Die Magie der Krise

Krisen haben den „zauberhaften“ Effekt, dass Zusammenhänge besser erkannt werden. Das bringt Hoffnung.
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Keramiktöpfe auf einem Markt in Ontario, Kanada.Foto: iStock
Von 8. Mai 2022

Seit Jahrzehnten ist eine Aufblähung des staatlichen Interventionismus und die damit einhergehende Einschränkung individueller Freiheit feststellbar. Die Entwicklung der Steuer- und Abgabenlast und zahlreiche weitere Indikatoren belegen diese Entwicklung. Leider ging dieser Umstand nicht einher mit vermehrter Einsicht in die Schädlichkeit solcher Eingriffe.

Es bleibt daher eine große Herausforderung und Notwendigkeit, das Wissen um wirtschaftliche Zusammenhänge und die nachteiligen Wirkungen interventionistischer Eingriffe möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Es gilt zu beachten, dass dieses Anliegen nicht bei Kindern und Jugendlichen enden, sondern auch Berufstätige oder politische Entscheider miteinbeziehen sollte.

Doch welche „zauberhaften“ Umstände sollten es ermöglichen, dass Kritik an Interventionismus und Planwirtschaft auf fruchtbaren Boden fällt? Welche Umstände wären geeignet, um möglichst viele Menschen zum Grübeln zu bringen und vielleicht sogar bei den Anhängern sozialistischer Ideen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Überzeugungen aufkommen zu lassen?

Die Antwort mag überraschen – es könnte „die Magie der Krise“ sein, welche den erforderlichen Anstoß für ein Umdenken liefert. Während bei klassischen Zaubertricks der Zauberer dafür sorgt, dass die Zuschauer vom wahren Geschehen abgelenkt werden, könnte die Magie der Krise dafür sorgen, dass für viele Menschen sicht- und fühlbar wird, was sonst verdeckt beziehungsweise nicht offensichtlich ist.

Dabei könnten die derzeitigen ersten Einschnitte nur Vorboten anschließender Erschütterungen sein. Das besondere „Potential“ der aktuellen Krise verdeutlicht die Aussage von BASF-Chef Brudermüller, dass „die deutsche Volkswirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs“ kommen könnte.

Welche magischen Wirkungen konnte die aktuelle Krise bereits zum jetzigen Zeitpunkt entfalten? Welche zuvor weniger sichtbaren Zusammenhänge wurden – auch ohne die zu befürchtende weitere Anfeuerung und Eskalation der Krise – bereits besser erkennbar? Werfen wir einen Blick darauf:

Freiwillige Tauschbeziehungen sind für beide Seiten vorteilhaft, weniger internationale Arbeitsteilung bewirkt Wohlstandsverluste

Die Verhängung von Sanktionen wird politisch damit begründet, dass diese das Zielland schwächen und dazu beitragen könnten, zu einer Verhaltensänderung beizutragen. Es zeigt sich nun aber deutlich, dass auch jene Partei geschwächt wird, welche die Sanktionen verhängt. Und es ist gut, dass dies nun für mehr Menschen erkennbar wird.

Die Krise trägt hier dazu bei, eine grundlegende Erkenntnis für das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge deutlich zu machen: Freiwillige Tauschbeziehungen sind für beide Seiten vorteilhaft und die internationale Arbeitsteilung bringt Wohlstandsgewinne für alle Beteiligten.

Politische Interventionen verhindern gegenseitig vorteilhafte Geschäfte. Dies gilt bei der Verhängung von Sanktionen, aber auch bei anderen Eingriffen. Die Festlegung von Höchst- oder Mindestpreisen, die Beschränkung von Auswahlmöglichkeiten oder die Festlegung zusätzlicher Anforderungen machen die noch stattfindenden Geschäfte weniger vorteilhaft und verhindern einige Geschäfte gänzlich.

Dort, wo ein möglicher freiwilliger Tausch (Kauf, Verkauf) national oder international aufgrund von Ge- und Verboten nicht oder nur teilweise zustande kommt beziehungsweise durch unfreiwillige, politisch erzwungene Transaktionen „abgelöst“ wird, entfällt der gegenseitige Vorteil ganz oder teilweise.

Damit wird auch klar, dass Autonomie oder Selbstversorgung und auch die Abschottung vom internationalen Handel die Menschen ärmer macht und keineswegs zu einer Stärkung beiträgt. Geschichte und Gegenwart, zum Beispiel die phasenweise Abschottung Chinas oder die heutige Situation in Nordkorea, liefern Beispiele für diese negativen Effekte.

Es macht einen Unterschied, ob ein einzelner Mensch für sich selbst die Entscheidung trifft harte Einschränkungen in Kauf zu nehmen und als Selbstversorger oder Eremit zu leben, oder ob eine solche Entscheidung auf politischer Ebene getroffen und damit auch jenen Menschen aufgezwungen wird, welche dieser Idee nichts abgewinnen können.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu – in vielen Fällen ist Autonomie unrealistisch beziehungsweise die Stärkung der Selbstversorgung eine Täuschung. Zum Beispiel ändert der Bau von Batteriefabriken in Deutschland nichts daran, dass zahlreiche benötigte Rohstoffe im Land nicht vorkommen oder gewonnen werden können. Dies führt zu einer weiteren Einsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge.

Das dynamische raum- und zeitübergreifende Netzwerk der Tauschbeziehungen ist nicht komplett überschaubar und entzieht sich zentraler Lenkung und Planung

Die Krise hat einige Kreuz- und Querverbindung aufgedeckt, die schon längere Zeit existierten, aber erst jetzt wahrgenommen werden. Beispielsweise dürfte vor der politischen Entscheidung zum Abschalten der Kohlekraftwerke in Deutschland nur wenigen Menschen klar gewesen sein, dass bei deren Rauchgasreinigung Gips anfällt, der künftig fehlen wird.

Wenn diese „Gipslücke“ künftig durch den Abbau natürlicher Gipslagerstätten geschlossen werden soll, kommt es zu Naturschutzkonflikten. Mangelnde Alternativen hätten beispielsweise Auswirkungen auf Neubauaktivitäten oder die Wärmedämmung von Bestandsimmobilien.

Wer nun davon ausgeht, dass die krisenbedingt erfolgte „Aufdeckung“ dieses Zusammenhanges dessen Planbarkeit ermöglicht, verkennt erstens, dass höchstwahrscheinlich weitere Nutzungen von Gips existieren. Zweitens, dass die Abschaltung der Kohlekraftwerke noch weitere Abhängigkeiten erkennbar macht (beispielsweise die Verbindung zur Fernwärme) und drittens, dass dies nur die ersichtlichen Verbindungen sind.

Das Beispiel Gips und Energiepolitik ist nur ein Einziges von Zigtausenden. Wussten Sie, dass indonesisches Palmöl in Biokraftstoffen steckt? War Ihnen die Verbindung zwischen der Arbeit der Bauern in der Ukraine oder der Gewinnung von Pottasche in Russland und der Verfügbarkeit sowie dem Preis von Lebensmitteln bewusst? Kannten Sie den Zusammenhang zwischen den Zulieferern aus der Ukraine oder Asien und den heimischen Arbeitsplätzen in der Automobil- oder Luftfahrtindustrie?

Weitere Verbindungen werden im Laufe der Krise sichtbar werden. Doch auch in der Krise (noch) nicht ersichtliche Zusammenhänge werden wirksam. Eine Verbindung zu einem bislang unbeachteten anderen Aspekt wird nicht dadurch irrelevant, dass diese bislang noch unerkannt blieb.

All dies spricht nicht gegen Planung an sich. Dezentrale Planung der einzelnen Marktakteure unter Einbeziehung des vor Ort verfügbaren Wissens findet natürlich statt. Aber es gibt quantitative und qualitative Unterschiede zwischen politischer Planwirtschaft einerseits und dieser individuellen Planung andererseits.

In einem Fall liegen Handlung und Verantwortung bei einer Person, im anderen gibt es letztlich keine echte Verantwortung der Entscheider, die Konsequenzen tragen die Bürger. In einem Fall sind die Auswirkungen der Entscheidung lokal begrenzt, im anderen grenzenlos – im engeren und im übertragenen Sinne. In einem Fall wird vor Ort verfügbares Wissen genutzt, im anderen übergreifendes „höheres“ Wissen imaginiert.

Die Erhöhung der Geldmenge ist kein Weg zur Beendigung von Krisen und bewirkt die Inflation

Ergänzend kann die Tendenz festgestellt werden, aus politischen Gründen zu „großen Lösungen“ zu greifen. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung der Geldmenge. Seit Jahrzehnten steigt diese stärker als das Sozialprodukt. Doch selbst diese Aufblähung erscheint gering, angesichts der Zuwächse zur Bewältigung beziehungsweise Eindämmung der aktuellen Kriegs- und Krisensituation.

Es sind die Güter und Dienstleistungen, welche den Menschen als Mittel zur Erreichung ihrer individuellen Ziele dienen – nicht das als Tauschmittel dienende Geld. Der fundamentale Irrglaube, mit Geldpolitik Probleme lösen zu können, wird derzeit erkennbar widerlegt.

Was nützt eine größere Geldmenge bei einer kleineren Produktverfügbarkeit, bewirkt durch ein Bündel unterschiedlicher politischer Interventionen – von Einschränkungen der Bewegungsfreiheit vor dem Hintergrund von Corona bis hin zum Krieg in der Ukraine?

Die Krise macht deutlich, dass Geld im Kern „nur“ ein Tauschmittel ist. Es bedarf wohl solcher Krisen, damit mehr Menschen realisieren, „dass man Geld nicht essen kann“, wie es in einer Weisheit der Cree-Indianer heißt.

Die in die Irre führende beziehungsweise täuschende Erfassung der Inflation dürfte ebenfalls stark dazu beitragen, dass der direkte Zusammenhang zwischen Aufblähung der Geldmenge und Inflation außerhalb von Krisenzeiten weniger deutlich hervortritt.

Derzeit spüren viele Menschen beim Einkauf, was Inflation bedeutet. Vielleicht fragen sich nun auch einige, wie man auf den abstrusen Gedanken kam, von „Kerninflation“ zu sprechen, wenn die Preisentwicklung von Lebensmitteln und Energie ausgeklammert wird. Wobei dies nur eine der zahlreichen Irreführungen und Fehleinschätzungen zum Thema ist, die jetzt zumindest teilweise erkennbar werden.

Fazit

Kein einzelner Mensch ohne politische Macht kann einen Krieg befehlen, die Bevölkerung ganzer Städte in ihren Wohnungen einsperren, die Wirtschaft eines ganzen Landes „stilllegen“, den grenzüberschreitenden Handel verbieten oder andere weitreichende Interventionen veranlassen.

Die wünschenswerte Situation ohne solche dunklen, das Leben, die Gesundheit und den Wohlstand bedrohenden Phasen erfordert also die „Einhegung“ politischer Macht, um die Interventionen und ihre schädlichen Folgen möglichst weit einzudämmen. Wird dieser Zusammenhang erkannt, ist ein erster wichtiger Schritt getan.

Durch die Magie der Krise tritt der „zauberhafte“ Effekt ein, dass der Zusammenhang zwischen den Kriegs- und Krisenfolgen, Macht und politischen Interventionen leichter erkennbar wird – ein Funken Hoffnung in schwierigen Zeiten.

Rainer Fassnacht ist ausgebildeter Kaufmann und studierter Diplom-Ökonom. Er lebt in Berlin und ist Autor des Buchs „Unglaubliche Welt: Etatismus und individuelle Freiheit im Dialog“. Außerdem ist er Mitglied im Freundeskreis der Ludwig-Erhard-Stiftung und im Ausschuss Wirtschaftspolitik der IHK Berlin. Dieser Artikel erschien zuerst beim Hayek-Institut Österreich: Die Magie der Krise

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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