Markus Krall: Wie man einer deutschen Schlüsselindustrie das Rückgrat bricht

Laut einer Umfrage des Verbandes der deutschen Automobilindustrie-Zulieferer halten 88 Prozent der Unternehmen den Standort Deutschland und die deutsche Autoindustrie für nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Probleme sind hausgemacht. Ein Kommentar.
Titelbild
Westdeutschland, 1962. Wiederaufbau und wirtschaftlicher Aufschwung spiegeln sich hier in den 1960er Jahren in neuen Autobahnen und Mobilität.Foto: iStock
Von 3. März 2023

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Es gibt in der Wirtschaftspolitik zwei Bedienungsanweisungen, die eine Regierung befolgen kann. Die eine ist kurz, sie besteht nur aus einem einzigen Satz und der lautet: „Halten Sie sich aus dem Wirtschaftsleben heraus, wenn Sie wollen, dass es den Menschen in Ihrem Lande gut geht!“

Die andere Bedienungsanleitung richtet sich an den schlechten Wirtschaftspolitiker, dem das Wohl der Menschen eigentlich egal ist, solange er Aktionismus unter Beweis stellen und seine ideologische Agenda verfolgen kann, egal, wie hoch die Kosten für die Volkswirtschaft und damit für die Menschen des Landes sind. 

Nicht mehr wettbewerbsfähig

Die Umsetzung einer solchen etwas längeren Betriebsanleitung der Planwirtschaft und der politischen Hybris können wir aktuell am Beispiel der Zerstörung der deutschen Automobilindustrie beobachten. Sie wird einem Dauerfeuer politischer Maßnahmen ausgesetzt, das schlicht unmöglich zu überleben ist. Laut einer Umfrage des Verbandes der deutschen Automobilindustrie-Zulieferer halten 88 Prozent der Unternehmen den Standort Deutschland und die deutsche Autoindustrie für nicht mehr wettbewerbsfähig. Als Grund wird auf die Energiekosten, das Lohnniveau, den Fachkräftemangel, die Bürokratie, die zu hohen Steuern und Abgaben und verschlechterte Finanzierungskonditionen verwiesen. Das Lieferkettenproblem sei aber jüngst etwas weniger dramatisch. 

Jedes Einzelne dieser Probleme ist hausgemacht, also von der Politik gemacht. Fangen wir an mit den Energiekosten. Ein Industriestandort wie Deutschland, der seine Vorteile im Wettbewerb aus hochtechnologischer, innovativer Produktion bezieht, ist auf billige Energie angewiesen.

Die Rede ist nicht von irgendeiner Form von Energie, egal zu welchen Kosten. Die Rede ist von billiger, jederzeit verfügbarer, hochgespannter Energie aus Gas und Grundlaststrom. Ist das nicht gegeben, kann nicht zu Kosten produziert werden, die auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Wir müssen hier nicht weit schauen, um das Desaster zu identifizieren, das den Namen „Energiewende“ trägt. Seit Jahren ist es das erklärte Ziel der Grünen, energieintensive Branchen aus dem Lande zu drängen durch systematische Verteuerung und Verknappung von Energie. Der Krieg in Osteuropa kam diesen Leuten zupass, lieferte er doch den Vorwand für den Angriff auf das industrielle Herz des Landes, nämlich die Grundstoffindustrie auf Gas-Basis und die daran hängenden inländischen Lieferketten insbesondere in Richtung Automobilindustrie.

Löhne und Fachkräftemangel darf man getrost zu einem Problemstrang zusammenfassen, denn hohe Löhne sind vor allem dann ein Problem, wenn die Qualität der Arbeit nicht stimmt – was in Deutschland der Fall ist.

„Herr Lehrer, ich weiß was!“

Die Bürokratie ist das Monster, das sich selbst ernährt und immer mehr Ressourcen der Volkswirtschaft sinnlos verschlingt. Hier können wir feststellen, wie Brüssel ständig die Steilvorlagen für mehr Regulierung, Gängelung und sinnlose Formulare liefert, die die kleinen und mittelständischen Unternehmen weit überproportional belasten. Diese Kosten kommen aber auch bei den Konzernen an, in diesem Fall bei VW, Mercedes, BMW und anderen, die unzählige mittelständische Zulieferer haben. Die Konzerne mussten nach der massiven Störung der Lieferketten im Handel mit China eigentlich die strategische Notwendigkeit einer Repatriierung von Teilen der durch Outsourcing verlagerten Produktionskette zurück nach Europa erkennen, besonders bei kritischen Komponenten.

Wie immer sind die Deutschen die gründlichsten und eifrigsten Umsetzer unsinniger Vorgaben aus der EU-Kommission. Über diese „Herr Lehrer, ich weiß was!“-Attitüde können unsere Nachbarn und Wettbewerber nur herzlich lachen. 

Auch beim Thema Steuern und Abgaben sind die Deutschen das, was sie in der Produktion schon lange nicht mehr sind, nämlich führend. Die fiskalische Gier hat unter der Merkel-Regierung – und noch gesteigert unter der „Ampel“ – Ausmaße angenommen, die immer mehr Unternehmen und Leistungsträger aus dem Land treiben. Die schmaler werdende Steuerbasis wird durch noch höhere Belastungen der Zurückgebliebenen ausgeglichen.

Das wäre für viele opferbereite Leistungsträger noch zu ertragen, wenn sie nicht gleichzeitig die Schamlosigkeit mitansehen müssten, mit der sich die politische Klasse aus dem hart erarbeiteten Steuertopf bedient. Da gönnt sich der Klimaminister Robert Habeck einen persönlichen Fotografen, der ihn für 400.000 Euro begleitet, seine Kollegin Annalena Baerbock eine Visagistin für 90.000 Euro im Jahr und ihre grüne Parteifreundin Bettina Jarasch einen Fotografen für 70.000 Euro pro Jahr. Alles auf Kosten der Steuerzahler, also der Unternehmen und Angestellten in diesem Land. 

ESG nach chinesischem Vorbild

Kommen wir zu den Finanzierungskonditionen. Auch hier übt sich die von ihrer grünen Planwirtschaft beseelte Politik im Machbarkeitswahn. Unter dem Titel „ESG“ („Environmental & Social Governance“) hat man der Finanzindustrie eine neue Art von Rating aufgezwungen, das in Wahrheit kein Rating ist, sondern ein Social Scoring nach chinesischem Vorbild. Wer morgens früh beim Aufstehen 50-mal das Wort „Nachhaltigkeit“ vor sich hinmurmelt, bekommt wahrscheinlich Zuschläge, wer aber nicht den Vorstellungen grüner Moralapostel entspricht, der bekommt Abschläge. Wer fossile Energien fördert, damit handelt oder sie nutzt, bekommt Abschläge, denn das ist „braune“ Energie. Ein Schelm, der bei dem Wort „braun“ was Falsches denkt. 

Wer Windräder baut, aufstellt oder betreibt, bekommt Zuschläge und Fleißkärtchen vom Lehrer. Man könnte das Ganze für eine harmlose Spinnerei halten, wenn die Folgen nicht so destruktiv und wohlstandszerstörend wären. Das sind sie aber, denn sie führen zu einer gewaltigen Verzerrung der Kapitalallokation in der gesamten Volkswirtschaft.

Wettbewerbsfähige Industrien werden so durch überteuerte Finanzierungskosten abgestraft, unsinnige Investitionen gefördert, weil sie in das ideologische Weltbild ungebildeter Politiker passen und die Kreditbücher der Banken und Investoren werden so mit einer riesigen Blase schlechter Kredite gefüllt, die die nächste Finanzkrise programmieren. 

Was für die Autoindustrie aber noch schlimmer ist, das sind die strategischen Fehlentscheidungen, die aus solcher Art politischer Mikrosteuerung resultieren. Konkret spreche ich hier von der sogenannten E-Mobilität, die in Wahrheit eine Immobilität ist, denn sie ist nicht durchführbar. Sie ist vor allem deshalb nicht realisierbar, weil man dafür Rohstoffe braucht, die der Planet nicht hergibt, jedenfalls nicht zu bezahlbaren Kosten. 

Außerdem braucht man für die Elektromobilität eine grundlastfähige Energieversorgung und nicht einen energietechnischen Wackelkontakt wie Windrädchen und Solarplättchen. 

Schwarzer Schwan „China“

Bürokratie, ESG, konkrete Vorgaben bei der Flottenemission und der permanente politische Druck auf das Management der Industrie zeigen Wirkung: Alle investieren in eine in Wahrheit totgeborene Technologie namens E-Mobilität, als gäbe es kein Morgen. Verzeihung, jetzt habe ich doch glatt dem Ergebnis vorgegriffen, denn genau so ist es auch: Es gibt kein Morgen, jedenfalls nicht für die deutsche Industrie im Allgemeinen und die Autoindustrie im Besonderen, wenn nicht bald korrigierend eingegriffen wird. 

Diese Milliardeninvestitionen werden sich als versenkt erweisen und sie werden ein Loch in die Bilanzen reißen, von dem sich diese Branche lange nicht erholen wird, denn nicht nur ist das Geld weg, es fehlt auch für wirklich zukunftsweisende Investitionen in neue Technologien und in einen ergebnisoffenen Wettbewerb um das beste Antriebskonzept der Zukunft. 

Was die Zulieferunternehmen bei ihrer Umfrage allerdings noch vergessen haben, ist der schwarze Schwan eines von unserer Politik mutwillig befeuerten Großkonfliktes mit China. Wenn dieser eskaliert, sind alle deutschen Autohersteller mit einem Schlag bankrott. Der Grund ist ganz einfach: Nirgendwo haben die deutschen Hersteller mehr investiert als in China. Viele Milliarden an Werten in Form von Fabriken, Ausbildung, Marktzugang und Know-how sind in den letzten 30 Jahren ins Reich der Mitte geflossen.

Wenn irgendjemand glaubt, man könne mit China so verfahren, wie man das die letzten Jahre, insbesondere die letzten zwölf Monate mit Russland getan hat, dann wird er oder sie oder es sehr schnell feststellen, dass wir da am kürzeren Hebel sitzen. Dieses gewaltige Vermögen würde nämlich dann von der chinesischen Regierung ohne Zweifel beschlagnahmt und enteignet werden. Warum sollte eine kommunistische Regierung nicht tun, was die EU gerade mit russischen Vermögen vorexerziert hat. Ja, Karma wirkt immer. 

Das wäre dann das Ende vom Lied. Die Alternative: ein Rettungsschirm für die Autohersteller durch die Politik für ein paar Hundert Milliarden Euro. Wir haben es ja.

Dr. Markus Krall ist promovierter Diplom-Volkswirt und beriet 30 Jahre in 40 Ländern Banken, Versicherungen, Regierungen und supranationale Organisationen, unter ihnen einige der Top-20-Finanzinstitutionen der Welt. Er war zuletzt CEO der Degussa Goldhandel und arbeitet als Publizist zu Fragen der Wirtschaft und Geldpolitik. Er ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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