einfach ein paar Einzelne über unsere Köpfe hinweg entscheiden.“

Die Gastronomin betonte, dass sie und ihre Familie „keinesfalls gegen erneuerbare Energien sind. Aber nicht an einem Standort, wo die Effizienz nicht mehr im Verhältnis zur Zerstörung der Natur und der Belastung der Menschen steht.“

Größerer Widerstand als gedacht

Offizielle Stellen hätten laut Haas mehrfach kommuniziert, dass „nur wenige Bürger dagegen sind“. Die Gastronomin initiierte daraufhin eine Petition in Verbindung mit einem Bürgerbrief, die sie in viele Briefkästen eingeworfen hatten. Damit wollte sie die Menschen auch informieren. Die Resonanz überraschte und erschrak die Gastronomin zugleich.

Ich hatte in kürzester Zeit über 1.200 Unterschriften zusammen, die sich gegen diesen Bau aussprechen. Mittlerweile sind es um die 1.400.“

Haas merkte an, dass die Unterschriften nur von Bürgern in Durbach (4.063 Einwohner Ende 2022) und Oberkirch (20.092 Einwohner Ende 2022) sind. Es habe zudem Unterschriften aus anderen Gemeinden gegeben. Diese habe sie jedoch nicht mitgezählt. Nicht jeder in den Gemeinden habe den Bürgerbrief erhalten.

Über diese Aktion und das Ergebnis informierte sie den Durbacher Bürgermeister Andreas König (CDU). Er habe sie laut Haas gefragt, wieso der Protest nicht früher gekommen sei. Abgesehen davon hätte der Protest ohnehin keine Entscheidungsgewalt, da der Antrag schon eingereicht wäre. Haas antwortete, dass sie den Protest gerne schon früher gestartet hätte. Allerdings habe sie alle nötigen Informationen erst durch die Akteneinsicht erhalten und dass „die Gemeinde diese ganzen Sachen unter den Teppich gekehrt hat“. Daraufhin habe sich Bürgermeister König nicht mehr bei ihr gemeldet.

Der Gemeinderat Oberkirch wurde in einem Bericht der „Oberkirch heute“ von Ende September mit den Worten zitiert, dass das Vorhaben wegen seines Beitrages zur Sicherheit der Energieversorgung und Klimaschutz im „überragenden öffentlichen Interesse“ sei. Auch hätten Vorprüfungen verschiedene Beeinträchtigungen ergeben, jedoch keine erheblichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit.

Die Epoch Times bat aktuell beide Gemeindeverwaltungen um eine Stellungnahme zum Fall. Nach sieben Tagen und mehreren Anrufen erhielten wir bisher keine Antwort.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 13. Februar 2024 aktualisiert, um die Höhe des Eiffelturms ohne Antenne zu berücksichtigen und die Abstände der Windräder zur Gaststätte Hummelswälder Hof zu korrigieren. 



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