„Schlümpfe“ nur halbe Wahrheit? Erneuter Polizeieinsatz am Ribnitzer Gymnasium

Nach einer „Gefährderansprache“ einer 16-jährigen Schülerin am Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten kehrt weiterhin keine Ruhe ein. Am Montag hatte der Vorfall eine „identitäre Intervention“ zur Folge. Unterdessen sickern neue Erkenntnisse zum Anlass der Ansprache durch.
Titelbild
Erneut musste die Polizei zum Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten anrücken. Symbolbild.Foto: iStock
Von 19. März 2024

Das Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten (Landkreis Vorpommern-Rügen) kommt nach dem Bekanntwerden der „Gefährderansprache“ einer 16-jährigen Schülerin vom 27. Februar nicht zur Ruhe. Am Montagmorgen, 18. März, brachten vermummte Unbekannte am Dach der Schule ein Transparent an. Dieses zeigt einen Schlumpf und trägt die Aufschrift „Heimatliebe ist kein Verbrechen“. In sozialen Medien verbreitete sich ein Video von der Aktion.

Bei der Aktion handelte es sich offenbar um eine sogenannte identitäre Intervention. Auf seinem Telegram-Kanal äußerte Martin Sellner, der Gründer der österreichischen Sektion der als rechtsextremistisch eingestuften Bewegung, es seien „Aktivisten der Bewegung“ dafür verantwortlich. Die Polizei rückte erneut an der Schule an. Ermittelt wird nun gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs.

Wie eine Schule in der Provinz ungewollt bundesweite Aufmerksamkeit fand

Die Schule war in der Vorwoche landesweit in die Schlagzeilen geraten. Die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ hatte auf der Grundlage der Erzählung der Mutter der 16-Jährigen über den Vorfall berichtet. Diese hatte erklärt, ihre Tochter sei „wie eine Verbrecherin aus dem Unterricht geholt“ worden. Anlass seien ein AfD-freundlicher Beitrag auf der Social-Media-Plattform TikTok gewesen und eine Aussage, wonach „Deutschland nicht nur ein Ort, sondern Heimat“ sei.

Unbestritten ist, dass Schulleiter Jan-Dirk Zimmermann die Schülerin aus dem Klassenraum gebeten und ein Gespräch in den Direktionsräumlichkeiten durchgeführt habe. Auch seien drei Beamte anwesend gewesen. Dies sei, so hieß es später vonseiten der Polizei, dadurch bedingt gewesen, dass die Besatzung des Streifenwagens, der im Einsatz war, aus drei Personen bestanden habe.

Die Beamten hätten sich im Hintergrund gehalten, es sei jedoch nicht auszuschließen, dass Unbeteiligte deren Anwesenheit bemerkt hätten. Politiker der AfD und Social-Media-Nutzer hatten später behauptet, die 16-Jährige sei „abgeführt“ worden.

Gebotenes Vorgehen oder Versuch einer Einschüchterung?

Als gefestigte Erkenntnis gilt mittlerweile auch, dass der Schulleiter die Polizei aufgrund der E-Mail eines Hinweisgebers eingeschaltet hatte. Dies tat er in Entsprechung einer Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 2010, die infolge mehrerer Amokläufe an Schulen in den 2000er-Jahren konzipiert worden war.

Der Anordnung zufolge sind Schulleiter verpflichtet, bestimmte Vorkommnisse oder Verdachtsmomente an die Polizei zu melden. Dazu gehören auch Besitz, Erstellung oder Verbreitung von Textnachrichten, Fotos oder Videos, bei denen „ein strafrechtlicher Hintergrund nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden könne“. Zimmermann schaltete die Beamten unter Bezugnahme auf mögliche „staatsschutzrelevante Inhalte“ ein. Diese haben das Material gesichtet und gelangten zu der Erkenntnis, dass strafrechtlich relevante Inhalte nicht vorlägen.

Dieser Umstand führte zu Irritationen. In sozialen Medien, aber auch aus CDU und AfD waren Vorwürfe an die Beamten laut geworden, ohne Not dennoch die „Gefährderansprache“ durchgeführt zu haben. Dafür habe kein Anlass bestanden, es läge der Verdacht nahe, dass es tatsächlich um eine Einschüchterung der 16-Jährigen gegangen sein könnte.

Innenminister Christian Pegel und Bildungsministerin Simone Oldenburg verteidigten das Vorgehen der Schulleitung und der Polizei. Man habe gemäß geltender Vorschriften gehandelt und dabei auf Verhältnismäßigkeit geachtet. Demgegenüber sind die Schule und ihr Leiter zum Ziel von Schmähungen und Drohungen geworden. Der polizeiliche Staatsschutz ermittele dazu bereits.

Ging es um mehr als nur Schlumpf-Videos?

Mittlerweile sickern Details zum Anlass der Intervention der Polizeibeamten durch, die den Vorfall in einem etwas anderen Licht erscheinen lassen. Zwar lagen offenbar keine strafrechtlich relevanten Beiträge der Schülerin vor. Die Meldung soll jedoch nicht aufgrund von „Schlumpf-Videos“ oder „Heimat-Aussagen“ erfolgt sein.

Wie die „Welt“ aus Kreisen der Landesregierung in Erfahrung gebracht haben will, seien wesentlich „eindeutigere“ Inhalte im Spiel gewesen. Einige hätten dabei sogar den Eindruck der Verfassungsfeindlichkeit erweckt. So sollen sich Parolen in den Social-Media-Beiträgen gefunden haben, die üblicherweise der Identitären Bewegung oder dem neonationalsozialistischen „III. Weg“ zugeordnet würden.

Die Beamten hätten trotz des Nichtvorliegens einer Straftat die Notwendigkeit einer Gefährderansprache bejaht. Zweck sei es gewesen, die Schülerin darauf hinzuweisen, dass weitgehendere Beiträge möglicherweise die Grenze der Strafbarkeit überschreiten könnten. Zudem habe man sie vor möglichen Anfeindungen durch gegnerische Gruppen – wie etwa die „Antifa“ – warnen wollen, sollten ihre Social-Media-Beiträge in deren Blickfeld gelangen.

Symbol der „Identitären Bewegung“ (Archiv). Foto: via dts Nachrichtenagentur

Epoch Times richtet Anfrage an die Schulleitung

Offen bleibt dennoch, ob nicht die Möglichkeit einer diskreteren Form des Gesprächs bestanden hätte – immerhin spricht die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass ein Polizeieinsatz an einer Schule selten unbemerkt bleibt. Entsprechend wäre von vornherein die Möglichkeit eines öffentlichen Aufsehens absehbar gewesen.

Die Epoch Times richtete an Schulleiter Jan-Dirk Zimmermann die Frage, warum von alternativen Wegen der Ansprache Abstand genommen wurde. Als solche wären denkbarer Weise die Anfrage an die Eltern nach der Möglichkeit eines Hausbesuchs – etwa im Beisein eines Beamten in Zivil – oder eines solchen Gesprächs an einem neutralen Ort wie einem Café in Betracht gekommen. Außerdem wollten wir wissen, ob es bereits im Vorfeld des Vorfalls Hinweise auf Aktivitäten der „Identitären“ oder sonstiger als rechtsextremistisch eingestufter Gruppierungen an oder im Umfeld der Schule gegeben habe.

Nach dem Eintreffen einer Antwort wird dieser Artikel ergänzt.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion