Norbert Häring: Der Griff der Großkonzerne nach der Weltherrschaft und die Selbstentmachtung der UN

Das "Memorandum of Understanding" ist ein weiterer Schritt der Selbstentmachtung der UN und ein weiterer Meilenstein für den Club der Multis auf dem Weg zu seinem erklärten Ziel - der Weltherrschaft. Zu starker Tobak? Lesen Sie selbst.
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Schöne neue Welt? "Was sind die Vorteile für die Vereinten Nationen, aus ihrer Selbstentmachtung zugunsten der Konzerne?" (Norbert Häring)Foto: iStock
Von 9. Juli 2019

Das Weltwirtschaftsforum und die Vereinten Nationen (UN) haben ein Memorandum of Understanding zur Intensivierung ihrer Zusammenarbeit unterzeichnet. Es ist der UN erkennbar peinlich – aus gutem Grund. Es ist ein weiterer Schritt der Selbstentmachtung der UN und ein weiterer Meilenstein für den Club der Multis auf dem Weg zu seinem erklärten Ziel – der Weltherrschaft. Zu starker Tobak? Lesen Sie selbst, was das Weltwirtschaftsforum zu dem Thema schreibt.

Um die jüngste Kooperationserklärung zwischen dem Weltwirtschaftsforum und den Vereinten Nationen einordnen zu können, muss man 10 Jahre zurückgehen, ins Jahr 2009. Damals hat eine „Global Redesign Initiative“ (GRI) des Weltwirtschaftsforums nach 18 Monaten Arbeit vieler Arbeits- und Beratergruppen einen Bericht veröffentlicht, wie sie sich die künftige Weltregierung (Global Governance) vorstellt.

Das Weltwirtschaftsforum ist eine Lobby der 1000 größten multinationalen Konzerne, die sich „DIE internationale Organsiation für öffentlich-private Kooperation“ nennt. Das Forum zieht nach eigener Darstellung „die wichtigsten politischen Wirtschafts- und sonstigen Führer der Gesellschaft hinzu, um globale, regionale und Branchen-Agenden zu bestimmen“. Die Richtung geben die 100 größten und einflussreichsten vor, die das meiste Geld beisteuern.

In allen wichtigen Ländern hat das Forum in den größten Städten „Hubs“, in denen die „Global Shapers“ miteinander vernetzt werden. Das sind vom Forum ausgesuchte, einflussreiche oder aufstrebende Menschen aus Unternehmen, Kulturszene und Bürgerbewegungen. Die jährlichen Treffen des Forums in Davos, bei denen das Who is Who der internationalen Regierungschefs den Konzernmächtigen ihre Aufwartung macht, ist also nur die Spitze eines Eisbergs an Einflussnahme.

Der GRI-Abschlussbericht hörte auf den Namen „Everybody‘s Business: Strengthening International Cooperation in a More Interdependent World“ und war 600 Seiten lang. Das Forum scheint ihn zwischenzeitlich von seiner Website entfernt zu haben. Der Link zum Download des Reports auf der einschlägigen Seite des Forums funktioniert nicht mehr.  (Nachtrag: Dank an Andrew McQuinn, der mir einen funktionierenden Archiv-Link zu „Everybody’s Business“ zugeschickt hat, von Jonathan Mai bekam ich einen Link zum Bericht via Harvard-Uni.) Es gibt eine Kurzfassung in Form eines Readers‘ Guide, auf der Website der University of Massachusetts Boston, aus der ich im Folgenden zitieren werde (jeweils meine eigenen, inoffiziellen Übersetzungen).

Beginnen wir mit der Feststellung, dass die Konzerne schon lange mächtiger sind als die UN. Das wollen die Konzerne anerkannt und in formelle Mitregierungsrechte transformiert sehen: Im O-Ton:

„Im Fall der Multinationalen Konzerne hat ihre effektive Reichweite als de-facto Institutionen der globalen Governance schon lange die Tätigkeit des UN-Systems überflügelt. (…) Multinationale Konzerne und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen als vollwertige Akteure im globalen Governance System anerkannt werden, nicht nur als Lobbyisten.“

Das soll dann so aussehen, dass die Konzerne die Entscheidungen treffen und die UN und die Regierungen diese Entscheidungen dann den Völkern verkaufen und sie nachträglich legitimieren:

Koalitionen der Willigen und Fähigen sollten die Führungsrolle bei der Bewältigung ungelöster globaler Probleme übernehmen.

Der Ansatz des Forums besteht darin, das Davos-Modell in den Status einer neuen expliziten Form der globalen Governance zu erheben. ‘Multi-Stakeholder-Gruppen’, ‘Öffentlich-Private-Partnerschaften’ oder ‘Koalitionen der Willigen und Fähigen’, wie sie im Report Everybody’s Business genannt werden, sollten die Führungsrolle bei der Bewältigung ungelöster globaler Probleme übernehmen.

Es ist nicht nötig, zu warten, bis das Interregierungssystem allgemeinen Konsens erreicht hat, um zu handeln. Das offizielle Interregierungssystem kann dem Multi-Stakeholder-Prozess de-facto-Anerkennung verschaffen und es kann, nachträglich, die Ergebnisse einer bestimmten Öffentlich-Privaten-Partnerschaft mit juristischer Legitimation ausstatten.”

Warum das besser ist als das bisherige System, wird so begründet:

Identifizierte Probleme können schneller angegangen werden, ohne zögerliche Regierungen, altmodische, engstirnige Manager und abweichende Meinungen in der Zivilgesellschaft. Diejenigen, die die richtige Kombination von Partnern finden, gehen voran, solange die anderen Schlüsselinstitutionen der internationalen Governance nicht allzusehr aufbegehren.”

Probleme können schneller angegangen werden, ohne zögerliche Regierungen und abweichende Meinungen in der Zivilgesellschaft.

Die Rolle, die für die Vereinten Nationen bleiben soll, hat das Forum noch etwas genauer ausformuliert. Es sieht vier “essentielle neue Rollen” für die UN vor:

Sie können in verschiedenen Rollen als Spieler in Multi-Stakeholder-Koalitionen außerhalb des UN-Systems (also ohne irgendwleche demokratische Kontrolle und Aufsicht N.H.) teilnehmen.

Sie können ihren Segen oder ihr Einverständnis zu globalen Öffentlich-Privaten-Partnerschaften und deren Ergebnissen geben.

Sie können sich diejenigen globalen Angelegenheiten kümmern, die nicht von Multi-Stakeholder-Koalitionen oder den G20 angegangen werden.

Und sie können ihre Türen für nichtstaatliche Akteure öffnen, insbeosondere besorgte multinationale Konzerne, damit diese der UN helfen, ihre eigenen Politiken zu entwickeln und um zu helfen, UN-Programme in Entwicklungsländern auszuführen. (…) Wenn man Manager Multinationaler Konzerne und ausgewählte Führer der Zivilgesellschaft in die formelle Führung globaler Institutionen aufnimmt, steigert das die Effektivität dieser globalen Organisationen und die Legitimität der Globalisierung.”

Wenn man Manager Multinationaler Konzerne in die Führung globaler Institutionen aufnimmt, steigert das die Legitimität und Effektivität dieser Organisationen

Wenn immer wieder “zivilgesellschaftliche Organisationen” neben den Konzernen genannt werden, dann soll das wohl den Eindruck erwecken, es gehe den Konzernen nicht ausschließlich darum, die eigene Macht zu mehren. Doch das täuscht, wie man schnell feststellt, wenn man sich dem Kapitel zuwendet, das die Rolle beschreibt, die das Forum diesen Organisationen zugedacht hat.

Sie besteht zum einen darin, dass sie den Topmanagern der Multis Informationen aus ihrem Aktionsbereich zukommen lassen und zum anderen darin, einen Kanal für die Propaganda des internationalen Kapitals zu bieten:

Diese Führer der Zivilgesellschaft können wichtige Kanäle sein, um zu helfen, wichtige ideologische Botschaften von den internationalen Eliten an unterschiedlichste Gemeinschaften auf der ganzen Welt zu senden.”

Das folgende Zitat macht deutlich, was die Vorteile der Zusammenarbeit mit der UN für die Konzerne sind und deutet gleichzeitig an, dass man langfristig mit einer gleichberechtigten Rolle nicht zufrieden ist, sondern die Führung übernehmen will:

Die Vorteile des Zusammeführens des informellen, marktbasierten Systems mit dem offiziellen, staatenzentrierten System wären, dass Multis nicht länger außerhalb der Tore wären, sondern als gleiche oder gar mehr als gleiche Partner in ein transformiertes UN-System eintreten würden.”

Multis würden als gleiche oder gar mehr als gleiche Partner in ein transformiertes UN-System eintreten.

Aber was sind die Vorteile für die Vereinten Nationen, aus ihrer Selbstentmachtung zugunsten der Konzerne? Da gibt es nicht viel. Es ist ja auch keine freiwillig gewählte Selbstentmachtung. Vielmehr werden die Vereinten Nationen von den reichen Industrienationen, allen voran den USA, finanziell immer knapper gehalten. Sie werden gedrängt, sich das fehlende Geld von den reichen Konzernen zu besorgen, die aus diesen reichen Industrieländern, allen voran den USA, gesteuert werden.

Dieses Geld gibt es natürlich nicht umsonst, und so haben die Konzerne einen sehr langen Hebel, ihr Geld gegen Macht und direkte Beteiligung an der “global Governance”, aka Weltherrschaft oder Weltregierung einzutauschen.

Ausführlich und kritisch analysiert haben diese Strategie, und die großen Fortschritte, die die Konzerne auf diesem Weg schon gemacht haben, Barbara Adams und Jens Martens in der 2015 veröffentlichten Studie “Fit for whose purpose? Private funding and corporate influence in the United Nations und in der 2018 veröffentlichen Studie “The UN Foundation – A Foundation for the UN?”. Adams war unter anderem stellvertretende Koordinatorin der UN für die Beziehungen zu Nichtregierungsorganisationen und Leiterin Strategische Partnerschaften und Kommunikation des United Nations Development Fund for Women (UNIFEM).

Weil kein Konzern gezwungen ist, mitzumachen, sondern das strikte Freiwilligkeitsprinzip gilt, enthalten die Vereinbarungen des Forums mit der UN nichts, was die Konzerne stören könnte. Beim Thema Finanzierung von Entwicklung und anderem wird zum Beispiel nie erwähnt, dass die Multis dazu übergehen sollten, Steuern zu zahlen, anstatt ihre Gewinne in karibische Steueroasen zu verschieben. Sie werden lediglich eingeladen, ein bisschen was von den nicht gezahlten Steuern zweckgebunden der UN zu überlassen, damit sie einige der Aufgaben erledigt, für die den künstlich knapp gehaltenen Entwicklungsländern das Geld fehlt.

Die Vereinten Nationen haben eine Rolle – wenn auch eine, die nicht in der UN-Charta vorgesehen ist – in der Umgestaltung der globalen Governance im Sinne des Weltwirtschaftsforums.

Weil die Unterwerfung der UN unter die Konzerne keine gute Presse hat (siehe obige Studien) und von vielen der weniger mächtigen Länder kritisch gesehen wird, ist kein Wunder, dass die UN einen Mantel des Schweigens über das Memorandum legt, das sie mit der Konzernlobby abgeschlossen hat.

Auf der Website der UN findet man nichts zum Inhalt oder gar das Memrandum selbst. Nicht einmal die Unterzeichnungszeremonie mit den beteiligten Personen wird gezeigt. Lediglich ein Foto eines Füllhalters, der angeblich zur Unterzeichnung des Abkommens verwendet wurde, ist auf der Website zu finden. Für Informationen zum Inhalt muss man sich auf die Website des Weltwirtschaftsforums begeben. Dort wird den Mitgliedern der jüngste Erfolg stolz präsentiert.

UN-Generalsekretär António Guterres verzichtete auch vorsorglich darauf, das Abkommen vorab den Mitgliedsländern zur Diskussion und Abstimmung zu stellen. Das wäre durchaus angezeigt gewesen, weil die immer engere Einbindung der Konzerne in die Arbeit und Entscheidungsfindung der UN  der Charta der Vereinten Nationen zuwiderläuft. Zumindest sieht das Weltwirtschaftsforum das so. So heißt es im Readers’ Guide zur Studie “Everybody’s Business”:

Die Vereinten Nationen haben eine Rolle – wenn auch eine, die nicht in der UN-Charta vorgesehen ist – in der Umgestaltung der globalen Governance im Sinne des Weltwirtschaftsforums. Die richtige Balance zu finden, zwischen dem in der UN-Charta vorgesehenen staatenzentrierten Governance-System und einem firmenzentrierten, Multi-Stakeholder-Governance-System wird, in den Augen des Weltwirtschaftsforums, beide Systeme effektiver machen.”

Hinweis: Zuerst hat Harris Gleckman auf Open Democracy über das jüngste Memorandum zwischen UN und Weltwirtschaftsforum geschrieben:

How the United Nationas is quietly being turned into a public-private partnership.

Mehr Texte von mir zu den Allmachtsallüren und Umtrieben des Weltwirtschaftsforums:

Wie die Konzerne die Vereinten Nationen unter ihre Kontrolle brachten. (Jan 2019)

Wozu sich Deutschland mit dem UN-Migrationsabkommen wirklich verpflichtet und was das Weltwirtschaftsforum damit zu tun hat (Juli 2018)

Das Weltwirtschaftsforum lässt eine totalitäre Horrorvision wahr werden. (Feb 2018)

Zuerst erschienen auf www.norberthaering.de

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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