Die Weihnachtswünsche des kleinen Nimmersatt – von Heinrich Seidel

Aus der Reihe Epoch Times Poesie – Der mecklenburgische Ingenieur Heinrich Seidel entschied 1880 nach großen beruflichen Erfolg – das eiserne Hallendach des Anhalter Bahnhofs in Berlin, damals eine ingenieurtechnische Sensation, war von ihm konstruiert worden – Schriftsteller zu werden. Sein literarischer Durchbruch gelang ihm acht Jahre später mit den Prosa-Idyllen um „Leberecht Hühnchen“.
Titelbild
Foto: iStock
Von 17. Dezember 2023

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„Am meisten wünsch´ ich mir ein Pferd
Zum Schaukeln und zum Reiten,
Und eine Rüstung und ein Schwert
Wie aus den Ritterzeiten.
Drei Märchenbücher wünsch´ ich mir
Und Farben auch zum Malen,
Und Bilderbogen und Papier
Und Gold- und Silberschalen.

Ein Domino, ein Lottospiel,
Ein Kasperletheater,
Auch einen neuen Peitschenstiel
Vergiß nicht, lieber Vater!
Ein Zelt und sechs Kanonen dann
Und einen neuen Wagen,
Und ein Geschirr mit Schellen dran,
Beim Pferdespiel zu tragen.

Mir fehlt – Ihr wißt es sicherlich –
Gar sehr ein neuer Schlitten,
Und auch um Schlittschuh möchte ich
Noch ganz besonders bitten.
Und weiße Tiere auch, von Holz,
Und farbige von Pappe,
Und einen Helm und Federn stolz
Und eine neue Mappe.

Ein Perspektiv, ein Zootrop,
´ne magische Laterne,
Ein Brennglas, ein Kaleidoskop –
Dies alles hätt´ ich gerne.
Auch einen großen Tannenbaum,
Dran hundert Lichter glänzen,
Mit Marzipan und Zuckerschaum
Und Schokoladenkränzen.

Doch dünkt dies alles Euch zu viel,
Und wollt Ihr daraus wählen,
So könnte wohl der Peitschenstiel
Und auch die Mappe fehlen.“
Als Hänschen so gesprochen hat,
Sieht man die Eltern lachen:
„Was willst du, kleiner Nimmersatt,
Mit all den vielen Sachen?!“
„Wer so viel wünscht“ – der Vater spricht´s –
„Bekommt auch nicht ein Achtel!
Der kriegt ein ganz klein wenig Nichts
In einer Dreierschachtel!“

 

Heinrich Seidel (1842-1906)



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