Entzündungshemmer: Warum man den natürlichen Heilungsprozess nicht stören sollte

Bei akuten Schmerzen verursachen Entzündungshemmer oftmals mehr Schaden als Nutzen, heißt es in einer Studie. Es ist laut den Studienautoren in einigen Fällen besser, den Körper natürlich heilen zu lassen.
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Ibuprofen ist das am häufigsten verkaufte Medikament in Deutschland.Foto: iStock
Von 8. April 2024

Ärzte empfehlen seit Jahrzehnten nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen gegen Schmerzen, Fieber und akute Entzündungen. Dabei klingen die Beschwerden zwar kurzfristig ab, der natürlichen Heilungsprozess des Körpers wird allerdings gestört. Die mögliche Folge: chronische Schmerzen.

Denn die Schmerzen und die Entzündung nach einer leichten Verletzung, wie einem verstauchten Knöchel oder einem verrenkten Rücken, verschwinden oft von selbst. Bei manchen Menschen jedoch halten die akuten Schmerzen an und werden chronisch.

„Die medizinische Standardbehandlung dieser Art von Schmerzen macht die Situation wahrscheinlich noch schlimmer“, meint Jeffrey Mogil, Neurowissenschaftler und Professor für Psychologie an der kanadischen McGill University, zu Epoch Times. Er beteiligte sich an mehreren Studien zur NSAR-Behandlung nach einer Verletzung.

Anfängliche Entzündungsreaktion beugt chronischen Schmerzen vor

Im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2022 untersuchte er mit anderen Forschern 98 Patienten mit Schmerzen im unteren Rückenbereich über einen Zeitraum von drei Monaten. Während dieser Zeit erholte sich die Hälfte der Probanden vollständig, während die andere Hälfte chronische Schmerzen im unteren Rückenbereich entwickelte. Die Studienautoren verglichen daraufhin die Aktivitätsniveaus von Immunzellen zwischen den beiden Gruppen mithilfe der RNA-Sequenzierung.

Sie entdeckten, dass Neutrophile – Immunzellen, die zu Beginn der Entzündungsphase sehr aktiv sind – eine Rolle dabei spielen, schmerzfrei zu bleiben. Neutrophile helfen dem Körper bei der Bekämpfung von Infektionen und der Reparatur von Gewebeschäden.

Entzündungshemmer hemmen auch die Immunreaktion

Den Forschern zufolge verursachten die Neutrophilen in der Gruppe der chronischen Schmerzpatienten zu Beginn weniger Entzündungen. Zudem wiesen sie später wenig bis gar keine Aktivität in den Zellen auf, die Entzündungen verursachen. Im Gegensatz dazu waren in den Genen der genesenen Patienten die entzündungsrelevanten Zellen sehr aktiv.

„Die Neutrophilen stürmen ziemlich früh nach einer Verletzung herein und verursachen einen Prozess, der am Ende chronische Schmerzen verhindert. Man sollte ihn wahrscheinlich nicht blockieren“, sagte Mogil.

Laut Forschungsergebnissen ist bereits bekannt, dass entzündungshemmende Medikamente die Aktivität der Neutrophilen bei Menschen und Tieren hemmen. Der Zusammenhang mit chronischen Schmerzen war jedoch nicht offensichtlich, da in früheren Studien die Forscher die Patienten nicht lange genug über die unmittelbare Schmerzlinderung hinaus beobachtet hatten.

„NSAR greifen definitiv in den Prozess ein“, sagte Eugene Aiello, ein Chiropraktiker und neurologischer Forscher aus den USA, gegenüber Epoch Times. „Aber nicht jeder in der Gruppe der chronischen [Schmerzen] nahm NSAR ein. Es sind weitere Studien erforderlich, um herauszufinden, was die Neutrophilen sonst noch daran hindert, den Reparaturprozess zu vollenden.“

Unterschiede zwischen einer „guten“ und „schlechten“ Entzündung

Im Allgemeinen gibt es zwei Arten von Entzündungen: akute und chronische. Um festzustellen, ob eine Entzündung hilfreich ist oder nicht, muss man verstehen, wie sich die beiden Entzündungsarten voneinander unterscheiden.

Chronische Entzündungen sind lang anhaltend und breiten sich im gesamten Körper aus. Sie werden eher zu einem Problem, als dass sie zur Linderung einer Infektion oder Verletzung beitragen. Sie können zu ernsteren Leiden wie Herzkrankheiten oder sogar Krebs führen.

Im Gegensatz dazu ist eine akute Entzündung nützlich – vorausgesetzt, sie ist stabil, kurzlebig und ortsspezifisch. Wenn beispielsweise ein Band oder eine Sehne gezerrt oder gerissen ist, kommt es zu einem Zustrom von Blut, Flüssigkeit und Immunzellen in den betroffenen Bereich.

„Die Schwellung ist die körpereigene Weisheit, die Oberfläche zu vergrößern, damit Heilungsmediatoren in diesen Bereich gelangen können“, erklärte Brandon LaGreca gegenüber der Epoch Times. LaGreca ist ein Akupunkteur aus den USA mit einem staatlich anerkannten Zertifikat in östlicher Medizin.

Neutrophile sind einer der Ersten, die an einem Infektionsort ankommen. Ihre Anwesenheit aktiviert die Lymphdrainage. Dadurch können Ablagerungen und geschädigte Zellen abtransportiert werden, was zur Reparatur von beschädigtem Gewebe beiträgt.

Schmerzen und Schwellungen seien ein klares Zeichen dafür, dass die „Sanitäter“ am Werk sind, fügte Aiello hinzu. Schmerzen zu lindern, ohne den „Highway“ zu blockieren, sei entscheidend, um den Heilungsprozess zu unterstützen, so der Akupunkteur.

„Ein Ibuprofen gegen Unwohlsein oder zum Einschlafen nach einer Verletzung ist jedoch etwas anderes als die Einnahme von 800 Milligramm Ibuprofen dreimal am Tag über drei Wochen lang“, so Aiello weiter.

Akute Entzündungen nicht hemmen – chronische Schmerzen verhindern

Mogil und seine Kollegen stellten auf der Grundlage ihrer Ergebnisse die Hypothese auf, dass die Hemmung der ersten Entzündungsreaktion des Körpers zu chronischen Schmerzen führt. Diese Hypothese untersuchten sie in der gleichen Studie, indem sie Mäusen mit einer verletzten Pfote entweder ein rezeptfreies entzündungshemmendes Medikament oder Kochsalzlösung gaben.

Obwohl die Mäuse in der Medikamentengruppe zunächst weniger Schmerzsymptome zeigten, weil ihre Entzündungsreaktion gedämpft wurde, kehrte der Schmerz schließlich zurück und wurde chronisch. Bei den Mäusen, die Kochsalzlösung erhielten, ließen die Schmerzen in der Hälfte der Zeit nach und die Nager blieben schmerzfrei.

Um herauszufinden, ob ihre Hypothese auf den Menschen übertragbar sei, führten die Forscher eine separate Analyse von 2.624 Patienten in Großbritannien durch. Bei Personen mit akuten Rückenschmerzen, die Entzündungshemmer einnahmen, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch zwei bis sechs Jahre später noch Schmerzen hatten, um etwa 70 Prozent höher als bei Personen, die Paracetamol, das nicht zur Gruppe der NSAR zählt, oder Antidepressiva nutzten.

Laut den Studienautoren deuten diese Ergebnisse auf eines hin: Statt lang anhaltende Schmerzen zu verursachen, könnten robuste Entzündungsreaktionen, die schnell abklingen, der Schlüssel zur Abwehr chronischer Schmerzen sein. Ferner wirken sich Medikamente, die Entzündungen hemmen, nachteilig auf die Schmerzheilung aus.

Der Studienautor Mogil wies allerdings darauf hin, dass die Ergebnisse nicht mit dem Einsatz von NSAR bei chronischen Erkrankungen verwechselt werden sollten. Bei solchen Krankheiten sei es unbedingt erforderlich, die Entzündung zu hemmen, so der Forscher.

Außerdem sprach er auch über andere Möglichkeiten, Schmerzen zu hemmen, ohne die Entzündung zu blockieren. Die Bekannteste davon sei Paracetamol. Doch der Arzneistoff kann bei übermäßigem Gebrauch die Leber schädigen.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Anti-Inflammatory Drug Might Lead to Chronic Pain, While Inflammation Could Heal: Experts“. (redaktionelle Bearbeitung as)



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