Sondersitzung im Landtag: Kritik an Versteckspiel um Erlass nach Polizeieinsatz in Ribnitz-Damgarten

Nach der Gefährderansprache bei einer 16-jährigen Schülerin in Ribnitz-Damgarten hat sich der Bildungsausschuss des Landtages mit der Angelegenheit befasst. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass der Schulleiter keinen diskreteren Ansatz hätte wählen dürfen. Ein Erlass gibt Rätsel auf.
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Schloss Schwerin – Sitz des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern. Der Landesrechnungshof des Landes hat in seinem jüngsten Bericht Versäumnisse des Kabinetts in der Personalpolitik und bei der Digitalisierung bemängelt.Foto: iStock
Von 23. März 2024

Am Donnerstag, 21. März, hat sich der Bildungsausschuss des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern mit dem Polizeieinsatz am Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten (Landkreis Vorpommern-Rügen) befasst. Anlass war die sogenannte Gefährderansprache einer 16-jährigen Schülerin infolge eines Hinweises an Schulleiter Jan-Dirk Zimmermann.

Gegenstand der Gefährderansprache waren Inhalte des Accounts des Teenagers auf der Social-Media-Plattform TikTok. Die 16-Jährige hatte sich positiv über die AfD geäußert und unter anderem als „stolze Deutsche“ bezeichnet. Auf einem älteren und einem neueren Account haben sich zudem Inhalte befunden, die sich im Gesamtkontext zumindest teilweise auch als weit rechte Symbolik deuten ließen.

Welche Inhalte gaben Anlass zur Ansprache?

Dazu gehörten etwa Spielereien mit Parolen, die regelmäßig mit rechtsextremistischen Bestrebungen in Zusammenhang gebracht werden. So fand sich eine Bilderreihe, welche die Botschaft „Deutsche Jugend voran“ erkennen ließ – ein Slogan des neonationalsozialistischen III. Weges. In einer Profilbeschreibung hieß es „Heimat, Freiheit, Tradition – Multikulti Endstation“. Diese Parole verwendet die Identitäre Bewegung.

Auf einem alten Account fand sich die Bezeichnung „Anti-Antifa“ in der Profilbeschreibung. Dieser Begriff wird seit Jahrzehnten auch von Rechtsextremisten verwendet, die mit den gleichen Methoden wie die linksextremistische Antifa gezielt politische Gegner ins Visier nehmen wollen. Ein Ordner wurde mit einem Emoji benannt, das eine Frau mit erhobenem rechten Arm zeigt. Zum Winken – im Gesamtkontext könnte die Geste aber auch anders aufgefasst werden.

Dazu finden sich Zahlenkombinationen, die ebenfalls unter Rechtsextremisten zu propagandistischen Zwecken Verwendung finden. Inwieweit einer 16-jährigen Schülerin deren Bedeutung klar sein konnte, ist jedoch völlig ungewiss. Ebenso wie es unklar ist, ob diese über die Zuordenbarkeit der von ihr verwendeten Profilparolen Bescheid wissen konnte.

Ribnitz-Damgarten erhält unfreiwillige bundesweite Aufmerksamkeit

Ein Hinweisgeber hatte den Schulleiter auf diese Inhalte aufmerksam gemacht – woraufhin dieser die Polizei informierte. Diese war anschließend an die Schule gekommen und hatte mit ihm zusammen die Inhalte gesichtet. Obwohl die Beamten ausgeschlossen hatten, dass diese gegen geltende Strafgesetze verstießen, drängten sie auf eine Ansprache der Schülerin. Der Fall hatte heftige Reaktionen in sozialen Medien und auf politischer Ebene zur Folge.

Was vor allem Fragen offen ließ, war, warum der Schulleiter unmittelbar die Polizei über die an ihn herangetragene Wahrnehmung in Kenntnis setzte. Grundsätzlich gilt in Schulen der Beutelsbacher Konsens. Dessen „Überrumpelungsverbot“ verbietet es Pädagogen, ihre Autorität zur Beeinflussung im Sinne einer „erwünschten“ Meinung zu benutzen.

Sollten minderjährige Schüler Tendenzen zeigen, die in Richtung Verfassungsfeindlichkeit oder strafrechtlicher Relevanz gehen, könnte allerdings auch eine Fürsorgepflicht seitens der Schule greifen. Dabei liegt auf der Hand, dass es eine Frage des pädagogischen Fingerspitzengefühls darstellt, abzuwägen, wo die Grenze zwischen postpubertärem Provokationsverhalten und ernsthafter Radikalisierung verläuft.

Schulleiter: „Hätte nicht anders reagieren können“

Die Gefährderansprache sollte im konkreten Fall nach Darstellung Zimmermanns und der Polizeibeamten auch dem Zweck der Fürsorge dienen. Man habe die Schülerin vor einem möglichen Überschreiten der Grenzen des gesetzlich Erlaubten und vor möglichen Anfeindungen warnen wollen. Die Rede war von einem „Aufklärungsgespräch mit präventivem Charakter“.

Unabhängig von der Beurteilung der Frage, ob dies im konkreten Fall bereits angebracht oder geboten gewesen sei, steht jedoch auch jene der angemessenen Form dieser Ansprache im Raum. Diesbezüglich hatten auch im Bildungsausschuss des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern Abgeordnete Bedenken geäußert. Immerhin musste der Schulleiter in Ribnitz-Damgarten davon ausgehen, dass ein Polizeieinsatz an der Schule nicht unbemerkt bleiben würde.

Die Mutter der Betroffenen äußerte nun in einem Interview, dass dem Schulleiter keine diskretere Vorgehensweise erlaubt gewesen wäre. Dies habe er ihr gegenüber auf Nachfrage erklärt. Zimmermann äußerte demnach, es gebe eine Anweisung des Bildungsministeriums, jeden „auch nur ansatzweisen Tatbestand“ in Richtung Rechtsextremismus oder Verfassungsfeindlichkeit den übergeordneten Schulbehörden und der Polizei zu melden.

Kritik an Intransparenz über Inhalt des Erlasses

Innenminister Christian Pegel und Bildungsministerin Simone Oldenburg von Mecklenburg-Vorpommern hatten im Bildungsausschuss diese Vorgabe indirekt bestätigt. Wie der „Nordkurier“ berichtet, haben beide übereinstimmend erklärt, das Vorgehen von Schulleiter und Polizei sei korrekt gewesen. Bildungspolitische Sprecher aus CDU, FDP und AfD warfen dennoch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit auf.

Insbesondere habe es offenbar erst am 22. Februar, fünf Tage vor dem Einsatz in Ribnitz-Damgarten, ein Informationsschreiben über „Fallkonstellationen“ gegeben. Dieses sei an alle Schulleitungen versendet worden. Es solle einen Erlass illustrieren, in dem es um den Umgang mit Gefährdungswahrnehmungen geht.

Wie dieser Erlass exakt aussieht, legte die Landesregierung allerdings nicht offen. CDU-Bildungssprecher Torsten Renz erklärte, die Details träten „nur scheibchenweise und entweder durch beiläufige Bemerkungen oder durch mehrfache Nachfragen“ an die Öffentlichkeit.

Mutter hätte „in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts anders reagiert“

Der schulpolitische Sprecher der AfD, Enrico Schult, nannte die Reaktion der Schulleitung und der Polizei hingegen „völlig überzogen und unangemessen“. Sie sei „reflexartig“ auf eine „anonyme und in denunziatorischer Absicht abgefasste Mail hin“ erfolgt – „aus einem Anlass, der keine Gefährdung habe erwarten lassen“.

Die Mutter der Betroffenen hatte sich nach der Amtshandlung an eine Wochenzeitung gewandt und geäußert, diese sei wegen nichtiger Anlässe erfolgt. Die Rede war demnach von einem „Schlümpfe“-Video über die AfD und der Aussage, Deutschland sei „nicht nur ein Ort, sondern meine Heimat“.

Nach Präsentation aller Screenshots erklärte die Mutter der Betroffenen jüngst, in Kenntnis des vollen Sachverhalts hätte sie sich nicht an die Öffentlichkeit gewandt. Allerdings machte sie deutlich, dass die Inhalte ihrer Tochter der bloßen Provokation dienten – und nicht ihre Überzeugung widerspiegelten. Die 16-Jährige hat ihren TikTok-Account unterdessen auf „privat“ geschaltet.



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