Ein Lied geht um die Welt – „Stille Nacht, heilige Nacht“

Im Laufe der Geschichte sind unzählige Weihnachtslieder komponiert worden und viele davon sind schnell in Vergessenheit geraten – „Stille Nacht, heilige Nacht“ nicht. Doch wie ist das weltberühmte Lied entstanden?
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Foto: istockphoto
Von 24. Dezember 2021
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Es wurde in mindestens 300 Sprachen übersetzt, von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt und in Dutzenden verschiedenen Musikstilen arrangiert. So ist „Stille Nacht, heilige Nacht“ ein fester Bestandteil der weihnachtlichen Klanglandschaft.

Der Ursprung des Weihnachtsliedes ist ein kleines Alpenstädtchen in Österreich.

Die Folgen von Krieg und Hungersnot

Der Text des Liedes wurde kurz nach dem Ende der napoleonischen Kriege von einem jungen österreichischen Priester namens Joseph Mohr geschrieben.

Diese undatierte Partitur von Joseph Mohr mit dem Titel „Weynachts Lied“ ist die früheste bekannte erhaltene Abschrift von „Stille Nacht“. Salzburg Museum. Foto: Public Domain

Im Herbst 1816 befand sich Mohrs Gemeinde in der Stadt Mariapfarr im Umbruch. Zwölf Jahre Krieg hatten die politische und soziale Struktur des Landes geschwächt. Das vorangegangene Jahr – von Historikern später „Das Jahr ohne Sommer“ genannt – war katastrophal kalt gewesen. Der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im Jahr 1815 hatte in ganz Europa einen weitreichenden Klimawandel verursacht. Die Vulkanasche in der Atmosphäre führte zu fast ununterbrochenen Stürmen und sogar zu Schnee mitten im Sommer. Die Ernten fielen aus und es herrschte eine große Hungersnot.

Mohrs Gemeinde war verarmt, hungrig und traumatisiert. Also verfasste er sechs poetische Verse, um Hoffnung zu schenken und um den Glauben und das Vertrauen auf Gott zu stärken.

„Wo sich heute alle Macht Väterlicher Liebe ergoss und als Bruder huldvoll umschloss. Jesus, die Völker der Welt, Jesus, die Völker der Welt.“

Eine fruchtbare Zusammenarbeit

Mohr, ein begabter Geiger und Gitarrist, hätte die Musik zu seinem Gedicht wahrscheinlich selbst komponieren können. Doch er suchte die Unterstützung eines Freundes.

1817 wechselte Mohr in die Pfarrei St. Nikolaus in der Stadt Oberndorf südlich von Salzburg. Dort bat er seinen Freund Franz Xaver Gruber, einen örtlichen Lehrer und Organisten, die Melodie zu den sechs Strophen zu schreiben.

Am Weihnachtsabend 1818 sangen die beiden Freunde „Stille Nacht, heilige Nacht“ zum ersten Mal gemeinsam vor Mohrs Gemeinde, wobei Mohr das Stück auf seiner Gitarre begleitete.

Das Lied traf bei den Gemeindemitgliedern sofort auf offene Ohren. Die Melodie und Harmonisierung von „Stille Nacht, heilige Nacht“ basiert auf einem italienischen Musikstil, der sogenannten „Siciliana“, die das Geräusch von Wasser und Wellen nachahmt: zwei große rhythmische Schläge, die jeweils in drei Teile aufgeteilt sind. Damals waren die meisten Bewohner der Gemeinde als Bootsbauer und Schiffer im Salzhandel tätig und so konnten sie sich sofort mit diesem Stück identifizieren. Grubers Musik spiegelt die tägliche Geräuschkulisse der Mohr-Gemeinde wider, die an der Salzach lebte und arbeitete.

Das Lied wandert um den Globus

Doch um in der ganzen Welt bekannt zu werden, musste „Stille Nacht“ weit über Oberndorf hinaus wirken.

Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf bei Salzburg, Österreich. Foto: Gakuro/ CC BY-SA 3.0

Laut einem Dokument, das Gruber 1854 verfasste, wurde das Musikstück zuerst im nahe gelegenen Zillertal populär. Von dort aus nahmen zwei reisende Volkssängerfamilien, die Strassers und die Rainers, das Lied in ihre Darbietungen auf. Die wahrscheinlich bedeutendsten Aufführungen des Liedes fanden 1822 durch die Tiroler Familie Rainer statt. Sie spielten es Zar Alexander I. und Kaiser Franz I. v. Österreich vor. Später wurde es zum Lieblingslied von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Im Jahr 1839 sangen die Rainers das Lied in der Wall Street und so fand es auch in Amerika viele begeisterte Zuhörer. Deutschsprachige Missionare haben das Musikstück von Tibet bis Alaska verbreitet und in die lokalen Sprachen übersetzt. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte „Stille Nacht, heilige Nacht“ sogar seinen Weg zu den subarktischen Inuit-Gemeinschaften entlang der Labrador-Küste gefunden, wo es als „Unuak Opinak“ ins Inuktitut übersetzt wurde.

Gedruckt wurde „Stille Nacht, heilige Nacht“ erstmals 1833 in Dresden auf einem Flugblatt unter dem Titel „Vier ächte Tirolerlieder“.

Glaube und Hoffnung

Der Text von „Stille Nacht, heilige Nacht“ ist seit jeher eine wichtige Botschaft für die Heiligabendfeiern in den Kirchen auf der ganzen Welt. Aber die beschwingte Melodie und der friedliche Text des Liedes erinnern uns auch an ein universelles Gefühl der Gnade, das über das Christentum hinausgeht und die Menschen über Kulturen und Glaubensrichtungen hinweg verbindet.

Vielleicht war diese Botschaft zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte des Liedes wichtiger als während des Weihnachtsfriedens von 1914. Auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkriegs legten deutsche und britische Soldaten an der Front in Flandern zu Heiligabend ihre Waffen nieder und sangen gemeinsam „Stille Nacht, heilige Nacht“ oder „Silent Night“.

Die grundlegende Botschaft des Liedes, nämlich Frieden zu stiften, selbst inmitten von Leid, hat Kulturen und Generationen überbrückt. Große Lieder bewirken dies. Sie sprechen von der Hoffnung in schweren Zeiten und von der Schönheit, die aus dem Schmerz erwachsen kann, sie spenden Trost und können Völker vereinen.

Möge diese Botschaft auch in den kommenden Generationen noch nachklingen.

Übrigens: Joseph Mohr verweigerte seine Porträtierung hartnäckig, und so existiert kein Bildnis von ihm. Doch um 1912 wollte Joseph Mühlbacher, ein Bildhauer und Pfarrer, ein Denkmal von Mohr und Gruber anfertigen und veranlasste zu diesem Zweck die Exhumierung von Mohrs Schädel. Nach Fertigstellung des Denkmals wurde der Schädel jedoch nicht zurück auf den Friedhof in Wagrain gebracht, sondern 1937 in die Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf eingemauert.

Tausende internationale Gäste besuchen jedes Jahr die berühmte Kapelle und besinnen sich auf eine „Stille Nacht, heilige Nacht“.

(Deutsche Bearbeitung von Bettina Schwarz)



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