Politik mit dem Opferstatus

Wenn politisches Handeln nicht begründet kritisiert, sondern Personen diffamiert werden. Kolumne von Guiseppe Gracia.
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Symbolbild.Foto: Khosrork/iStock
Von 13. November 2022

Unter Aktivisten und politischen Gruppen hat es heute System, sich in der Öffentlichkeit betroffen und bekümmert zu geben. Statt im Diskurs Argumente zu widerlegen oder Denkarbeit zu leisten, geht man in die Rolle des Vertreters von Opfergruppen oder des Opfer selbst, um anzuklagen und Forderungen zu stellen. Statt aufzuzeigen, warum gewisse politische Ideen schlecht sind, zeigt man lieber auf, warum gewisse Menschen schlecht sind. Schlechte Menschen: Das sind die Täter.

Es inszenieren sich neben den Politikern auch gern Medien- und Kulturschaffende als Stimme von Diskriminierten, um sich mit moralischer Überlegenheit auszustatten. Die Methode besteht oft darin, den politischen Gegner gezielt zu missverstehen und ihm rassistische, sexistische oder rechtsradikale Aussagen zu unterstellen – desgleichen böse Absichten, die auf einen bösen Charakter hinweisen.

Wohlgemerkt: Es gibt in unserer Gesellschaft Rassimus, Sexismus oder Rechtsextremismus. Doch der überhandnehmende Gebrauch dieser Begriffe gehört zur politischen Strategie des Diffamierens. Um selbst gut dazustehen, werden dem Publikum als abschreckendes Beispiel übelwollende Antagonisten vorgeführt. Das führt nicht selten zu einer Art Opfer-Narzissmus: Es wird ein übertrieben unschuldiges Selbstbild aufgebaut – auf Kosten des politischen Gegners. Der Opfer-Narzisst sagt: „Behandelt mich gut und verurteilt meine Gegner. Betrachtet alle meine Ansprüche als legitim, denn ich bin ein Opfer.“

Immer mehr Gruppen entdecken für sich diese Strategie und erwecken den Eindruck, die Gesellschaft produziere massenhaft Unterdrückte. Das nehmen die Medien auf: Arme als Opfer von Reichen, Frauen als Opfer von Männern, Nicht-Weisse als Opfer von Weissen, Nicht-Heterosexuelle als Opfer von Heterosexuellen. Wenn das so weitergeht, werden auch weisse, männliche Heterosexuelle eines Tages als Opfer dastehen wollen. Als Opfer derer, die sie als Täter brandmarken. Dann wird man verzweifelt nach neuen, noch unentdeckten Tätern suchen, aber man wird keine mehr finden. Und vielleicht wird man endlich wieder erkennen, dass die Annahme der eigenen Unschuld weder das Herz noch die Gesellschaft besser macht. Und vielleicht wird uns dann eine alte jüdische Weisheit aus dem babylonischen Talmud (6. Jahrhundert) weiterhelfen: „Der Mensch soll sich zur Hälfte für unschuldig halten und zur Hälfte für schuldig.“

Giuseppe Gracia (55) ist Schriftsteller und Kommunikationsberater. Sein neues Buch «Die Utopia Methode» (Fontis Verlag, 2022) beleuchtet die Gefahren utopischer Politik

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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