Philosophisches Essay: Über Gott und die Welt

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Von 22. März 2022

Seit meiner Jugend interessiere ich mich für Naturwissenschaften. Ich habe bereits in jungen Jahren mit einem Teleskop im Garten meiner Eltern den Sternenhimmel beobachtet – oft gemeinsam mit meiner Mutter zusammen, und wir beide haben völlig fasziniert ins Weltall geblickt. Ich fragte sie manchmal nach Gott, ob er im Himmel wohnt und wie er wohl aussehen mag. Als ich älter wurde und wir gemeinsam den Nachthimmel beobachteten, diskutierten wir darüber, warum das alles existieren könnte, ob es einen tieferen Sinn dahinter gibt.

Mond, Saturn, Mars, die Plejaden, sie waren mir damals näher als viele Menschen, und ich stellte mir selbst die große Frage nach dem Sinn ihrer Existenz und nach dem Sinn und Zweck unseres Daseins. Dabei dachte ich auch über die Endlichkeit nach; besser gesagt über die Unendlichkeit, denn viele Freunde und Bekannte sprachen immer davon, dass der Kosmos unendlich groß sein soll – ich konnte dies nie so recht glauben. Denn wenn etwas existiert, wird es auch zugleich durch irgendetwas begrenzt: Größe, Zeit, Masse oder durch andere Faktoren, auch der Mensch ist ein Faktor; zum Beispiel haben viele Kriege im Laufe der Menschheitsgeschichte viele Kulturen und viele Zivilisationen zerstört. Endlichkeit konnte ich mir sehr gut vorstellen, so geht es sicher den meisten Menschen, die Unendlichkeit nicht; sie war stets unvorstellbar, unbegreiflich.

Ich kann auch heute noch nicht an sie glauben; ich glaube nach wie vor, dass alles endlich, beschränkt und niemals unendlich ist – nur manche Zeit-Dimensionen sind nach unseren Maßstäben sehr, sehr lang, aber endlich.

Damals, als ich über diese Fragen nachdachte, hätte ich es mir auch ziemlich leicht machen können, ich hätte nur den Religionslehrer diese Fragen stellen müssen und ganz sicher hätte er sie mir hinreichend beantwortet: aus Glaubenssicht. Er war der Pfarrer meines Heimatdorfes, also jemand, der spezialisiert auf diese Art Fragen war und er hätte sicher die passenden Antworten parat gehabt. Jedoch war der Pfarrer eine ganz große Respektsperson und die Angst, etwas Falsches zu fragen, hielt mich davon ab.

Das Fragen – das Hinterfragen – sollte der Ausgangspunkt eines jeden Wissenschaftlers sein, gepaart mit der Neugier am Unentdeckten; mir fehlte es damals aber an Mut, um zu fragen. Also war ich dann ein schlechter Wissenschaftler, dafür aber ein umso besserer Gläubiger? Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann, das eine muss das andere nicht zwangsläufig ausschließen, oder? Ich erinnere mich noch gut, als der Pfarrer völlig überraschend im Unterricht fragte: Wer von euch wird Ministrant? Nur einer aus meiner Klasse meldete sich nicht, der Rest – mich mit einbezogen – folgte brav diesem Appell und es folgten Jahre als Messdiener. Andreas, der eine, der „Verweigerer“, hatte seitdem immer eine vier oder noch schlechter im Zeugnis; ich hatte immer eine eins in Religion.

Später verblassten die großen Fragen nach dem Sinn der Existenz des Universums, ich mogelte mich durch die unteren Jahrgangsstufen, hinterfragte wenig und zweifelte kaum. Erst in den höheren Jahrgängen zog erneut die Naturwissenschaft in mein Leben. Die Mathematik und ganz besonders die Physik faszinierten mich. Ich las viele wissenschaftliche Zeitschriften, die Bücher von Stephen Hawking und beschäftigte mich mit der Quantenphysik. Ich begegnete Albert Einstein, seiner Relativitätstheorie und war von ihm als Universalgenie äußerst beeindruckt; er inspirierte mich zur Lektüre von „Kritik der reinen Vernunft“ von Immanuel Kant und ich verfolgte Einsteins Leben nach. Besonders interessant fand ich, dass Einstein glaubte, obwohl – oder vielleicht gerade weil – er auch Wissenschaftler war. Er war sicher eines der größten Genies, das die Welt je sah. Ein Zitat von ihm: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind.“ – Vielleicht ist Religion eine andere Form von Wissenschaft?

Um Haaresbreite habe ich selbst das Mathematik- und Physikstudium verfehlt – ich studierte Elektrotechnik und Informatik –, aber die großen Fragen blieben: Warum existiert all dies, der Kosmos und welcher Sinn steckt dahinter: Zufall oder eine göttliche Ordnung?

Meine Studien waren sehr stark von Mathematik geprägt – das war auch nie wirklich ein Problem, ganz im Gegenteil: Ich liebte die Zahlen, die mathematischen Verfahren, und fand vieles sehr faszinierend. Die Mathematik, wenn man es ganz genau betrachtet, beruht auf Glauben. Aber wer ist sich dessen schon bewusst? Im normalen Alltag wird der normale Mensch kaum darüber nachdenken. Die Mathematik basiert auf Axiomen; also auf Grundsätzen, die als wahr angenommen werden. Diese axiomatischen Behauptungen bilden das Fundament, auf dem wiederum die höheren Theoreme aufsetzen, und diese wiederum bilden die gesamten mathematischen Theorien. Wer ist sich dessen schon bewusst?

Man könnte jetzt fast ausrufen: Am Anfang war nicht das Wort, am Anfang war der Glaube. Grob ausgedrückt: Das Fundament der Mathematik beruht auf Glauben – auf einer Annahme, an deren Richtigkeit man glaubt.

Neulich hatte ich auch eine sehr interessante Unterhaltung, die mich wieder an die Zeit meiner „Forschung“ im Bereich der Quantenphysik erinnerte. Ich sprach von der Lichtgeschwindigkeit als Konstante im Universum und erzählte von der Verschränkung von Teilchen, der „Überlichtgeschwindigkeit“, und darüber, dass die NASA Forschung betreibt in diesem Bereich, um interstellare Kommunikation zu ermöglichen. Ich erzählte und erzählte, aber was sagte mein Gegenüber: „Ich glaube das nicht.“

Nur sprach ich nicht von Glaubensgrundsätzen, ich sprach über Wissenschaft, die seitens der NASA betrieben wird, von Phänomenen aus der Quantenwelt. Für mein Gegenüber war es Glaube, oder besser gesagt, er konnte es nicht glauben, aber für mich war es Wissenschaft, ich hatte vor Jahren darüber gelesen. Fast hätte ich lauthals ausgerufen: „Wir sprechen hier von Wissenschaft, nicht über Glauben.“ Aber ich schwieg, es hätte auch keinen Sinn ergeben herumzudiskutieren.

Oft werden Gedanken verworfen oder nicht akzeptiert, denn sonst müssten viele Dinge infrage gestellt werden; es ist schlichtweg einfacher, wenn man die Muster – die Gedankenmuster – beibehält, die man kennt. Wie wäre es gewesen, wenn Einstein damals nicht den Mut gehabt hätte, die gedanklichen Wege zu beschreiten, die vorher noch niemand ging? Es ist schwer, eine Antwort auf diese Frage zu finden, aber ich glaube, die Welt sähe, nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht, anders aus. Einstein hatte den Mut, seinen bekannten, alten gedanklichen Rahmen, die Grenze vom Bekannten zum Unbekannten zu überschreiten – sicher war es seine Neugier, auch seine Faszination vom Universum, die ihn antrieben, und er überschritt diese Grenzen ständig. Was wäre, wenn jeder Wissenschaftler zu allen neuen Erkenntnissen sagen würde: „Das glaube ich nicht.“ Es gäbe nie neue Erkenntnisse. Ist es vielleicht nicht gerade der Glaube, der die Wissenschaftler antreibt – um das Neue, das Unentdeckte zu erforschen?

Als ich vor Jahren zur Schulbeginnzeit an einer Kirche vorbeifuhr, sah ich auf einem großen Plakat für Erstklässler einen sehr guten Spruch: „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“ (Marie Freifrau Ebner von Eschenbach, österreichische Erzählerin, Novellistin und Aphoristikerin, 1830-1916). Dieses Zitat sollte uns jetzt im übertragenen Sinne bekannt vorkommen; es führt uns zurück zur Mathematik, die, wie wir jetzt wissen, auf Glauben – Axiomen, axiomatischen Behauptungen – gründet; so entspringt auch unser aller Wissen im Kern dem Glauben, wie es uns das Zitat von Eschenbach ebenfalls darlegt; denn die ersten Grundsätze haben wir von unseren Eltern übernommen, wir haben ihnen geglaubt: Am Anfang war das Wort und wir glaubten es – ihnen, den Eltern.

Im Beruflichen, im Studium und auf dem Weg dorthin musste ich viele Prüfungen bestehen – im Studium nannte man sie Klausuren. Im Glauben habe ich ebenfalls Prüfungen durchlebt; die schwerste war der frühzeitige und völlig überraschende Tod meiner Mutter. Auch hier sehe ich Parallelen zwischen Wissenschaft und Glauben. Ich kann mich zwar jetzt nicht mehr mit ihr über die großen Fragen des Lebens austauschen, aber ich glaube fest daran, dass nach dem Energieerhaltungssatz der Physik keine Energie im Kosmos verloren geht – sie auch jetzt gerade in diesem Augenblick noch existiert, nur nicht in der Form, wie ich sie kannte. Der Mensch ist aus denselben Bausteinen wie dieser Kosmos gebildet, beide sind Energie.

Wie gerne würde ich jetzt am Ende dieses Textes schreiben: Glaube und Wissenschaft – Glaube, die höhere Form von Wissenschaft: q. e. d. Aber leider kann ich das nicht, es ist eben Glaube und kein Wissen. Wenn ich ganz genau darüber nachdenke, dann würde ich sogar sagen: Gott sei Dank kann ich das nicht! Denn so gibt es noch sehr viel Spielraum für uns Menschen, und vielleicht können wir ja eines Tages sogar von Wissen sprechen und das Wort Glaube ablegen auf den Stapel der nicht mehr benötigten Worte.



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