Analyst: China sieht für Krieg in der Ukraine „glänzende Zukunft“

Ein bekanntes Sprichwort sagt: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte! Im Fall des Ukraine-Krieges ist nur einer der Gewinner, und das ist China. Auf dem Spiel steht dabei die bisherige Weltordnung, sagt der französische Politikanalyst Boyan Radoykov.
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg.
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zwei Jahren gegen den russischen Krieg.Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa
Von 26. Mai 2024

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Mehr als zwei Jahre sind vergangen, seit Europa und der Rest der Welt mit der Brutalität eines erneuten Krieges zwischen Russland und der Ukraine konfrontiert wurden. Es dauerte viele Monate, bis die ungläubigen und verwirrten Staats- und Regierungschefs in Europa in ihrer Naivität die schreckliche Wende auf ihrem Kontinent begriffen haben.

Wie üblich versuchten sie, eine massive Invasion der Ukraine zu verhindern und gleichzeitig ihre wirtschaftlichen Interessen zu wahren, indem sie weiterhin mit Russland Handel betrieben. In beiden Fällen haben sie kläglich versagt.

Der Rückschlag für Europa kommt nicht überraschend. Seit ihrer Gründung ist die Europäische Union ein großer Markt und eine Wirtschaftsmacht ohne gemeinsame militärische Streitkräfte oder Politik. Europas Sicherheit hängt allein von den Vereinigten Staaten ab.

Im Laufe der Zeit hat sich Europa von einem Land der kriegerischen Eroberung zu einem beliebten Touristenziel entwickelt. Der blutrünstigste aller Kontinente, dessen Bevölkerung jahrhundertelang damit beschäftigt war, sich gegenseitig umzubringen, ist heute wie versteinert bei dem Gedanken, sich militärisch mit eigenen Mitteln und ohne die Hilfe der Vereinigten Staaten schützen zu müssen.

Aufgrund des Ukraine-Krieges sprechen die Europäer zum ersten Mal mit einer Stimme und verurteilen die Aggression. Sie beschließen gemeinsame Maßnahmen wie Wirtschaftssanktionen gegen Russland oder die Bereitstellung von Finanzhilfen und unzureichenden Waffen- und Munitionslieferungen an Kiew. Mit ihren bescheidenen Mitteln versuchen sie, der Invasion entgegenzuwirken, welche aktuell die Weltordnung erschüttert.

Die Schuld liegt bei der EU

Doch manche Menschen, die sich zurückerinnern, wundern sich über ihre Scheinheiligkeit. Schließlich hatte der Westen selbst beschlossen, untätig zu bleiben und die Krim im Jahr 2014 nicht zu verteidigen. So konnte Putin die Invasion der restlichen Ukraine im Jahr 2022 in aller Ruhe planen.

Die Europäer mögen heute schimpfen und toben, aber sie werden es nie wagen, sich Russland in der Ukraine direkt entgegenzustellen, ohne dass die Vereinigten Staaten mitmachen.

Seit dem 24. Februar 2022 sind die europäischen Staats- und Regierungschefs ratlos und erklären ihren Völkern immer wieder, wie sie den Krieg gewinnen können, ohne jemals entsprechend zu handeln. Die Entsendung von Bodentruppen, die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron in letzter Zeit mehrfach vorgeschlagen wurde, stößt bei seinen europäischen Verbündeten auf wenig Gegenliebe.

Zum ersten Mal wird die westliche Diplomatie mit ihrer eigenen Ohnmacht konfrontiert. Seit Ende des Kalten Krieges sind die europäischen Politiker daran gewöhnt, durch das Ziehen „roter Linien“ Ergebnisse zu erzielen. Sie haben ihre leere Drohung so unintelligent eingesetzt, dass ihre Feinde sie inzwischen nicht mehr ernst nehmen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat Europa an Elan verloren, um einen militärisch starken Kontinent aufzubauen, und jetzt läuft die Zeit davon. Dieses neue Bewusstsein ist paradox. In der Vergangenheit hat die Europäische Kommission die meiste Zeit damit verbracht, Gesetze zu beschließen, die das Leben der Bürger und Wirtschaftsführer zur Hölle machen, anstatt die föderalen Nationen zu stärken. Dabei machen viele dieser Verordnungen überhaupt keinen Sinn.

Über gefährliche Staubsauger und krumme Bananen

Während es also überall in der Welt kriselte, konnte der alte Kontinent ruhig schlafen, weil es der Europäischen Kommission gelungen war, die Gefahren durch Staubsauger einzudämmen.

So werden Staubsaugermodelle mit einer Leistung von über 1.600 Watt in Europa nicht mehr vermarktet. Seit 2017 sind sogar nach der Verordnung 666/2013 Modelle mit einer Leistung von über 900 Watt verboten.

Das Gleiche gilt für Bananen. Die Brüsseler Verordnung Nr. 2257/94 schreibt vor, dass diese Früchte keine „anormale Krümmung“ aufweisen dürfen, um in der EU verkauft zu werden. Das zeigt uns die sehr unangenehme Wahrheit, dass die europäischen Verantwortlichen die Größe und Krümmung von Bananen regelten, während die Russen Panzer und Raketen bauten.

Der Preis dafür, dass viele Jahre lang nichts ins Militär investiert wurde, ist hoch, und Europa wird ihn bis auf den letzten Cent bezahlen müssen. Die EU-Mitgliedstaaten geben zusammen mehr als doppelt so viel wie Russland für das Militär aus, haben aber weit weniger militärische Fähigkeiten.

Die Folgen davon sind immens. Sie betreffen die Sicherheit, die Fähigkeit, eine stabilisierende Rolle in der Welt zu spielen und vorwiegend ein anerkannter und respektierter globaler Akteur zu sein.

Es stimmt, dass sich die Situation immer weiterentwickelt und die Rhetorik auch. Vor nicht allzu langer Zeit erklärten die europäischen Staats- und Regierungschefs schließlich, dass sie alle notwendigen Maßnahmen ergreifen würden, um die Situation in den Griff zu bekommen. Aber das ist zu wenig und zu spät.

Der Dritte Weltkrieg scheint unvermeidlich

Russland ist nur noch wenige hundert Kilometer von den NATO-Ländern entfernt. Wenn es nicht zu außerordentlichen Verhandlungen kommt, scheint der Dritte Weltkrieg unvermeidlich. Und während die Ukraine brennt, zählen die Europäer ihr Geld.

In der Tat ist die wirtschaftliche Lage alles andere als vorteilhaft für sie. Die europäische Wirtschaft hinkt hinterher und die Aussichten auf Besserung schwinden.

Die jüngsten Wirtschaftsprognosen deuten auf ein durchschnittliches Wachstum von 0,8 Prozent in diesem und 1,4 Prozent im nächsten Jahr für die Eurozone beziehungsweise ein Prozent und 1,6 Prozent für die Europäische Union insgesamt hin.

Selbst das BIP der „Wirtschaftslokomotive“ Deutschland wird nach den Prognosen der Europäischen Kommission in diesem Jahr nur um 0,1 Prozent wachsen.

Unterdessen wuchs das russische BIP im ersten Quartal um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, Chinas Wirtschaft wuchs 2023 um 5,2 Prozent, gegenüber drei Prozent im Jahr 2022, und die US-Wirtschaft wuchs 2023 um 2,5 Prozent, mit einer durchschnittlichen Wachstumsprognose von 2,2 Prozent im Jahr 2024.

Diese Zahlen sind in Kriegszeiten besonders wichtig. Die Wirtschaft ist das Lebenselixier des Krieges, und wie alle Kriege ist auch der in der Ukraine vor allem ein Produktivitätskrieg.

Das Problem Nummer eins ist die Munition

Die Sanktionen gegen Russland sind dank der lukrativen Verträge des Landes mit Indien und China gescheitert. Da Russlands Wirtschaft im Kriegsmodus ist, produziert das Land monatlich etwa 250.000 Artilleriegranaten, das heißt rund drei Millionen pro Jahr.

Über das Jahr gesehen ist diese Produktion fast dreimal so hoch wie die aller westlichen Länder zusammen, die an der Militärhilfe für die Ukraine beteiligt sind. Die USA und Europa schaffen es, nur 1,2 Millionen Artilleriegranaten pro Jahr für Kiew zu produzieren.

Trotz der Bemühungen des Westens beginnen sich diese Entscheidungen vor Ort bemerkbar zu machen. Und das trotz der Lieferung von hoch entwickelten Waffen und militärischen Systemen an Kiew. Das Problem Nummer eins ist die Munition. In der Praxis macht das einen großen Unterschied aus, was die Anzahl der täglichen Angriffe betrifft. So feuern die russischen Streitkräfte etwa 10.000 Granaten pro Tag ab, die ukrainische Seite dagegen nur 2.000.

Diese Situation überrascht jedoch kaum. Die russische Industrie wurde in den Dienst des politischen Ziels gestellt. Dies ist in Europa bei Weitem nicht der Fall. Erinnern wir uns an Carl von Clausewitz‘ Maxime, dass der Krieg nur die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Die militärische Strategie muss daher dem politischen Ziel untergeordnet sein und durch wirtschaftliche Macht unterstützt werden.

Der Krieg ist die älteste Beschäftigung der Menschheit. Den Führern eines Landes ist es seit jeher leichter gefallen, einen Krieg zu beginnen, statt ihn zu beenden und Frieden zu stiften. Das liegt daran, dass ein einziger Staatschef einen Krieg beginnen kann, es aber mindestens zwei braucht, um Frieden zu schließen.

Und derzeit bleiben die Stühle am Tisch der Friedensgespräche in der Ukraine hoffnungslos leer, da keine der am Konflikt beteiligten Parteien Interesse an einem stabilen Frieden hat. Die Ukrainer werden warten müssen und massenhaft sterben, da die Chancen auf Friedensverhandlungen ad vitam aeternam* schlecht stehen.

Die Situation entwickelt sich rasant und China gewinnt die Oberhand

Als ich die Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping während des Putin-Besuchs letzte Woche hörte, in der er von seinem Zwölf-Punkte-Plan für einen dauerhaften Frieden in der Ukraine und in der Welt sprach, kam mir dieser Satz von Stefan Zweig in den Sinn: „Bis sie bereit sind, ist das Wort Frieden für die Tyrannen, die sich auf den Krieg vorbereiten, nur ein Lippenbekenntnis.“

Bei dem Konflikt sind die Europäer die Verlierer, nicht aber China, das die Ukraine-Krise nutzt, um seinen Einfluss in Europa, auf dem Balkan und in Asien auszuweiten. Worte sind in der Diplomatie immer sehr wichtig. China muss die Bedenken Russlands in Bezug auf die Ukraine berücksichtigen. Anfangs war China nur bereit, Russland gegen mögliche westliche Sanktionen zu unterstützen, aber es vermied, Russland offen zu unterstützen. Dies ist nun nicht mehr der Fall, und Peking zeigt keine Zurückhaltung bei seiner Unterstützung für Moskau.

Das Spiel um den Einfluss hat begonnen. Seit mehreren Jahren wird Peking vorgeworfen, Spannungen in der asiatischen Region zu provozieren, indem es seine Kontrolle über die Inseln und Atolle im Südchinesischen Meer verstärkt.

In den vergangenen Monaten hat China auch seinen Druck auf Taiwan verstärkt. Wenn China sich mit Krisen befasst, sucht es immer nach Möglichkeiten, davon zu profitieren. Im Fall der Ukraine hat Peking gleich mehrere Trümpfe in der Hand, die dem kommunistischen Regime sehr entgegenkommen.

Das Spiel hinter den Kulissen

Chinas geopolitische Vorteile sind genauso groß wie die Ängste des Westens. Der Westen sieht in Chinas Unterstützung für Russland eine Herausforderung für die Weltordnung. Die Analyse der Amerikaner geht sogar noch weiter. Sie sehen eine Parallele zwischen der Ukraine und Taiwan.

Washington stellt die Unterstützung Pekings für Moskau zu Recht infrage. Die USA vermuten, dass die bewaffnete Invasion in der Ukraine China auf die Idee bringt, die Kontrolle über mehrere umstrittene Inseln im indopazifischen Raum zu übernehmen. So kann es Taiwan destabilisieren und unter seine Kontrolle bringen.

Die chinesische Führung ist offensichtlich klug genug, die Schwäche Europas, aber auch das erschöpfte Russland auszunutzen. Das hinter den Kulissen stattfindende Täuschungsmanöver ist derzeit zu ihren Gunsten.

Die Sanktionen gegen Russland haben Chinas Verlangen nach Gas, Öl und anderen natürlichen Ressourcen geweckt, die nicht mehr von Russland nach Europa, sondern jetzt nach China exportiert werden. Wer hat also wieder gewonnen? China.

Schlimmer noch, wem ist es gelungen, das saubere Image einer vernünftigen, auf Frieden und Entwicklung bedachten Supermacht aufzubauen? China wieder einmal.

Wer hat alle Trümpfe in der Hand, wenn es darum geht, über die Zukunft der asiatisch-pazifischen Region zu entscheiden, nachdem es seine sogenannte geopolitische und strategische Klugheit unter Beweis gestellt hat? Wieder einmal China.

Selbst in ihren kühnsten Träumen hätten sich Mao Zedong und Zhou Enlai nicht vorstellen können, dass China in einem – nach chinesischer Auffassung – so kurzen historischen Zeitraum eine so bedeutende internationale Rolle als Vermittler und Einflussnehmer in der bilateralen und multilateralen Diplomatie spielen darf. Und dabei einen einzigartigen Einfluss innerhalb der Vereinten Nationen und weit darüber hinaus besitzt.

Die USA zeigen sich in ungewöhnlichen Gewand

In Wirklichkeit konnte Präsident Putin seine Interessen in der Welt in den vergangenen zwei Jahren leichter durchsetzen als erwartet. Dabei wurde ihm das von Präsident Biden erleichtert. Anders als für die amerikanische Supermacht üblich, war Biden weniger wachsam und hat schwächer reagiert.

Der Vorsatz, Wirtschaftssanktionen könnten eine großangelegte militärische Expansion aufhalten, erwies sich trotz der finanziellen und militärischen Hilfe als unzureichend. Die Ukraine zahlt einen hohen Preis für die strategischen Fehler ihrer wichtigsten Verbündeten.

Die Schwäche der Biden-Regierung hat Russland nur zu weiteren Aktionen ermutigt, und diese sind noch lange nicht zu Ende. Nach dem Kapitel mit der Krim hat Putin acht Jahre lang geduldig gewartet, bevor er in der Ukraine wieder aktiv wurde.

In den Vereinigten Staaten hat kein Präsident einen solchen Planungs- und Handlungsspielraum. Und genau deshalb dürfen amerikanische Präsidenten gegenüber keinem Staatschef die geringste Schwäche zeigen und schon gar nicht gegenüber einer Atommacht.

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte sehen sich die amerikanischen und europäischen Staatsoberhäupter mit den Risiken einer nicht-westlichen Globalisierung konfrontiert, bei der Europa nichts mehr zu sagen hat. Es fällt den Europäern schwer zu akzeptieren, dass Europa kein wichtiger Akteur mehr ist: Sein historischer Ruhm ist längst vergangen und es steht nicht mehr im Zentrum der Weltpolitik.

Europa fällt es schwer zu akzeptieren, dass seine Zukunft niemals so strahlend sein wird wie seine Vergangenheit. Sein großes Ego aus der kolonialen Vergangenheit kann niemals mit seiner untergeordneten Rolle als Mini-Macht im Kontext der sino-amerikanischen Rivalität zufrieden sein.

Europa ist von nun an zur Bedeutungslosigkeit verdammt, ohne jegliches Gewicht. Und den Amerikanern und den Chinesen ist sehr daran gelegen, dass Russland durch seine kriegerischen Bemühungen geschwächt wird. Deshalb werden die USA die Ukraine weiter unterstützen und China Russland. Ein Gleichgewicht im Bereich der Atommächte lässt sich leichter mit zwei als mit drei Spielern erreichen.

Zum Autor

Boyan Radoykov ist ein internationaler Experte für Politikwissenschaft und Sicherheitsfragen mit langjähriger Erfahrung in der multilateralen Diplomatie. Er ist Mitglied mehrerer Thinktanks in Europa und den USA und arbeitet derzeit an Projekten zur Förderung der menschlichen Entwicklung und des globalen Wissensaustauschs. Er hat einen Hochschulabschluss in Wirtschaftswissenschaften und einen Doktortitel in Politikwissenschaften von der Université de Paris I, Panthéon-Sorbonne. Boyan Radoykovs berufliche Laufbahn hat ihn in über 120 Länder geführt.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.fr unter dem Titel: La guerre en Ukraine a de beaux jours devant elle(deutsche Bearbeitung nh)

* ad vitam aeternam: bis in alle Ewigkeit.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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