BioNTech und Bayer forschen auswärts – Lauterbach will Pharmastandort Deutschland retten

Deutschland bleibt Sorgenkind im Bereich der Pharmaforschung. Zu den Gründen dafür gehören weitreichende Datenschutzvorgaben und mangelnde Digitalisierung. Minister Lauterbach will am Donnerstag beim Spitzengespräch gegensteuern.
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Lädt am Donnerstag zum Pharma-Spitzengespräch: Bundesgesundheitsminister Karl LauterbachFoto: Jens Krick – Pool/Getty Images
Von 29. November 2023

Für Donnerstag, 30. November, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu einem vertraulichen Spitzengespräch nach Berlin geladen. Thema ist die Zukunft der Pharmabranche in Deutschland. Neben Vertretern von Verbänden und Pharmaunternehmen werden auch das Bundeskanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium Repräsentanten schicken.

Ziel aller Beteiligten ist die Entwicklung einer Pharmastrategie. Ob eine solche bereits am Donnerstag vorgelegt werden wird, ist ungewiss. Eile scheint geboten, denn auch in der Gesundheitswirtschaft verliert Deutschland zunehmend den Anschluss. Der Senkrechtstarter der Corona-Jahre, BioNTech, investiert Milliarden in seine Krebsforschung – in Großbritannien. Bayer verlagert seinen Forschungsschwerpunkt in Richtung USA und China.

Lauterbach feiert Eli-Lilly-Ansiedlung – Pharmastandort steht aber unter Druck

Zwar gibt es auch positive Nachrichten, wie die Investition des US-Konzerns Eli Lilly in Rheinland-Pfalz. Mitte November kündigte dieser an, 2,3 Milliarden Euro in eine neue Produktionsstätte unter anderem für Abnehmspritzen investieren zu wollen.

Insgesamt jedoch ist es um den Pharmastandort Deutschland nicht gut bestellt. Vor allem Forschung und Entwicklung klagen über bürokratische Hürden, engmaschige Vorschriften, fehlende Digitalisierung und mangelnden Zugang zu Gesundheitsdaten. Dies habe nicht nur dazu geführt, dass in der Corona-Zeit die meisten Studien in Ländern wie Großbritannien oder Israel stattgefunden hatten.

Auch Länder wie Frankreich, die USA oder Japan gelten für Pharmaunternehmen als attraktiver. Dies liegt unter anderem am besseren Zugang zu Gesundheitsdaten, den diese bieten, und an der weiter fortgeschrittenen Digitalisierung im Gesundheitswesen. In Deutschland hingegen scheitern zahlreiche klinische Studienvorhaben an Datenschutzbedenken oder Beanstandungen durch Ethikkommissionen.

Welche Faktoren für die Pharmaindustrie zentral sind

Das „Handelsblatt“ nennt unter Berufung auf eine Studie im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) vordergründig drei Faktoren, die den Pharmastandort Deutschland verbessern könnten. Diese seien Digitalisierung, Innovationsförderung und Fachkräfte. Nicht nur die Pharmaindustrie, auch Medizintechnik, Biotechnologie und Digital Health könnten davon profitieren.

Durch Verbesserungen in diesen Bereichen ließe sich die Bruttowertschöpfung in der Gesundheitswirtschaft bis 2030 um 30,5 Milliarden Euro steigern. Jetzt beträgt diese etwa 103 Milliarden Euro. Einen ähnlichen Effekt hätten Forschungsinvestitionen. Dieser könnte einen Bruttowertschöpfungszuwachs um 29 Milliarden Euro bis Ende des Jahrzehnts bewirken. Demgegenüber droht der Fachkräftemangel mit einem Fehlbestand von bis zu 320.000 Arbeitskräften einen Verlust von 26,6 Milliarden Euro zu bewirken.

In der Studie heißt es, Deutschland drohe den Anschluss an neue Technologien zu verlieren. Mögliche Folgen wären „eine Kettenreaktion und eine schrittweise Deindustrialisierung der Gesundheitswirtschaft“ im Land.

Kern des Digitalgesetzes ist die elektronische Patientenakte

Minister Lauterbach will der Misere schwerpunktmäßig mithilfe zweier Gesetzesvorhaben entgegenwirken. Zum einen geht es dabei um das Digitalgesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Beides soll die Durchführung klinischer Studien und die Entwicklung von Wirkstoffen in Deutschland erleichtern.

Außerdem soll noch in diesem Jahr ein sogenanntes Medizinforschungsgesetz auf den Weg kommen, das eine „umfassende Beschleunigung von Therapiestudien“ ermöglichen soll. Kern des Digitalgesetzes ist die elektronische Patientenakte (ePA). Diese besteht schon jetzt als freiwilliges Angebot. Allerdings hat erst etwa ein Prozent der gesetzlich Krankenversicherten bislang davon Gebrauch gemacht.

Durch das Digitalgesetz soll diese zur Regel werden – sofern Versicherte nicht von einem Opt-out Gebrauch machen. Auf diese Weise hofft Lauterbach, den Nutzungsanteil bis Anfang 2025 auf 80 Prozent anheben zu können.

Lauterbach sieht perspektivisch „zentrale Rolle in der Arzneimittelherstellung“ für Deutschland

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Gassen hält dies für unrealistisch. Es fehlten konkrete inhaltliche Vorgaben, daraus abgeleitete technische Festlegungen und deren datenschutzkonformen Implementierungen in den IT-Systemen. Unter anderem sei unklar, wie ältere Gesundheitsdaten in die elektronische Akte Eingang finden sollen.

Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz wiederum soll eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung von Gesundheitsdaten schaffen. Diese soll als zentrale Anlaufstelle für Datennutzer in Erscheinung treten, bürokratische Hürden abbauen und den Zugang zu Forschungsdaten ermöglichen. Erstmalig soll dort auch die Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Quellen möglich werden.

Auch hier soll es eine Opt-out-Version für Personen geben, die mit einer Nutzung ihrer Daten nicht einverstanden sind. Lauterbach hofft, dass durch seine Reformen der Pharmastandort eine erhebliche Aufwertung erfahren wird. Anlässlich einer Veranstaltung zur Ansiedlung von Eli Lilly zeigte sich der Minister optimistisch. Er sei zuversichtlich, dass Deutschland „in fünf bis zehn Jahren eine zentrale Rolle in der Arzneimittelherstellung“ spielen werde.



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