Als Spazierengehen noch etwas Fremdes war

Mit Friedrich Ludwig von Sckell (1750 - 1823) ist die „klassische Phase“ des englischen Landschaftsgartens in Deutschland verbunden. Der Gartengestalter war im 19. Jahrhundert für Generationen von Gartenkünstlern prägend – eines seiner Werke ist der Englische Garten in München.
Titelbild
Ein „begehbares Landschaftsgemälde“ von Friedrich Ludwig Sckell: Der Englische Garten in München gehört zu den größten städtischen Parkanlagen der Welt. Foto iStock
Von 8. März 2023

200 Jahre ist es her, seit Friedrich Ludwig von Sckell am 24. Februar 1823 in München die Welt verließ. Wer ist dieser Mann, der 15 Jahre vor seinem Tod – mit 58 Jahren – in den Adelsstand erhoben wurde? Nur ein Jahr nach dem berühmten Dichter Johann Wolfgang von Goethe geboren, hat Sckell am 13. September 1750 in Weilburg an der Lahn das Licht der Welt erblickt. Während Goethe für die meisten Menschen eine nicht weg zu denkende Persönlichkeit darstellt, fällt der Name Friedrich Ludwig von Sckell recht selten.

So könnte es vorkommen, dass ein Besucher des Englischen Gartens in München sich nichts ahnend vor dem Sckell-Denkmal am Kleinhesseloher See verabredet. Wenn er den Obelisken jedoch näher betrachtet, fallen ihm schließlich die in den Sockel eingravierten Worte „Dem sinnigen Meister schoener Gartenkunst …“ ins Auge. Wer weiterliest, erkennt, dass er mit Friedrich Ludwig von Sckell den Gestalter des Englischen Gartens vor sich hat.

Mit der Platzierung des Denkmals wollte der bayerische König Maximilian I. Joseph seinem geschätzten Hofgartenintendanten nach seinem Tod gebührenden Respekt zollen. Ihm waren bis zu seinem Lebensende sämtliche Gärten des Königs unterstellt.

Gartenarchitekt und Stadtplaner Friedrich Ludwig Sckell. Foto: public domain

In der Tat handelt es sich bei Friedrich Ludwig von Sckell um einen der berühmtesten deutschen Garten- und Landschaftskünstler des 18. bis 19. Jahrhunderts. Er gilt als Begründer der „klassischen Phase“ des englischen Landschaftsgartens in Deutschland. Zudem übernahm er in München ab 1804 das Amt des kurfürstlich-bayerischen Hofintendanten. Somit ist er also keineswegs ein Unbekannter.

Wie Kunsthistorikerin Professorin Dr. Iris Lauterbach im Gespräch gegenüber der Epoch Times sagt, „kommt man um ihn nicht herum“ – zumindest in Kreisen des Gartenwesens. Iris Lauterbach, die in Gartenkunst promovierte, hat sich viele Jahre mit dem Wirken des Künstlers beschäftigt.

Sckells Visionen des „begehbaren Landschaftsgemäldes“

Sckells Berufung zeigt sich bereits in jungen Lebensjahren. Hineingeboren in eine Gärtner- und Malerfamilie, erhält er zunächst eine gärtnerische Ausbildung bei seinem Vater in der kurpfälzischen Hofgärtnerei zu Schwetzingen. Später vertieft er sein Wissen auf mehrjährigen Ausbildungsreisen. Zuerst in Frankreich, wo er die botanischen Gärten in Paris und Versailles studiert. Danach in England, wo der damals 23-Jährige sich intensiv mit modernen Landschaftsgärten beschäftigt.

Im Laufe der Zeit entwickelt er schließlich eine individuelle Auffassung von Schönheit, die von seiner Vorstellung von Naturnachahmung und Harmonie geprägt ist. In der Form von klassisch schönen „Landschaftsgemälden“ entwirft Sckell Gärten und Parks, die sich durch große Dimensionen, ausgefeilte räumliche Gestaltungen und einen respektvollen Umgang mit dem Vorhandenen auszeichnen.

Dabei verlässt er die „symmetrische Gartenkunst“ des Barock. In seinen Gärten inszeniert er eine zufällig wirkende Natur aus Bachläufen und Teichen sowie ebenso „natürlich“ wirkende, aber künstlich gestaltete Gehölz- und Wiesenränder.

Wie die Gartenkennerin erklärt, legte Sckell besonderen Wert auf die Wegeführung in seinen Landschaftsgärten. Die angelegten Wege würden den Spaziergänger nämlich „von einem Bild zum nächsten leiten“: „Die Gehölze sind im Landschaftsgarten das Wichtigste – ihre Farbwerte, Blattformen und Wuchsformen.“

So sollten diese das ganze Jahr einen schönen Eindruck machen: „Ein Gartenkünstler muss auf lange Sicht über jahrzehntelang konzipieren, wie ein Garten in Zukunft aussehen wird, wenn man an diese oder jene Stelle bestimmte Bäume pflanzt.“ Sckell sei dies optimal gelungen, meint Iris Lauterbach, Honorarprofessorin an der Technischen Universität München.

Kunsthistorikerin Dr. Iris Lauterbach. Foto: privat

Als im Jahr 1777 Karl Theodor das Amt zum Kurfürsten von Bayern übernommen und seine Residenz nach München verlegt hat, ist Sckell in den 80er- und 90er-Jahren für den Kurfürsten von Bayern, für die Wittelsbacher und für Privatpersonen tätig. Rund 40 Gärten und Parks, vorrangig im südwestdeutschen und süddeutschen Raum, gehen im Laufe seines Lebens auf ihn zurück – darunter die Schlossgärten in Schwetzingen, Heidelberg, Weinheim und Aschaffenburg.

Der Englische Garten als Reaktion auf die Französische Revolution

Die zwei bekanntesten Projekte Sckells bestehen zweifelsohne in der Umgestaltung des Nymphenburger Parks und – wie bereits erwähnt – der Erstellung des Englischen Gartens in München.

Letzterer nimmt seine Anfänge im Jahr 1789, als in Frankreich die Französische Revolution ausbrach. Vier Wochen nach dem Sturm auf die Bastille befielt Kurfürst Karl Theodor die Anlage eines „allgemeinen englischen Gartens“ in München. Sein Ziel bestand darin, mit dem „Volksgarten“ den Münchner Bürgern einen Erholungsraum zu schaffen.

Sogenannte „Militärgärten“ waren kurz zuvor in Mode gekommen. So stellten diese im späten 18. Jahrhundert ein beliebtes Mittel dar, mit dem die Fürsten die Versorgung ihrer Truppen in Friedenszeiten verbessern wollten. Das war die Geburtsstunde des Englischen Gartens.

„Spazierengehen war der Stadtbevölkerung fremd“

Wie Iris Lauterbach beschreibt, hätten die Bürger Münchens zu Beginn noch nicht viel Verständnis dafür gehabt, was ein Landschaftsgarten sei. Zudem sei Spazierengehen für sie fremd gewesen. „Das war eine Tätigkeit für die Stadtbevölkerung, die ziemlich neu war, denn es gab zuvor auch nur wenige Orte, wo sie einfach spazieren gehen konnten“, so die 64-Jährige, die selbst auch in München lebt.

Der Plan des Englischen Gartens in München. Foto: Franz Schiermeier Verlag München

Der Garten vor den Toren Münchens – am Westufer der Isar – wurde ganz in dem damals modernen englischen, naturnahen Stil geplant. Denn Gartenarchitekt Friedrich Ludwig von Sckell wurde bereits in der Planungsphase als Berater engagiert. Zehn Jahre später, als Maximilian I. Joseph im Jahr 1799 zum Kurfürsten ernannt wurde, berief er Sckell zum Intendanten der kurfürstlichen (seit 1806: königlichen) Gärten zu München.

Der Englische Garten ist nicht nur der größte Park in München, er gehört auch zu den größten Parks weltweit. Mit einer Fläche von 384 Hektar ist er größer als der Central Park in New York. Rund 150 Hektar des Parks entfallen auf Gehölz-, 187 Hektar auf Wiesen- und 16 Hektar auf Wasserflächen. Das Wegenetz umfasst zudem eine Länge von 78 Kilometer (davon circa 12 Kilometer Reitwege).

Das größte dort befindliche Gewässer ist der Kleinhesseloher See mit einer Fläche von rund 8 Hektar und die Länge der Bäche beträgt rund 15 Kilometer. Um das Ganze abzurunden, befinden sich über 100 Brücken und Stege im Englischen Garten.

Da die Münchner Stadtbevölkerung anfangs nicht viel mit dem Englischen Garten als Erholungspark anfangen konnte, sei laut Lauterbach der erste Attraktionspunkt der chinesische Turm mit seinem Biergarten gewesen. Dort seien die Leute erst mal „hin gepilgert“.

Sckell sei dagegen kein großer Fan von Gartengebäuden gewesen, den chinesischen Turm hätte er am liebsten abreißen lassen, so die Kunsthistorikerin. Diesen habe der damalige Bauleiter, als Sckell noch in Schwetzingen gelebt hatte, während seiner Abwesenheit einfach errichten lassen. Mit Sckells Visionen eines Landschaftsgemäldes habe dies aber nichts zu tun gehabt.

Friedrich Ludwig Sckells Planung für die Nachwelt

Noch heute zeigen uns die im 18. und 19. Jahrhundert entstandene Werke Friedrich Ludwig Sckells, wie vorausschauend und respektvoll er mit vorhandenem Bestand umging. Erst nach seinem Tod haben sich die gestalterischen Qualitäten seiner Gartenkunstwerke vollständig entfaltet – bedingt durch das langsame Wachstum der Bäume.

„Sckell war der erste erfahrene Gartenkünstler, der ein dickes Buch zur Anlage und Gestaltung von Gärten auf Deutsch geschrieben hat“, so die Kunsthistorikerin. Er habe jungen Gartenkünstlern damals und für die Nachwelt auf diese Weise vermitteln wollen, was er im Ausland und in der Praxis gelernt hat.

Wie gut es Sckell gelungen ist, die „schöne Natur“ vor den Toren der Stadt für die Bevölkerung zugänglich zu machen, ist auch heute noch nachzuvollziehen. Mittlerweile stellt der Englische Garten einen der beliebtesten öffentlichen Freiräume Münchens dar, in dem sich nicht nur Münchner, sondern Menschen aus aller Welt treffen. Auch in Corona-Zeiten ist bei vielen Menschen der Wert des Parks noch einmal gestiegen. Spazierengehen und Erholung in der freien Natur hat den Weg in den Alltag gefunden.



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