„Mister Euro“ wird 85 – Theo Waigel nicht nur geldpolitisch ein Tugendwächter

„Ehrlichkeit ist eine Währung“, nannte Theo Waigel seine Biografie. Der frühere Finanzminister gab dem Euro seinen Namen. Er empfiehlt auch dem jetzigen CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder mehr Demut.
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Der frühere Finanzminister Theo Waigel (2016).Foto: Karlheinz Schindler/dpa
Epoch Times16. April 2024

Als im Februar der CSU-Vordenker Alois Glück starb, würdigte ihn Theo Waigel als Politiker, der für Dialog und den Anspruch stand, Kompromisse zu finden. „Das unterscheidet ihn von dem Streben nach Aufmerksamkeit, nach Schlagzeilen, nach dem Affront, der heute zu oft die Politik prägt“, sagte Waigel der „Augsburger Allgemeinen“. Damit fand Waigel Worte, die auch ihn selbst nicht besser beschreiben könnten.

„Ehrlichkeit ist eine Währung“

Der in zweiter Ehe mit der früheren Weltklasseskiläuferin Irene Epple verheiratete Waigel wird am Montag 85 Jahre alt. Er kam am 22. April 1939 in Ursberg im Schwaben zur Welt – als Bauernsohn, geboren in eine schwere Zeit. Sein älterer Bruder wurde im Zweiten Weltkrieg getötet, die Eltern verwanden dies nie. Es war ein Aufwachsen mit wenig Zuneigung. „Zärtlichkeiten, das gab’s nicht“, sagte Waigel gerade der „Süddeutschen Zeitung“.

Waigel zeigte einen ausgeprägten Willen zum Aufstieg. Nach Abitur, Studium und Promotion in Jura wurde der mit 20 Jahren in die CSU eingetretene Waigel bald persönlicher Referent bei bayerischen Ministern. 1972 zog Waigel erstmals in den Bundestag ein und blieb bis 2002 Abgeordneter. 1973 wurde er unter Parteilegende Franz Josef Strauß Vorsitzender der CSU-Grundsatzkommission.

Nach der Regierungsübernahme von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wurde er 1982 CSU-Landesgruppenchef im Bundestag. Als Strauß 1988 starb, wurde Waigel CSU-Chef. Ein Jahr später wurde er 1989 Bundesfinanzminister und blieb dies auch bis zur Abwahl Kohls 1998. Aus dieser Zeit ist der Mann mit den tausendfach karikierten buschigen Augenbrauen am stärksten in Erinnerung.

Der stets auf Ausgleich bedachte Waigel – seine Biografie nannte er „Ehrlichkeit ist eine Währung“ – befriedete zwar das unter Strauß schwierige Verhältnis zwischen CDU und CSU. Sein Job als Bundesfinanzminister wurde aber durch die Wiedervereinigung zu einer Knochenmühle. Als „Herr der Löcher“ oder „Rekordschuldenmacher“ kritisierte ihn die Opposition.

„Der Euro trägt meine Handschrift“

Die Bewältigung der Kosten beim Aufbau der neuen Bundesrepublik war das eine Großprojekt seiner Laufbahn – das andere waren die finanzpolitischen Weichenstellungen für die von Kohl forcierte europäische Gemeinschaftswährung. „Der Euro trägt meine Handschrift“, sagte Waigel nicht ohne Stolz, als er sich von der bundespolitischen Bühne zurückzog.

Er hatte 1995 den Namen Euro für die gemeinsame Währung vorgeschlagen und trägt seither auch den Spitznamen „Mister Euro“.

Die zwar oft umstrittene, am Ende aber an vielen Stellen erfolgreiche Arbeit als Bundesfinanzminister tröstete Waigel über seine schwerste Niederlage hinweg. 1993 wollte er eigentlich als Nachfolger des über die sogenannte Amigo-Affäre gestürzten Max Streibl Ministerpräsident werden, doch die CSU-Landtagsfraktion setzte Stoiber durch.

Waigel beklagte damals ein schmutziges Spiel, das Stoibers Leute mit gestreuten Gerüchten über seine zerrüttete erste Ehe und die Liaison mit Epple gespielt hätten. In den starken Stoiber-Jahren zog sich Waigel weitgehend zurück. Doch nach Stoibers Sturz wurde er durch die Ernennung zum CSU-Ehrenvorsitzenden 2009 auch von der Partei ein wenig rehabilitiert.

Seitdem tritt Waigel immer wieder als Mahner auf, nicht den Verlockungen des Populismus zu erliegen, sondern auch andere Meinungen zu hören und lieber länger als kürzer nachzudenken.

„Manchmal muss man sich Zeit nehmen – nicht nur den schnellen Erfolg suchen“, sagte der seit Ende der Laufbahn als Berufspolitiker als Rechtsanwalt tätige Waigel der „Süddeutschen“.

Auch dem jetzigen CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder empfiehlt er mehr Demut. Söder habe ihm einmal erzählt, wie viele Follower er habe, sagte der gläubige Katholik der „Süddeutschen“. „Da habe ich gesagt, Jesus Christus hatte nur zwölf, und er konnte sich nur auf elf richtig verlassen – es hat trotzdem gereicht, um eine weltweite Bedeutung zu erreichen.“ (afp)



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