Gao Zhisheng – Vom Aufsteiger zum Verfolgten

Als armer Junge in der Provinz Shaanxi aufgewachsen, waren Hunger und Not seine ständigen Begleiter. Doch Gao Zhisheng arbeitete sich nach oben, bis er ein gut situierter Anwalt war und zu den 100 bekanntesten Persönlichkeiten des Landes zählte. Als er sich zunehmend der vom Staat Verprellten und Gequälten annimmt, lernt er die Härte von Chinas Geheimdienst kennen.
Titelbild
Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng und seine Familie 2006. (ET)

Chinas bekanntester Anwalt ist seit dem 22. September 2007 spurlos verschwunden. Zum ersten Mal wurde er am 15. August 2006 von Mitarbeitern des chinesischen Geheimdienstes gekidnappt und für fünf Monate isoliert, gefoltert, permanent auf einem Metallstuhl gefesselt und 590 Stunden lang grellem Licht ausgesetzt. Wegen Subversion angeklagt, machte ihm die Justiz den Prozess mit dem Ergebnis: Drei Jahre Haft auf Bewährung. Gaos Ehefrau und die damals dreizehnjährige Tochter wurden von Geheimpolizisten schikaniert, überfallen und verletzt, kamen unter Hausarrest.

Wie der Traum von Narren

Als armer Junge in der Provinz Shaanxi aufgewachsen, waren Hunger und Not seine ständigen Begleiter. Doch Gao Zhisheng arbeitete sich nach oben, bis er ein gut situierter Anwalt war und zu den 100 bekanntesten Persönlichkeiten des Landes zählte.

Als Mitglied der KP hätte er sich eigentlich keine Sorgen machen müssen, seine Probleme begannen aber gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Denn nun konnte er die Ungerechtigkeit, mit der viele seiner Mandanten konfrontiert waren, besser zuordnen. Er führte sie auf das politische System zurück, das nach Maos Despotie, nach den Diktaturen Deng Xiaopings und Jiang Zemins nun bei der Herrschaft des Staats- und Parteichefs Hu Jintao angekommen war.

Hu Jintaos falscher Traum

Hu war es, der den Chinesen eine „harmonische Gesellschaft“ versprach, doch Gao konnte darüber nur lachen: „Nach den Wertvorstellungen unserer gegenwärtigen Führerschaft ist es nicht schlecht, Mängel aufzudecken, aber der Gedanke, dass sie eine harmonische Gesellschaft aufbauen, ist wie ein Traum von Narren. Wir haben eine Gesellschaft ohne Möglichkeit, sich gegen Unrecht zu wenden; eine Gesellschaft, die systematisch eine Riesenkluft zwischen Arm und Reich und zwischen den Gesellschaftsschichten entstehen ließ; (…) eine Gesellschaft, in der das Rechtssystem eindeutig von der Kommunistischen Partei und den Verwaltungsbehörden kontrolliert wird (…) Ist es nach all diesem nicht eine völlige Unmöglichkeit, eine harmonische Gesellschaft aufzubauen?“

Nach der chinesischen und englischen Version ist das Buch des in die Verfolgung gestürzten Anwalts endlich auf dem deutschen Markt angekommen. Es endet mit dem Interview, das Gao zuletzt der CIPFG (Coalition to Investigate the Persecution of Falun Gong) im Juli 2007 gab, also kurz bevor er an einen unbekannten Ort verbracht wurde und seitdem verschwunden ist. In diesem letzten Interview schildert er seine erste Verhaftung und Folter. Daraus zwei Sätze über die Geheimdienstler: „Alle waren nackt bis zur Taille und trugen Sonnenbrillen.“ Und dann: „In ihrer Unterwäsche setzten sie sich direkt auf mein Gesicht. Es war ekelhaft.“

Vom Aufsteiger zum Verfolgten

Gaos Schilderungen krimineller Machenschaften von Funktionären, deren Methoden der Selbstbereicherung, ihre Brutalität und Machtmissbrauch auf der einen Seite, seine knappen, aber tief menschlich empfundenen Schilderungen des traurigen Loses von Behinderten, Vertriebenen, Untergrundchristen oder Falun Gong-Praktizierenden auf der anderen Seite lässt ein totalitäres Regime wie das chinesische nicht durchgehen. So wurde der Aufsteiger Gao innerhalb weniger Jahre zum Verfolgten in den Händen derer, die ihn vormals lobten. Aus der detaillierten Geschichte seiner Verfolgung wird deutlich, weshalb der Autor den Tag seines Parteiaustritts den stolzesten in seinem Leben nennt.

Folter und Erniedrigung

Das bisher schlimmste Kapitel seines Lebens wurde vor wenigen Tagen durch den Radiosender Sound of Hope bekannt. Ein Informant berichtet von mehr als zwei Monaten Folter und Demütigungen; Gao wurde oft nackt auf den Boden geworfen und mit Elektrostäben maltraitiert. Schläge waren ebenso an der Tagesordnung wie tagelanger Schlafentzug, es erfolgte die Gabe eines „Medikamentes“ an den nackt Ausgezogenen, zu dem man dann eine nackte Frau legte, um beide in dieser erniedrigenden Lage zu filmen. Das Vorgehen ist so perfide, dass auch ein starker Mensch wie Gao Zhisheng an ihm zerbrechen könnte.

Dass die ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke und Siegmar Faust ein Vor- beziehungsweise Nachwort geschrieben haben, ist nicht nur eine Geste des Respekts vor dem Verfasser, sondern macht deutlich, dass unser Schicksal mit dem entfernter Länder identisch sein kann. Wir leben schließlich in einer Welt. Gao zeigt uns allerdings auf, dass Rechte, die uns selbstverständlich geworden sind, in China hart erkämpft werden müssen.

(agenda Verlag)(agenda Verlag)

Hoffnung auf ein anderes China

Gao in Chinas Hoffnung: „Im heutigen China, wo die Kräfte einer unzivilisierten Gesellschaft wild wuchern, ist es allgemeine Praxis, sich über das Schöne lustig zu machen und das Hässliche als schön darzustellen. Ein krankes China ist nicht bereit für das, was ich schreibe. Aber ich hoffe, dass ein anderes China bald entstehen wird.“

Wird der Anwalt die Methoden der KP-Machthaber überstehen? Er steht nicht allein mit seinen Hoffnungen. Und wer für China ähnliche Hoffnungen hegt wie er, findet in seinem Werk Fakten für eine eigene Einschätzung der Lage. Es wurde höchste Zeit für dieses rückhaltlose Buch.

Gao Zhisheng: Chinas Hoffnung. Mein Leben und Kampf als Anwalt im größten kommunistischen Staat

Agenda Verlag, Münster, 2008, 371 Seiten, ISBN 978-3-89688-355-1, 14,95 Euro

Zum Autor Dr. Thomas Weyrauch: Das Buch von Thomas Weyrauch „Gepeinigter Drache – Chinas Menschenrechte im Spätstadium der KP-Herrschaft“ stellten wir im Jahr 2005 vor. Weyrauch beobachtet seit seinem Aufenthalt in China 1989-1990 mit vertieftem Interesse die politische Entwicklung in dem Land, das ihm noch immer nahe steht. Seine erste Arbeit über die Menschenrechte in China schrieb der Jurist Weyrauch im Jahr 1983 und stellt heute fest, dass sich im Prinzip die Situation nicht geändert hat.



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