Hoher Funktionär für „Blaue Revolution“ in China

„Ich sage, was die Masse der Bevölkerung in China sagen möchte“
Titelbild
Wang Zhaojun (Foto: Wang Zhaojun)
Von 3. November 2007

„In der chinesischen Gesellschaft sind mehrere Bomben verborgen. Diese Aussage ist nicht übertrieben. Wenn man auch meint, dass manche Bomben erst nach dem Ablauf Ihrer zweiten Amtszeit losgehen werden, könnten manche jedoch sofort explodieren! Wir müssen uns mit diesen auseinandersetzen!“

Mit diesem Satz beginnt der offene Brief, den ein hoher chinesischer Funktionär, Wang Zhaojun, an Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao schrieb. Wang Zhaojun ist ein „Ständiges Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV*) der Provinz Anhui“. Der Brief wurde an jenem 22. Oktober dieses Jahres von Wang fertig geschrieben, an dem die Kommunistische Partei Chinas auf ihrem 17. Parteitag ihren engsten Führungszirkel für die nächsten fünf Jahre vorstellte und an dem Parteichef Hu und Ministerpräsident Wen in ihren Ämtern bestätigt wurden. Wang hat in seinem Brief auf die durch den 17. Parteitag festgelegte Politik verwiesen und bezeichnete seinen Brief als „Vorschläge für eine harmonische Gesellschaft“. Der Brief wurde auf Wunsch von Wang am 26. Oktober zunächst auf der Webseite der chinesischen Epoch Times veröffentlicht, die über das Internet auch chinesische Leser erreicht, wenn diese die Internetblockaden überwinden können.

Konkrete Schritte

In seinem mehrere Seiten langen Brief hat Wang diverse kritische Situationen der chinesischen Gesellschaft dargestellt, so etwa die Luftblase der chinesischen Börse und des Immobilienmarkts, die schwerwiegende Inflation und die von sozialen Ungerechtigkeiten verursachte Instabilität der chinesischen Gesellschaft. Darüber hinaus hat er die Rätsel des andauernden hohen Wachstums der chinesischen Wirtschaft, die Ohnmacht der völlig korrupten kommunistischen Regierung sowie das riesige gesellschaftliche Defizit systematisch analysiert.

Als Lösungen für die verschiedenen Probleme Chinas schlägt er als unabdingbare politische Voraussetzung vor – die demokratische konstitutionelle Regierungsform in China zu verwirklichen. „Das ist der unvermeidliche Weg des gegenwärtigen Chinas!“

Er hat unter anderem mehre konkrete Schritte der Reform vorgestellt: einen Mechanismus für offene Dialoge zwischen der Regierung und den Bürgern einzurichten, die Gewährung der Glaubensfreiheit und der Rede- und Meinungsfreiheit zu garantieren, sowie die Verstaatlichung der Armee durchzuführen, die bisher der KPCh unterstellt ist.

Sofortige Beendigung der Verfolgung von Falun Gong

Unter dem Aspekt der Glaubensfreiheit fordert er dringend auf, die Verfolgung von Falun Gong zu beenden. „Um die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei Chinas fortzusetzen, bezeichnete Deng Xiaopings Nachfolger, Jiang Zemin, nach dem 4. Juni-Massaker von 1989 alle Organisationen, die nicht zum System der Kommunistischen Partei gehören, als ‚Faktoren der Unstabilität’, die im Keim erstickt werden sollten. Deshalb hat er ‚Falun Gong’ – eine Vereinigung von besonderes Qigong übenden Bürgern – als Sündenbock genommen, um die anderen abzuschrecken. Das ist offensichtlich eine Unterdrückung, die nicht nur auf ‚Falun Gong’ ausgerichtet ist, sondern eine Verfolgung gegen das gesamte Volk! Daher muss die Verfolgung gegen ‚Falun Gong’ sofort beendet werden und der Staat soll den Opfern Schadensersatz leisten. … Die Initiatoren und die Entscheidungsträger für die Verfolgung sollen strafrechtlich verfolgt werden“, so Wang Zhaojun in seinem Brief. Wang wies im Interview mit der Epoch Times darauf hin, dass durch den offenen Brief des Menschenrechtsanwalts Gao Zhisheng seine Kenntnisse über die Verfolgung von Falun Gong vertieft wurden.

Wang ist der erste chinesische hohe Funktionär auf Provinzebene, der öffentlich die Beendigung der Verfolgung gefordert hat, seit sie im Jahr 1999 begann. „Der größte Vorteil dieses Briefes ist, dass er die Tabuzone um ‚Falun Gong’ durchbrochen hat“, sagte Wu Baozhang, der ehemalige Direktor der Chinaabteilung der Radio France International, gegenüber er Epoch Times.

„Ich sage nur, was die Bevölkerung eigentlich sagen möchte“

Solch ein offener Brief von einem Regierungsfunktionär ist für die chinesische Gesellschaft, die immer noch unter kommunistischer Alleinherrschaft steht und keine Meinungsfreiheit hat, auch wie eine Bombe. Er wurde schnell von anderen ausländischen chinesischsprachigen Medien veröffentlicht. Obwohl die meisten kritischen Medien von Übersee im Festland China blockiert sind, können viele Inlandchinesen mittels der sogenannten „kleinen Software“ die Internetblockade durchbrechen. Daher verbreitet sich der Brief auch sehr schnell im Festland Chinas.

Das Leben von Wang hat sich schlagartig verändert, weil sein Handy und Festnetztelefon ununterbrochen klingeln. „Die bisherigen Anrufe, SMS, Emails, sowohl aus Übersee als auch vom Inland, sind Unterstützungsstimmen. Dass diese Sache so schnell geht und eine so starke Reaktion auslöst, habe ich nicht erwartet. Viele Freunde haben meinen Brief in Foren und Blogs eingesetzt. Das alles freut mich sehr und ich bin dadurch auch sehr beruhigt, weil die wirkliche Wandlung Chinas im Inland statt im Ausland passieren muss“, sagte Wang fünf Tage nach der Veröffentlichung seines Briefes der Epoch Times.

Sorge um Wangs Sicherheit

Weil der Brief das Tabuthema Falun Gong, sowie andere sensiblen Themen, wie eine gesellschaftliche Revolution, die Verstaatlichung der Armee sowie die Wiederherstellung des Rufes der Studentenbewegung offen angesprochen hat, machen sich viele Chinesen Sorgen um seine Sicherheit. Es gab schon in Internetforen Gerüchte darüber, dass er verschwunden sei, nachdem manche Anrufer ihn nicht erreicht haben. Tatsächlich hat Wang jedoch nur in der Mittagspause und in der Nacht sein Handy und Festnetztelefon ausgeschaltet. Er braucht wegen der ständigen Anrufe auch einige Stunden um sich auszuruhen. Wang erklärte am 30. Oktober dem Leser, dass es ihm gut gehe. „Ich bin zuversichtlich, dass ich in Sicherheit bleiben werde“, sagt er der Epoch Times, denn alles was er gesagt hat, sei genau das, was die Masse der Bevölkerung in China sagen möchte.

„Wenn die Partei mich bekämpft, muss sie das ganze Volk bekämpfen. Ich finde es auch nichts Besonderes, ich habe schon alles Mögliche erlebt.“ Wang ist auch überzeugt, dass diese Sache innerhalb der nächsten zwei Monate immer heißer werden wird und immer mehr Menschen auftreten werden, um ihre Meinungen öffentlich auszusprechen. Gleichzeitig bestätigte er gegenüber der Epoch Times, dass viele unterstützende Anrufe von hohen Funktionären aus der Zentralregierung und Provinzregierung kommen. Sie gaben offen am Telefon ihre Namen und Positionen an. Durch seine langjährigen Arbeitserfahrungen bei der chinesischen Armee und in der politischen Konsultativkonferenz glaubt Wang, dass mindesten 90 Prozent der Parteimitglieder derselben Meinung sind wie er.

Offener Brief – der einzige Weg

Wang findet, dass ein offener Brief an die Führung der einzige Weg ist, um seine Meinung zu äußern. In der jetzigen politischen Situation Chinas könnte er nicht einmal an die Tür der Regierungsgebäude herankommen, wenn er den Brief für Hu und Wen abgeben wollte. Ein offener Brief kann auf jeden Fall auf die Regierung Druck ausüben. Er ist sicher, dass der Brief in den Händen von Hu und Wen landen wird.

Der originale Brief von Wang ist schon der Politischen Konsultativkonferenz der Provinz Anhui zugegangen. „Nach meiner Erfahrung bei der Konsultativkonferenz werden die Beamten bestimmt meinen Brief nach oben weiterleiten. Mindestens werden sie ihn an Jia Qinglin weiterreichen. Ich denke, dass Jia auch nicht wagt, ihn unter den Teppich zu kehren.“ Jia Qinglin ist der Vorsitzende der Nationalen Politischen Konsultativkonferenz.

Die beste Chance für Hu und Wen

Die Zeit unmittelbar nach dem 17. Parteitag hielt Wang für den besten Zeitpunkt, diesen Brief zu veröffentlichen. Es sei die beste Chance, die er Hu und Wen empfehlen kann, nämlich den demokratischen und konstitutionellen Weg zu gehen, um das Leid des chinesischen Volkes zu beenden. Diese Reform werde friedlich und rational sein. „Egal wie der 17. Parteitag propagiert wird, es ist der gesamten Führung auch unausgesprochen klar, wie unzufrieden die Bevölkerung ist. Wenn sie beginnen, in den ersten Schritt der politischen Reform einzutreten, werden sie sofort von den Massen unterstützt. Diese Kräfte sind riesig, aber die gesamte Gesellschaft wird trotzdem stabil bleiben, weil der Schritt dem Willen des Volkes entspricht. Trotz der Reform wird die gesamte Gesellschaft ihre Ordnung behalten und wird harmonisch“. Wang ist optimistisch.

Chinas Blaue Revolution

Als ein weiteres sensibelstes Thema sieht Wang in seinem offenen Brief den Aufruf zum Versenden von SMS an. Er meint, die Masse der Bevölkerung in China sollte nicht mehr ihr eigenes Leben opfern, um für ihre Rechte zu kämpfen. Was Jeder tun soll, ist, eine eigene Stellungnahme abzugeben. „Wir sollten unseren gemeinsamen Wunsch und unsere gemeinsamen Aufforderungen mit felsenfestem Willen ununterbrochen weit verbreiten. Das ist auch nach dem chinesischen Gesetz erlaubt.“

Wang ist der Meinung, dass die frühzeitige Stellungnahme von jedem Einzelnen die beste Methode ist, um eine blutige Niederschlagung zu vermeiden. Die brutale Niederschlagung des Protestes in Birma hat ihm klar gemacht, dass die Methode von Protestaufzügen zur Vergangenheit gehört – „Wir sollen dem diktatorischen Regime keine Ausrede schaffen, das Feuer zu eröffnen, uns zu verbieten und niederzuschlagen.“

Ganz konkret schlägt er in seinem offenen Brief folgende Texte vor, die jeder per SMS an seine Familienangehörigen, Freunde und Bekannte senden kann:

„Wenn Sie weitere Informationen bekommen möchten, können Sie auf eine ganz einfache Weise die chinesischsprachige Webseite, zum Beispiel Dongtaiwang in Übersee, besuchen. Dort können Sie sofort die neueste Version der Software kostenlos herunterladen, mit der Sie die Internet-Blockade durchbrechen können.“

“Wünschen Sie ein besseres Leben?
Schmücken Sie Ihre Kleidung mit blauer Farbe.
Wünschen Sie mehr Freunde und Freundschaft?
Schmücken Sie Ihr Auto, Ihr Haus mit blauer Farbe.

Senden Sie bitte diese SMS an Ihre Freunde,
lassen Sie Ihre Familienangehörigen, Freunde und Bekannten
sich alle mit blauer Farbe schmücken!

Die Preise sind wieder gestiegen,
fühlen Sie sich unter Druck?
Ungerechtigkeit, Unfairness,
leiden Sie darunter?
Schmücken Sie Ihre Kleidung, Ihr Haus mit blauer Farbe,
Senden Sie bitte diese SMS an Ihre Familienangehörigen, Freunde und Bekannten,
alles wird sich ändern,
eine schöne Welt kommt!

Liebe Freunde,
sind Sie unzufrieden mit der Realität?
Fordern Sie zu Reformen auf?
Schmücken Sie Ihre Kleidung, Ihr Haus, Ihre Autos mit blauer Farbe.
Senden Sie bitte diese SMS an Ihre Familienangehörigen, Freunde und Bekannten,
lassen Sie uns alles mit blauer Farbe schmücken,
die Kräfte sind unheimlich stark.

Der Strom verbindet uns miteinander,
Unsere Herzen mauern sich zusammen zur neuen Großen Mauer,
wir brauchen Menschenrechte, wir brauchen Selbstbestimmung!
Schmücken wir unsere Kleidung, unsere Häuser und unsere Autos mit blauer Farbe,
Wir sind die absolute Mehrheit! Absolut!
Blau, blau, blau!“

In den chinesischen Medien und in der Online-Welt wird dieser Aufruf von Wang als „Chinas Blaue Revolution“ bezeichnet.

Wang Zhaojun: Hintergrund

Wang Zhaojun machte seinen Hochschulabschluss 1982 an der Pekinger Hochschule für Elektrotechnik. 1983 gründete er ein Unternehmen in der Provinz Anhui, das Brot herstellte. Weitere Firmengründungen folgten im Nahrungsmittelbereich, ausgezeichnet mit einer Goldmedaille 1988 bei der First China Food Expo.

Er gründete außerdem das Zhaojun Light Industry Research Institute, das später zur Anhui Guobao Group Co. wurde. Als Vorstandsvorsitzender der Firma wurde er gewählt zum Ständigen Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes der Provinz Anhui.

Im Jahr 2002 wurde er zum herausragenden Privat-Unternehmer im Bereich Technologie gewählt von der National Industrial and Commercial Federation.

* Die PKKCV ist eine Organisation der patriotischen Einheitsfront unter der Führung der KP Chinas, sie ist ein beratendes Gremium im Staatsapparat. Dieses Organ besteht sowohl aus Mitgliedern der Kommunistischen Partei Chinas wie aus Nichtparteimitgliedern oder Mitgliedern anderer sogenannter Parteien. Zu beachten ist jedoch, dass de facto alle Delegierten von der Kommunistischen Partei Chinas bestimmt werden.



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