NRW-Innenminister Reul warnt vor Ausländerkriminalität und wird mit früherer Schönfärberei konfrontiert

Die Daten der Kriminalstatistiken der Länder bilden die Grundlage für die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundes. NRW-Innenminister Reul schlug jetzt Alarm wegen eines Anstiegs der Ausländerkriminalität. Eine analytische Spurensuche.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht mit einem Polizisten der Spezialeinheiten.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht mit einem Polizisten der Spezialeinheiten.Foto: Roland Weihrauch/dpa
Von 22. März 2024

Der 71-jährige nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU), der dieses Amt seit 2017 innehat, hat jetzt offenbar eine Art Reißleine gezogen und noch vor Veröffentlichung der eigentlichen Kriminalitätsstatistik des Landes den Aspekt Ausländer- und Zuwanderungskriminalität herausgenommen und hier einen eklatanten Anstieg festgestellt.

Der Vorgriff von Reul liegt einzig im Ermessen des Innenministers, hat aber in den letzten Tagen für eine teils hitzige Debatte gesorgt. Mit seinem Vorstoß hat Reul etwa den Vertretern der Bundesregierung die Möglichkeit genommen, zu diesen Daten ihrerseits vorab eine Interpretation vorzubereiten, möglicherweise zu dem Zweck, eine politische Verantwortung zu minimieren.

Die Kriminalstatistiken der Länder bilden zusammengenommen den Datenpool für die darauffolgende Statistik des Bundes. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für die Bundesrepublik Deutschland wird nämlich vom BKA auf der Grundlage der von den 16 Landeskriminalämtern gelieferten Landesdaten erstellt.

Warum ist es der Bundespolitik so wichtig, hier eine Kontrolle zu behalten, wenn doch die einzelnen Datensätze der Länder bei der Zusammenstellung der PKS des Bundes längst feststehen?

Hier kommen die Medien ins Spiel. Die PKS wird – übrigens ähnlich wie die Landesstatistiken –  jedes Jahr um etliche Seiten länger und zusätzlich noch ergänzt durch Fachbroschüren und weitere Tabellen und Auswertungen. Für Redaktionen bedeutet das jedes Mal einen immensen Aufwand, diese Hunderte Seiten auszuwerten und zu bewerten.

Instantbericht für Redaktionen

Um den Medien die Arbeit zu erleichtern, liefern sowohl die Länder als auch der Bund bei der Präsentation der PKS eine viel kürzere Einordungshilfe, eine Pressemitteilung, die bereits vorgefertigte Lesarten und Interpretationen der Zahlen für die Medienvertreter anbietet.

Überwiegend werden diese angebotenen Interpretationen dann auch zur Grundlage der Berichterstattungen. Diese Vorabveröffentlichung von Reul, die inhaltlich einer Alarmmeldung gleichkommt, kann als Hilferuf von Reul verstanden werden, der endlich klare Kante beweisen will, wenn man sich die Schlagzeilen der Veröffentlichungen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) der letzten Jahre einmal genauer anschaut.

Beginnend mit der Innenministertätigkeit von Reul liest man auf der Seite der Polizei von NRW, welche die Statistiken Jahr für Jahr veröffentlicht, fast durchweg nur Erfolgmeldungen:

2017 — „Diebstahlszahlen auf 30-Jahres-Tiefststand. Beste Aufklärungsquote seit fast 60 Jahren. Minister Reul: ‚Eine gute Nachricht und ein schönes Lob für die Arbeit unserer Polizei.‘“

2018 – „Kriminalität in Nordrhein-Westfalen geht erneut stark zurück – Rückgang der Wohnungseinbrüche um fast ein Viertel – Höchste Aufklärungsquote in der NRW-Geschichte – Minister Reul: ‚Tolles Zeugnis für die 42.000 Polizistinnen und Polizisten im Land.‘“

2019 – „Kriminalität in Nordrhein-Westfalen 2019 auf niedrigstem Stand seit 30 Jahren – Statistik: Weniger Gewalt- und Straßenkriminalität, Rückgang bei Einbruch – Reul: ‚Die Null-Toleranz-Strategie wirkt. Und das spiegelt sich in den Zahlen wider.‘“

2020 – „Erfolgreicher Trend setzt sich fort: Kriminalität in NRW weiter auf Tiefstand – Reul: ‚Durch Corona sehen wir eine Kriminalitätsverschiebung.‘“

2021 – „Kriminalität so niedrig wie zuletzt 1985: Einbruch auf 40-Jahres-Tief, Zuwächse bei Kinderpornografie und Cybercrime – Minister Reul: ‚Das Minus an Straftaten ist ein Plus an Sicherheit – wir sind aber noch lange nicht fertig.‘“

Für 2022 (im Folgejahr 2023 veröffentlicht) erfolgt dann erstmal ein kritischerer justierter Blick: „‚Nach-Corona-Statistik‘: Zuwächse bei Diebstahl und Körperverletzung – Minister Reul: ‚Die Zahlen sind ein Arbeitsauftrag. Für die Polizei, aber genauso für uns als gesamte Gesellschaft.‘“

Es geht schon seit Jahren so

Herbert Reul ist jetzt also mit einem ersten Teilergebnis an die Öffentlichkeit gegangen, um eine eklatante Zunahme der Ausländerkriminalität für 2023 bekannt zu geben. Allerdings gibt es keine gravierenden Ereignisse, welche eine plötzliche Steigerung von 2022 auf 2023 rechtfertigen könnten. Dachte man in den Innenministerien über Jahre hinweg, diese Entwicklung noch umkehren zu können?

Wenn Minister Reul heute mitteilt, man müsse jetzt „über Ausländerkriminalität reden“, dann bedeutet das nicht, dass es in den Jahren zuvor keine gegeben habe.

Ein Beispiel: 2021 stellt der damalige Innenminister Horst Seehofer die PKS für 2020 vor. Seehofer freute sich unter anderem über den Rückgang von Ladendiebstählen, was allerdings angesichts vieler aufgrund der Corona-Maßnahmen geschlossenen Läden alles andere als eine Erfolgsmeldung der Polizeiarbeit war.

Das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) folgt damals den Interpretationsangeboten der Pressemitteilung und schrieb, die Zahl der Straftaten sei zurückgegangen. Und das nicht erst 2020, sondern auch schon in den Vorjahren: „Der Trend widerspricht allen Befürchtungen, der Zuzug von knapp zwei Millionen Flüchtlingen werde das Land destabilisieren. Das tut es nicht.“

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Das RND hat sich einen Bären aufbinden lassen oder von 2020 bis 2023 und hin zu Reuls Alarmmeldung ist Dramatisches passiert.

Da nun aber die Länderstatistiken die Grundlage der PKS des Bundes sind, sind mindestens die Statistiken der Länder ausreichende Hinweisgeber, wenn es darum geht, wie es um das Land insgesamt bestellt ist. Das gilt noch einmal mehr für die großen Bundesländer wie NRW und Bayern.

Die Belege sind seit Jahren auf dem Tisch

In der Kriminalstatistik 2019 hatten es beispielsweise die Zahlen aus Bayern für bestimmte Deliktfelder längst eindrucksvoll belegt:

Nehmen wir die Statistik der Straftaten gegen das Leben für 2019, standen hier 214 nichtdeutschen Tatverdächtigen 383 Deutsche gegenüber (einschließlich solcher mit Migrationshintergrund). Und noch genauer: Von den 214 Nichtdeutschen (35,8 Prozent) sind 78 Zuwanderer der Massenzuwanderung ab 2015. Für die einzelnen Deliktfelder sieht es dann folgendermaßen aus:

„Bei Körperverletzungen sind es 36,7 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Gewaltkriminalität 44,4 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Rauschgiftkriminalität 31,7 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Diebstahl 42,4 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Wohungseinbruchdiebstahl 47,7 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Raub/räuberische Erpressung 46,2 Prozent nichtdeutsche Täter.

Und bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind 30,6 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Straßenkriminalität sind 36,7 Prozent nichtdeutsche Täter.“

Aber zurück nach NRW und zu Herbert Reul. Der hatte gegenüber den Medien Sätze wie den Folgenden gesagt: „Wir haben kein Problem mit Ausländern, sondern mit Kriminalität von nichtdeutschen Tätern.“ Aber was will er damit sagen?

Laut Reul besitze gut jeder Dritte der insgesamt ermittelten 484.642 Tatverdächtigen im Jahr 2023 keinen deutschen Pass. Noch heikler: In dieser Statistik wurden jene ausländerrechtlichen Verstöße bereits herausgerechnet, die Statistiken zu Ungunsten von Ausländern aussehen lassen können.

„Nichtdeutsche sind deutlich überrepräsentiert. Und das bei fast allen Delikten“, befand Reul.

Wenn der NRW-Innenminister den Deutschen beziehungsweise der deutschen Politik wiederum eine Schuld zuweist, sie hätten ihre „Hausaufgaben bei der Integration nicht gemacht“, dann ist das kaum geeignet, die Kriminalität von Zuwanderern einzudämmen. Denn der Deutsche Städtetag, die Städte und Kommunen haben ganz andere Sorgen, als sich um die Integration zu bemühen, sie wissen nicht einmal mehr, wie sie die vielen Zuwandernden unterbringen sollen.

Das erfuhr auch der Bundeskanzler eindrücklich bei seinem Besuch auf dem vergangenen Deutschen Städtetag und er erfährt es regelmäßig auf den Migrationsgipfeln mit den Ministerpräsidenten der Länder.

„Wenn wir es aber nicht schaffen, die Menschen ordentlich zu integrieren, dann wird die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen weiter nach oben gehen“, warnte Reul jedoch vor nichts Neuem. Neu ist allenfalls, dass die hohe Kriminalität von Zuwanderern überhaupt in der Form und vorab so offen kommuniziert wird.

Der Fuchs im Hühnerstall

Aber anstatt sich nun auch auf Bundesebene intensiv mit der Problemstellung zu befassen, sieht sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul plötzlich in eine Verteidigungshaltung gedrängt.

Am Mittwoch sagte Reul in der Sendung „RTL Direkt“, er habe die genannten Zahlen gezielt untersuchen lassen. Seine Begründung dafür: „Wenn Sie Probleme, die da sind und die Menschen spüren, nicht benennen, sagen die: Die da oben, die da in der Politik, wissen gar nicht was los ist. Warum leugnen sie die Probleme?“

Reul sagte dem Sender gegenüber weiter, dass er auf diesem Wege Gerüchten und Verschwörungen keinen Spielraum geben wollte. Schaut man sich die eingangs genannten Veröffentlichungen zu den Kriminalstatistiken aus dem NRW-Innenministerium ab 2017 an, die Jahr für Jahr neue Erfolge vermelden, dann kann man allerdings durchaus auch den Eindruck gewinnen, Reul habe mit seinem Vorpreschen eine Art Notanker geworfen.

Ganz gleich, ob Länder- oder Bundespolitik: Die Probleme sind seit 2015 bekannt. Ebenso, dass diese Probleme wachsen und nicht geringer werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser reagiert auch prompt auf Reuls Vorstoß und erklärt gegenüber der „Rheinischen Post“, es gebe soziale Ursachen, aber es gebe niemals eine Rechtfertigung für Gewalt. Hier müsse der Grundsatz gelten: „null Toleranz“. Und Faeser macht Vorschläge, wie dem zu begegnen sei:

„Wir brauchen mehr Prävention und zugleich die harte Hand des Staates. Denn die Kriminalstatistiken der Länder zeigen eine Zunahme der Jugendgewalt und der nichtdeutschen Tatverdächtigen. (…) Mir ist wichtig, dass der Rechtsstaat hart gegen Gewalt durchgreift. Täter müssen die Konsequenzen spüren. Das heißt konkret: schnelle Verfahren, konsequente Verurteilung, spürbare Strafen. (…) Das schließt bei ausländischen Tätern auch ein, dass sie Deutschland deutlich schneller verlassen müssen.“

Nancy Faeser und Herbert Reul

Dafür sei, so Faeser weiter, mit dem Gesetzespaket für schnellere Rückführungen, insbesondere von Straftätern, gerade die Grundlage geschaffen worden.

Zur Prävention äußert sich Faeser wie folgt:

„Wir müssen bei den sozialen Ursachen ansetzen, die sich hinter Kriminalität und Gewalt verbergen. Dazu gehören fehlende Schulabschlüsse und Perspektivlosigkeit. Gute Sozial- und Bildungspolitik ist die beste Prävention. (…) Außerdem setzen wir auf Integration von Anfang an. Wir haben die Teilnehmerzahlen der Integrationskurse verdreifacht, um gerade auch bei jungen Erwachsenen vom ersten Tag in Deutschland an zu zeigen, welche Regeln und Werte bei uns gelten.“

Der Innenminister des Landes sieht das allerdings drastischer als die Bundesministerin. Reul ist mittlerweile davon überzeugt, dass wir uns zu viel Zuzug zumuten. Integration stoße an Grenzen, wenn man zu viele Menschen dazunehme. Und weiter gegenüber „RTL Direkt“: „Wir haben vermutlich auch nicht genug beigetragen, um denjenigen, die zu uns gekommen sind, zu erläutern, zu erklären, zu vermitteln, wie unser System funktioniert.“

Da, wo Nancy Faeser immerhin eine Willensbekundung Richtung NRW und Reul sendet, ist Lamya Kaddor, die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, längst nicht so entgegenkommend. Sie kritisiert den Reul-Vorstoß und warnt vor „Verzerrungen“.

Keine Entwicklung von heute

Die Zahlen der Kriminalstatistik in NRW seien zwar tatsächlich besorgniserregend und zur Kenntnis zu nehmen. „Allerdings handelt es sich bei den Daten um NRW-interne, aus dem Kontext des Gesamtberichts herausgenommene Erhebungen. Daher braucht es für eine Bewertung noch weitere Betrachtung“, erklärte Kaddor ebenfalls gegenüber der „Rheinischen Post“.

Auf der Suche nach einer weniger zuwanderungskritischen Erklärung für die Kriminalitätszunahme sagt Kaddor, es kämen halt auch mehr Ausländer zu uns, dementsprechend habe sich auch die Täterstruktur verändert.

Die von Minister Reul vorab veröffentlichte hohe Kriminalitätsrate von Zuwanderern ist keine Entwicklung von heute auf morgen, sie wächst seit 2015 kontinuierlich an. Herbert Reul hat sich nur entschieden, damit jetzt öffentlich zu werden.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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