US-Anwalt: „China ist ein riesiges schwarzes Gefängnis“

Von 16. August 2021

Warren Rothman, ein Anwalt aus den USA, war in den frühen 2000er Jahren für große amerikanische und europäische Anwaltskanzleien in China tätig. Er liebt das Land. Doch was ihm dort 2008 widerfahren ist, macht sprachlos.

Er wurde in mehreren sogenannten „schwarzen Gefängnissen“ festgehalten und gefoltert – danach verließ er das Land. Diese Erfahrung bewegte ihn dazu, andere vor einer Reise in das heutige kommunistische China zu warnen. Rothman hat seine Geschichte in einer zweiteiligen Buchreihe niedergeschrieben, deren Teile jeweils 2016 und 2019 herausgegeben wurden. Wie es zu seiner Entführung kam, erzählte er kürzlich in einem Interview mit Epoch Times.

Die Liebe zu China

Schon während seiner Studentenzeit in Yale entdeckte er seine Liebe zur chinesischen Geschichte und Sprache – als einer von wenigen Studenten lernte er in den 1960er-Jahren Mandarin und sprach es fließend. 2000 zog er nach Peking, arbeitete später in Shanghai und genoss die Zusammenarbeit mit seinen chinesischen Kollegen und die Freizeit mit deren Familien und gemeinsamen Freunden. 

In den frühen 2000er Jahren gab es eine gewisse Hoffnung, dass China sich der Idee eines regelbasierten Systems annähern würde. Rothman teilte diese Hoffnung damals nicht und war überrascht, dass die Welthandelsorganisation 2001 China die Mitgliedschaft gewährte, wobei es praktisch keine Zugeständnisse machen musste. „Es war einfach ein Geschenk der US-Regierung, man könnte sagen, ein sehr schlechtes Geschenk.“

Seine Geschäfte liefen gut und er setzte viel Vertrauen in seine Mitarbeiter, vor allem in Herrn „Q“ – wie er seinen Anwaltsgehilfen im Interview nennt. Rothman beschreibt Q als einen klugen jungen Mann mit großer Zukunft. Im Mai 2008 kam es aber zu einem Bruch zwischen den beiden. „Wir saßen in diesem Restaurant und plötzlich sagte er: ‚Warren, stell dir vor! Ich habe den Deal durchgekriegt. Wir haben sie bestochen.‘“ Sein Anwaltsgehilfe platzte damit heraus, dass er Bestechungsgeld in Höhe von 3 Millionen US-Dollar arrangiert hatte, um ein Geschäft für ein amerikanisches Unternehmen abzuschließen.

Rothman war schockiert, denn er hielt den jungen Mann für jemanden, der für eine bessere Zukunft Chinas einstehen würde – jemanden, der die westliche und chinesische Kultur versteht und schätzt. Nach dem Vorfall hatte er Q über eine Stunde lang Vorhaltungen gemacht. „Und ich sagte ihm, das sei das Widerlichste, was ich je gehört hätte.“ Es sei nicht die Art und Weise, wie sich China entwickeln sollte, man könne nicht von Bestechung leben, waren seine Worte ihm gegenüber. Q konnte ihn nicht richtig anschauen. Die Arbeitskollegen verließen getrennt das Restaurant.

Rothman flog in die USA und kehrte erst fünf Monate später zurück – nach dem Ende der Olympischen Spiele. Das war die Zeit der weltweiten großen Finanzkrise, die sich auch in China zeigte.

Entführt und gefoltert

Als er im Oktober 2008 nach einem Morgenspaziergang zurückkehrte, fand er seine Wohnung verwüstet vor. „Überall lagen Papiere herum, Akten, Bücher, CDs, DVDs. Ich saß eine Weile da und versuchte herauszufinden, was hier los ist.“ Verängstigt begann er, eine Tasche zu packen, während er über seine Möglichkeiten nachdachte. 

Plötzlich tauchte seine Haushälterin auf und bemerkte die gepackte Tasche. Sie inspizierte alles, war aber kein bisschen davon überrascht, wie die Wohnung aussah.

Am Abend – Rothman hatte sich noch nicht entschieden, was er als Nächstes tun sollte – standen zwölf Schläger vor seiner Tür. Am nächsten Tag tauchte eine weitere Gruppe von 15 Schlägern auf. Rothman hatte große Angst. Er wusste nicht, was passiert war. Aber ihm war bewusst, dass es in China ein Umfeld für Terror gab.

Seine Angst wurde bestätigt, als sein Anwaltsgehilfe Q nur wenige Tage nach der Verwüstung seiner Wohnung mit vier Schlägern auftauchte und ihn zum Aufzug zerrte. Er wurde in einen weißen Lieferwagen ohne Kennzeichen gesetzt und stundenlang herumgefahren, bis es schließlich Nacht wurde. 

Der Anwalt wurde in ein „schwarzes Vier-Sterne-Gefängnis“ gebracht, wie er das Hotel nennt, in dem er zunächst festgehalten wurde. Sein Hotelzimmer, die Gäste, das Personal: Wie man es von einem Vier-Sterne-Hotel erwartet, erinnert er sich. „Dies ist das erste von vier schwarzen Gefängnissen, die ich sehen durfte.“ Er musste vorerst im Hotelzimmer bleiben.

Überall schwarze Gefängnisse

Schwarze Gefängnisse gibt es buchstäblich überall in China. Sie können jede beliebige Form und Gestalt haben. Sie können sich in einem Keller oder Hotel oder hinter einem echten Gefängnis befinden. Doch allen gemeinsam ist: Ihre Existenz ist geheim.

In ihnen werden Falun-Gong-Mitglieder und andere religiöse Gruppen, wie tibetische Buddhisten und uigurische Muslime festgehalten, oder „ich, Warren Rothman, ein amerikanischer Staatsbürger“, sagt der Anwalt. Die Gefangenen werden misshandelt, ohne dass die Täter rechtliche Konsequenzen befürchten müssen. Es gibt weder offizielle Dokumente noch Aufzeichnungen darüber, was dort mit den Häftlingen passiert.

Die Verfolgung von Falun Gong, einer spirituellen Praxis aus China, umfasste schon damals illegale Organentnahmen, die Rothman „Organplünderung“ nennt – doch dies war niemandem bekannt. Die Organe wurden auf dem Transplantationsmarkt für viel Geld verkauft. „Ich meine, Dr. Mengele hätte sich so etwas nie träumen lassen“, sagte Rothman im Interview in Anspielung auf Josef Mengele, dem berüchtigten NS-Arzt – auch als „Todesengel“ bekannt –, der Experimente an Häftlingen in Konzentrationslagern vorgenommen hatte. Im kommunistischen China sei das jedoch die Realität, betont Rothman.

„Im wahren Leben ist die chinesische Gesellschaft auf Terror aufgebaut. Das Land ist wie ein riesiges schwarzes Gefängnis“, so Rothmann. Selbst ein Mann mit ausländischem Pass und Visum könne dort hineinkommen und nie mehr wieder herauskommen.

Schon bald wurde Rothmann in ein anderes schwarzes Gefängnis verlegt – einen Raum hinter einer Arztpraxis in einem heruntergekommenen Einkaufszentrum. Danach kam er in eine Einrichtung, die einen Krankenhausbereich hatte. Dort wurde er für mindestens sieben Stunden an einen Stuhl gefesselt und gefoltert.

„Sie traten und schlugen auf mich ein, auf meine Beine, meinen Rücken und meine Arme“, erinnert sich Rothman. Er bekam Dreck in den Mund gestopft. 

„Zu diesem Zeitpunkt dachte ich wirklich, dass ich auf der Stelle sterben würde. Ich habe es nicht akzeptiert, aber ich dachte, das war’s. Ich hörte, wie sich die Wärter über mich lustig machten, weil ich hustete und den Dreck ausspuckte.“

Sie schleiften ihn anschließend in den Krankenhausbereich, wo er weiter gefoltert wurde. „Die Ärzte und Krankenschwestern haben dem keine Beachtung geschenkt“, so der Anwalt.

Sie fesselten ihn an ein Krankenbett und eine Krankenschwester gab ihm eine Spritze – mit einer unbekannten Substanz. Er hatte Angst, die nächste Spritze würde tödlich sein. Danach musste er eine Handvoll Pillen schlucken – was das war, wusste er nicht.

Es folgten „endlose Gespräche“ mit dem medizinischen Personal, in denen sie ihn über seine psychische Verfassung und Gedanken ausfragten. „Am zehnten Tag durfte ich endlich gehen. Aber bis dahin wusste ich überhaupt nicht, ob ich tatsächlich irgendwann gehen würde“, sagte er.

Kafka in China

Erst im Nachhinein wurde Rothman klar, dass seine Kritik an der Bestechungsaffäre zu seiner Entführung und Misshandlung geführt haben könnte. „Ich hatte keine direkten Beweise. Alles, was ich hatte, waren meine Erlebnisse“, sagte Rothman. „Ansonsten hatte ich aber keine anderen Feinde in Shanghai.“

Das Konsulat der USA konnte ihm auch nicht weiterhelfen, als er direkt nach der Verwüstung seiner Wohnung dort angerufen hatte. Menschen aus Ländern wie Australien, Japan oder den Vereinigten Staaten werden immer wieder Opfer der „Geiseldiplomatie“ des chinesischen Regimes.

In den aktuellen Reisehinweisen des US-Außenministeriums zu China werden US-Bürger davor gewarnt, dass Peking „lokale Gesetze willkürlich durchsetzt“ und dass sie bei Reisen „ohne ordentliches Gerichtsverfahren“ inhaftiert werden könnten. 

Konkret heißt es dort, dass das chinesische Regime willkürliche Verhaftungen einsetzt, um „Druck auf ausländische Regierungen auszuüben“. „Das kommunistische China ist im Grunde ein kriminelles Regime. Es funktioniert durch Verbrechen“, sagte Rothman weiter in dem Interview.

In seinem 2016 erschienen Buch namens „Kafka in China: The People’s Republic of Corruption“ (zu Deutsch: Kafka in China: Die Volksrepublik der Korruption) beschreibt er seine Erfahrungen als Anwalt in China, einschließlich seiner Entführung und Folter in den schwarzen Gefängnissen. Mit dem Titel seines Buches nimmt Rothman auf den jüdischen Schriftsteller Franz Kafka Bezug, in dessen Werken es oft um die Entfremdung der Gesellschaft geht.

China sei ein Land, das nicht auf Gesetzen aufgebaut sei, sagt Rothman, sondern auf Willkür und Eigenmächtigkeit. Im Grunde genommen werde es von den Befehlen der chinesischen kommunistischen Partei regiert.

„Ich möchte die Menschen warnen. Ich möchte, dass sie dieses Buch lesen und Chinas Realität aus der Sicht von jemandem sehen, der dort einige der schlimmsten Situationen durchlebt hat.“

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 5 – 14. August 2021.



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