Polizeieinsatz wegen TikTok-Video: Schülerin wegen AfD-Sympathie aus dem Unterricht geholt

Eine 16-jährige Schülerin wird wegen eines Videos auf TikTok aus dem Unterricht geholt und von drei Polizeibeamten angesprochen. Die Mutter ist entsetzt und fühlt sich an frühere Zeiten erinnert. Das Bildungsministerium sagt hingegen, dass das Vorgehen bei Verdacht auf Extremismus ein übliches Verfahren sei. Es gibt zwei Versionen der Geschichte.
Zahlreiche Beamte sind an der Schule im Einsatz.
Symbolbild: Polizeieinsatz an einer Schule.Foto: Sina Schuldt/dpa
Von 15. März 2024

Ein Vorfall im mecklenburgisch-vorpommerschen Ribnitz-Damgarten sorgt für Aufregung. Es geht um ein Video, das ein 16-jähriges Mädchen auf TikTok gepostet hat und zu einem Polizeieinsatz führte. Zuerst hatte die Onlineausgabe der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ den Vorfall aufgegriffen. 

Auf dem Video, das das Mädchen schon vor Monaten gepostet hatte, ploppt eine Frage auf: Was haben Deutschland und die Schlümpfe gemeinsam? Das Video wischt dann nach rechts und das nächste Bild zeigt eine Deutschlandkarte, die in Wahlkreise aufgeteilt ist. Nach und nach färben sich die einzelnen Wahlkreise blau – eine Anspielung auf die Umfragewerte der AfD. An anderer Stelle schrieb das junge Mädchen, dass Deutschland kein Ort, sondern Heimat sei. 

Mutmaßlich verfassungsfeindliche Posts

Die Schulleitung des Richard-Wossidlo-Gymnasiums in Ribnitz-Damgarten wird am 27. Februar offenbar auf das Video und den Post aufmerksam und greift gegen 9:45 Uhr zum Telefonhörer, um die Polizei zu verständigen. Den Polizeibeamten erklärt Schuldirektor Jan-Dirk Zimmermann, dass möglicherweise ein strafrechtlicher Sachverhalt vorliege. Eine Schülerin würde „mutmaßlich verfassungsfeindliche Inhalte in sozialen Netzwerken verbreiten“. Drei Polizeibeamte in einem Streifenwagen rücken daraufhin aus. 

Wie die Polizei in einer Pressemitteilung schreibt, hätten die Beamten vor Ort dann Einsicht in eine E-Mail einer Hinweisgeberin genommen, die die Schulleitung auf die Posts aufmerksam gemacht hatte. Schnell habe sich aber herausgestellt, dass kein Anfangsverdacht einer Straftat besteht. „Da der Grat zwischen erlaubtem und strafbarem Handeln mitunter schmal ist, entschlossen sich die Beamten zusammen mit der Schulleitung, mit der 16-Jährigen ein Aufklärungsgespräch mit präventivem Charakter zu führen“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Der Schulleiter habe die Schülerin daraufhin aus dem Unterrichtsraum gebeten, während die Polizisten auf dem Flur warteten. 

Zusammen mit der Schulleitung hätten die Polizisten dann ein Gespräch mit der Schülerin geführt. „Dabei zeigte sich die Schülerin verständnisvoll gegenüber den polizeilichen Maßnahmen und dem präventiven Ansatz dahinter, da es darum ging, sie vor möglichen Anfeindungen zu schützen, die sich aus ihren Aktivitäten in sozialen Netzwerken ergeben könnten“, schreibt die Polizei weiter. Auch gegenüber der Mutter habe man das Thema telefonisch besprochen und den Anlass des Polizeieinsatzes dargelegt. „Auch sie zeigte gegenüber der Polizei Verständnis für den Einsatz. Die 16-Jährige ging kurz darauf wieder in den Unterricht, ohne weitere Begleitung. Zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Polizeieinsatz an dem Gymnasium von anderen Personen öffentlich wahrgenommen wurde“, so die Polizei weiter. 

Mutter entsetzt: „Meine Tochter wie eine Verbrecherin behandelt“

Die Mutter der Schülerin stellt den Sachverhalt allerdings etwas anders dar. „Ich war total entsetzt. An dem Video ist nichts strafbar und trotzdem wird meine Tochter wie eine Verbrecherin behandelt“, empörte sich die Mutter auf „Nordkurier“-Nachfrage. Sie kritisierte vor allem das indiskrete Vorgehen in der Schule. Ihrer Aussage nach hätten die Polizisten die Tochter aus dem Klassenraum geholt und ins Direktorenzimmer gebracht. Alle hätten das mitbekommen. 

Die Mutter hält die Anschuldigung für besonders schlimm, da sich die Tochter politisch engagiere. Ihre Tochter finde die AfD nun einmal gut, so die Mutter gegenüber dem „Nordkurier“. Sie würde deshalb solche Clips für die sozialen Netzwerke erstellen. Illegal sei das aber nicht, betont die Mutter. 

Gegenüber der „Jungen Freiheit“ wird die Mutter deutlicher. „Ich bin entsetzt“, wird sie im Artikel zitiert. „Das ist so eine heftige, mit Verlaub, Stasischeiße, ich hätte das in meinem ganzen Leben nicht für möglich gehalten, was meiner Tochter hier angetan wurde.“ Von Verständnis der Mutter, wie die Polizei schreibt, kann man zwei Wochen nach dem Vorfall nicht mehr sprechen. 

In Mecklenburg-Vorpommern hat der Vorfall indessen die Politik auf den Plan gerufen. Der Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Vorpommern-Rügen-Greifswald und AfD-Landessprecher Leif-Erik Holm sprach von einem handfesten Skandal. „Die Anti-Rechts-Hysterie nimmt mittlerweile unerträgliche Formen an“, kritisierte er. Der Polizei warf er vor, das Mädchen wie eine Verbrecherin behandelt zu haben. 

Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Enrico Schult, betonte, jede Form der politischen Polarisierung habe an Schulen nichts verloren. Sie sollten ein Ort des Lernens sein, ohne politische Beeinflussung von außen, solange die Schüler auf dem Boden des Grundgesetzes stünden.

„Ich glaube doch, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt war“

Das Bildungsministerium erklärte nach Darstellung des NDR, bei Verdacht auf Extremismus sei das ein übliches Verfahren. Auch Innenminister Christian Pegel (SPD) wurde auf den Fall am Donnerstag im Schweriner Landtag angesprochen. Wenn die Polizei gerufen werde, komme sie auch, so Pegel. Es habe eine Gefährderansprache gegeben. Er sehe bei dem Einsatz aber keine Schwierigkeiten. Die Polizeibeamten gingen so vor, dass niemand stigmatisiert werde. Pegel: „Ich glaube doch, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt war.“

Auf alexander-wallasch.de zeigt der ehemalige Kriminaldirektor und Chef der Braunschweiger Kriminalpolizei, Ulf Küch, wenig Verständnis für das Vorgehen der Schulleitung:

„Mir erschließt sich die Angelegenheit nicht. Ich frage mich natürlich, wie man die Polizei in die Schule bestellen kann, um eine Schülerin da rauszuholen, die irgendwelchen Unsinn auf TikTok gepostet hat.“

Für den Ex-Polizisten stellt sich nun die Frage, warum das Mädchen eine Gefährderansprache für einen Post bekommen hat, der möglicherweise die Meinung des Direktors nicht widerspiegelt. Weiter kritisiert Küch, dass die Ansprache einer Minderjährigen ohne die Eltern erfolgt ist. „Das hätte überhaupt nicht passieren dürfen. Aber noch wichtiger: Was glaubt denn der Herr Direktor, was hier sein pädagogischer Auftrag ist? Denunziation?“



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