Kehrt, Marsch! Chinas Abkehr von der Ein-Kind-Politik verläuft chaotisch

Drei Jahrzehnte Ein-Kind-Politik haben fatale menschliche und demografische Folgen gehabt. Angesischts zunehmender Überalterung Chinas schwenkt die Bevölkerungspolitik in China um.
Titelbild
Kindergartenkinder in China.Foto: JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images
Epoch Times23. August 2018

In den letzten drei Jahrzehnten hat Chinas Regime mit seiner „Familienplanung“ versucht, das Bevölkerungswachstum zu kontrollieren. Vor allem die Ein-Kind-Politik hat das Leben vieler Familien ruiniert und Millionen schwangere Frauen gezwungen, Abtreibungen vorzunehmen oder hohe Strafen für mehr als ein Kind zu zahlen.

Die staatlichen „Familienplanungsämter“ entscheiden, wie viele Kinder eine Familie haben darf, je nachdem ob sie auf dem Land leben, wo mehr Arbeit für eine Familie nötig ist oder in der Stadt, wo die meisten Paare nur ein Kind versorgen können.

Aber nach drei Jahrzehnten haben die Auswirkungen der Ein-Kind-Politik die demografische Entwicklung der chinesischen Bevölkerung so verzerrt, dass das Regime nun den Kurs umgekehrt hat. Vor kurzem testeten staatliche Stellen die Stimmung, indem sie einige Medien über Vorschläge berichten ließen, wie man Paare dazu bewegen kann, mehr Kinder zu bekommen.

Versuchsballon

Am 14. August veröffentlichte Xinhua Daily, eine staatliche Zeitung, in der Provinz Jiangsu, einen Artikel mit dem Titel „Die Fruchtbarkeit erhöhen! Eine neue Aufgabe bei Chinas demografischer Entwicklung in der Neuen Ära.“ In dem Artikel wurde die Einrichtung eines nationalen „Geburtenfonds“ vorgeschlagen.

Der Geburtenfonds würde alle arbeitenden chinesischen Bürger unter 40 Jahren, unabhängig vom Geschlecht, dazu verpflichten, einen bestimmten Teil ihres Gehalts an diesen Fonds zu überweisen. Dieser Fonds soll dazu dienen, Geld für die Kosten eines weiteren Kindes anzusparen. Wenn Familien ein zweites Kind bekommen (oder mehr Kinder, wenn der Staat es erlaubt), können sie beantragen, Geld aus diesem Fonds abzuheben. Paare, die kein zweites Kind bekommen, könnten das Geld erst bei ihrer Pensionierung abheben.

Zwei Tage später sprach sich Hu Jiye, Professor an der renommierten chinesischen Universität für Politikwissenschaft und Recht in Peking, in einem Interview für den Vorschlag des Geburtsfonds aus. Er schlug auch vor, dass die Regierung zusätzliche Steuern auf DINK-Familien (Doppelverdiener, kein Kind) erheben sollte, um die Bürger davon abzuhalten, keine Kinder zu bekommen.

Beide Vorschläge führten sofort zu Kritik und heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit

Viele Diskussionsteilnehmer aus dem Internet beklagten sich darüber, dass das Regime einerseits überall Geld von den Menschen einsammeln will und dann auch noch gleichzeitig die Kontrolle über die Körper und die Familiengröße der Bürger ausübt. Einige wiesen auf den großen Widerspruch hin, dass erst über Jahre die Familien gezwungen wurden, nur ein Kind in die Welt zu setzen und die Frauen zwangsweise abtreiben mussten, und jetzt Abgaben dafür erhoben werden sollen, wenn die Familien nicht „genug“ Kinder bekommen.

„Sie werden für die Geburt von Kindern bestraft, und Sie müssen bezahlen, wenn Sie es nicht tun, ich weiß nicht, wie man diese Multiple-Choice-Frage beantworten soll“, schrieb ein populärer Kommentar online und bezog sich damit auf die widersprüchliche Politik des Regimes.

Zunehmende Überalterung der Bevölkerung

Das Durchschnittsalter in China geht schnell in die Höhe. Ende 2017 gab es, laut dem nationalen Büro für Statistik, 241 Millionen Personen, die über 60 Jahre alt waren. Das entspricht 17,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Laut Wu Yuzhao, dem stellvertretenden Direktor des Nationalen Komitees für Senioren, wird die Zahl der älteren Menschen bis 2050 auf 487 Millionen ansteigen, was 34,9 Prozent der prognostizierten Gesamtbevölkerung entspricht.

Allerdings fehlen in China schon jetzt die finanziellen Mittel, um alle Renten zu zahlen. Viele Provinzen sind hoch verschuldet, was die Zentralregierung dazu zwang, bei den Rentenzahlungen die lokalen Defizite auszugleichen.

Als Folge der langanhaltenden Ein-Kind-Politik fehlen zunehmend Personen im arbeitsfähigen Alter. Das führt nicht nur zu nicht besetzten Arbeitsplätzen, sondern bremst auch das nötige Wirtschaftswachstum aus. Außerdem bedeuten weniger Erwerbstätige auch geringere Summen für die Sozialkassen, aus denen die Rente gezahlt wird.

Regierung plant Gegenmaßnahmen

Aus Angst vor einer drohenden demografischen Krise beschloss das Regime 2016, seine Ein-Kind-Politik abzuschaffen und allen Paaren die Möglichkeit zu geben, zwei Kinder zu bekommen.

Aber steigende Lebenshaltungskosten, von der Miete bis zur Säuglingsnahrung, sowie Faktoren wie die kostspielige Ausbildung und der Druck, dem schwangere Frauen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, machen es für viele chinesische Paare zu schwer noch ein zweites Kind großzuziehen. Viele junge Paare lehnen es deswegen ab, ein zweites Kind zu bekommen und einige Paare wollen gar keinen Nachwuchs haben.

Die Aufhebung der „Ein-Kind-Politik“ zeigte bisher keine Wirkung, im Gegenteil: Die Geburtenrate in China sank von 17,86 Millionen im Jahr 2016 auf 17,23 Millionen im Jahr 2017, so die Nationale Kommission für Gesundheit und Familienplanung.

Die Bemühungen der Regierung, die Geburtenrate im Land durch Maßnahmen wie Zuzahlungen oder erweiterte Schwangerschafts- und Elternzeiten anzuheben, zeigen bisher keine sichtbaren Erfolge.

Im ersten Halbjahr 2018 sank die Zahl der Neugeborenen in China im Vergleich zum Vorjahr um 15 bis 20 Prozent. Insgesamt werden für 2018 also noch weniger Geburten erwartet als 2017, so die offizielle Zeitung der Provinz Jiangsu, Xinhua Daily. Auch die Zahl der Eheschließungen ist im Jahr 2017 um 7 Prozent zurückgegangen und damit das vierte Jahr in Folge rückläufig.

In den Provinzen tun die lokalen Parteifürsten, was ihnen beliebt

Während die Zentralregierung alle Hebel in Bewegung setzt, um einen Babyboom auszulösen, werden viele Maßnahmen der Ein-Kind-Politik in einigen Regionen immer noch durchgeführt.

Während viele Provinzen Maßnahmen eingeführt haben, um Paare dazu zu ermutigen, mehr Kinder zu bekommen, ist das nationale System der Geldstrafen für Familien, die mehr Kinder zur Welt gebracht haben, als unter der Ein-Kind-Politik erlaubt waren, immer noch wirksam und wurde in einigen Regionen sogar erst kürzlich eingeführt.

So startete der Bezirk Zhecheng in der Provinz Henan in Zentralchina am 5. Juli 2018 eine neue Kampagne, um von Familien mit mehr als der erlaubten Anzahl von zwei Kindern spezielle Sozialabgaben zu erheben. Die einmaligen Gebühren sind auf das Dreifache des Bruttoeinkommens des Paares im Jahr vor der Geburt des Kindes festgesetzt.

Am 6. August veröffentlichte das Komitee „geplante Geburt“ in der Provinz Fujian im Südosten Chinas eine Mitteilung, in der es bekannt gab, dass eine Untergemeinde von Fuzhou City die Durchsetzung der „geplanten Geburtsregeln“ verstärkt hat. Personen, die nach zwei Mahnungen die geschuldeten Gebühren nicht bezahlen, werden auf eine „schwarze Liste für persönliche Sozialpunkte“ gesetzt.

Das chinesische Sozialpunktesystem wird als weitere Form der sozialen Kontrolle eingeführt. Alle Bürger erhalten eine Punktzahl, die sich nach ihrer „Zuverlässigkeit“ richtet. Personen, die Verstöße im täglichen Leben begehen, werden mit Reiseverboten sowie Einschränkungen beim Einkaufen, bei Kreditanträgen und bei der Einschulung von Kindern bestraft.

Das Original erschien in The Epoch Times (USA) (deutsche Bearbeitung von al)

Originalartikel: Faced With Population Crisis, China Proposes New Measures to Push Families Into Having More Children



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