Ampelzwist um die Bezahlkarte: Grüne gegen SPD und FDP

Die Grünen lehnen eine Gesetzesänderung ab, die eine bundesweit einheitliche Regelung für Bezahlkarten für Asylbewerber betrifft. Obwohl die Weichen dafür schon im letzten Jahr gestellt wurden und SPD sowie FDP dafür plädieren, halten die Grünen den Schritt für überflüssig. Kritiker sehen zudem in zweckgebundenem Digitalgeld einen CBDC-Vorreiter.
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Politikum Bezahlkarte: Ganz im grünen Sinne. Asylbewerber fordern „Bargeld statt Entmündigung“.Foto: Daniel Naupold/dpa
Von 21. Februar 2024

Ein neuer Konflikt zwischen den Ampelparteien beschäftigt Parteien und Medien. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, erklärte, dass gesetzliche Änderungen im Rahmen der Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber „nicht notwendig und nicht vereinbart“ seien.

Gesetzliche Grundlagen für Grüne „unnötig“

Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang zeigte kein Verständnis für die „Aufregung“, als sie Anfang der Woche in Berlin vor die Presse trat. Zur Causa „Bezahlkarte“ befragt, bestand Lang darauf, dass eine bundesweite Regelung mit den Grünen nicht zu machen sei. Der von Lang genannte, im Weiteren nicht näher dargelegte Grund dafür: Man hält sie für unnötig.

Dabei ist seit November 2023 klar, dass 2024 eine Bezahlkarte für Migranten eingeführt werden soll. Das haben Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsidenten der Länder vor drei Monaten verabredet. 

Eine durch die Ministerpräsidentenkonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe hatte bereits zu Ende Januar 2024 ein Modell für eine solche Bezahlkarte mit bundeseinheitlichen Mindeststandards konzipiert. Die Einführung in allen 16 Bundesländern ist für den kommenden Sommer geplant.

Vierzehn Bundesländer haben sich auf ein einheitliches Vorgehen geeinigt, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern planen eigene Wege zu gehen. Asylbewerber sollen aber auch dort – wie im Rest der Republik – in Zukunft einen Teil der Leistungen als Guthaben statt per Barauszahlung erhalten.

„Menschenwürdig und unbürokratisch“

Laut Ministerpräsidentenkonferenz wäre die Lösung einer Bezahlkarte durchaus menschenwürdig und würde zudem Bürokratie deutlich reduzieren. Für diese stellen sich Ziele – und somit Vorteile – der Bezahlkarte folgendermaßen dar: „Mit der Einführung […] senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität.“

Einige Grüne betrachten die Umstellung von Bargeldauszahlung an Einwanderern auf Abbuchungen der Einkäufe vom Kartenguthaben, die am Ende darauf abzielt, den Missbrauch von Asylbewerberleistungen einzudämmen, als diskriminierend.

Steuergeld als Parteienstreit

Die Reibereien um die Bezahlkarte ist an der Frage entbrannt, ob für diese eine bundeseinheitliche Regelung und gesetzliche Anpassung notwendig ist, um die Einführung der Bezahlkarte auf rechtlich sichere Füße zu stellen. Dafür plädieren SPD und FDP. Doch die Grünen halten den Schritt für überflüssig und stellen sich jetzt quer. Im Raum steht erneut ein Ampelstreit. Die Grünen sprechen angesichts der Forderungen nach Gesetzesänderungen von einem „Ablenkungsmanöver“.

Dabei schien das Anliegen durch das einvernehmliche Vorhaben der Ministerpräsidentenkonferenz längst geklärt. Denn auch diese, und nicht nur SPD, Union und FDP,  dringen auf eine Regelung im Bund. Die Länder fordern „eine effektive und flächendeckende Lösung zur Bezahlkarte, die rechtssicher ist“, so Tobias Rösmann gegenüber „Welt“, Sprecher der hessischen Landesregierung, welche derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hat.

Die Zeitung stellt auch fest: „Warum, ist so schwer nachvollziehbar wie ihr Vorwurf ans Kanzleramt, die beabsichtigte Rechtsanpassung sei ‚schlechtes Management‘ und sorge für ‚Chaos‘.“ So habe es Fraktionsvize Andreas Audretsch formuliert. Dabei bleibe die Grünen-Spitze jedoch „eine erhellende Erläuterung“ schuldig. 

Die Sicht der Juristen

Ein von der „Welt“ befragter Migrationsexperte, der Jurist und Professor Daniel Thym, warnt davor, dass es auch um das Risiko gehe, dass Klagen das Vorhaben der Einführung von Bezahlkarten zu Fall bringen könnten. Nach Thym bietet eine Anpassung des Bundesrechts mehr Sicherheit, sollte es zu Klagen kommen. 

Denn bei einer Verhinderung der Anpassung des Asylbewerberleistungsgesetzes wäre die Tür offen für individuelle Klagen von Asylbewerbern, aber insbesondere auch für Klagen von Organisationen.

Eine möglicherweise zu erwartende Flut von Klagen könnte die Bezahlkarte jedenfalls bald schon wieder Geschichte werden lassen und zur Wiedereinführung der Barauszahlung der Gelder führen.

Laut Juraprofessor Thym wäre ein bundesgesetzlicher Rahmen, der den Ländern das Ausgestaltungsrecht einräumt, hilfreich, um Klarheit und festen juristischen Boden unter den Füßen zu haben. Vor allem dann, wenn mit der Karte Einschränkungen verbunden sind, die je nach Ausmaß der Einschränkungen zunehmend in eine Grauzone führen. 

Andererseits hält der Hochschullehrer der Universität Konstanz das aktuelle, 1993 beschlossene und seitdem mehrfach ergänzte Asylbewerberleistungsgesetz für ausreichend, speziell dann, wenn wie geplant den Migranten zumindest ein Teil der Leistungen als Bargeld zur Verfügung stehen würde.

Der bayerische Weg: Kein Alkohol auf Steuerkosten

In Bayern ist beispielsweise geplant, 50 Euro „Taschengeld“ auszuzahlen. Damit wäre laut Thym eine freie Verfügbarkeit von Geldmitteln gegeben. Da man mit Bezahlkarte mehr oder weniger frei entscheiden könne, was man kaufe, sei das entscheidende Kriterium einer Geldleistung gegeben und decke auch das Argument des Vorrangs von Geldmitteln gegenüber Sachleistungen ab, so Thym. 

Der bayerische CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger hingegen plädiert dafür, die Karte bundesweit so zu vereinheitlichen, dass sie für das Bezahlen von Alkohol, Zigaretten und Glücksspiel gesperrt wird. 

Dass über die Bezahlkarten auch Zigaretten und Alkohol auf Kosten der deutschen Steuerzahler gekauft werden können, sei „komplett daneben“, so Pilsinger: „Wer monatlich für mehr als 200 Euro Taschengeld rauchen und saufen will, der soll dafür arbeiten gehen und das Geld selbst verdienen.“

Doch das lehnt die Bundesregierung ab. Ein solches Verbot sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, so die Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage von Pilsinger.

Bezahlkarte als „modifizierte Geldleistung“

Auch für Rechtsprofessor Winfried Kluth, Mitglied des Sachverständigenrats Migration, ist eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht zwingend notwendig. Die Bezahlkarte sei eine „modifizierte Form der Geldleistung“, weil sie die Beschaffung und Auswahl von Produkten oder Dienstleistungen dem Empfänger überlasse. 

Laut Kluth geht eine weitere Verwendung des Geldes, die bei einer Barauszahlung möglich sind – wie die Weitergabe des Geldes an die Familie in der Heimat – über den gesetzlichen Zweck der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hinaus. Hier benennt Kluth einen Umstand, welcher bislang in der öffentlichen und politischen Diskussion kaum thematisiert wird:

Wer mit der Einführung von Bezahlkarten Geldtransfers an Angehörige der Asylbewerber in deren Heimatstaaten verhindern will, sagt damit am Ende zugleich aus, dass die Leistungen für Asylbewerber über deren Existenzminimum hinausgehen. 

Auch ein weiterer Aspekt der Bezahlkarten, dass bei einer Umstellung auf 100 Prozent Sachleistungen ein wesentlicher Pull-Faktor entfällt, wird in der politischen Diskussion vernachlässigt. Mehr noch, aus der grünen Sichtweise, wie vom Abgeordneten Julian Pahlke im Bundestag vorgetragen, gebe es diesen überhaupt nicht.

Kritik der Bargeldabschaffung

Bestsellerautor Ernst Wolff („Weltmacht IWF“, „World Economic Forum“) eröffnet ein größeres Bild: Für ihn bedeutet die Einführung der Bezahlkarte vielmehr ein „Fuß in der Tür“ und sei ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Zurückdrängung des Bargeldes: „Technisch gesehen, bietet die neue Karte nämlich nicht nur die Möglichkeit, Bargeldbehebungen zu unterbinden, sondern erheblich mehr: So wird bereits ganz offen darüber diskutiert, dass man die Karten ortsgebunden, zweckgebunden oder auch zeitlich limitiert ausgeben könnte.“

Laut Wolff werde hier  – gewissermaßen durch die Hintertür – programmierbares Geld eingeführt, zunächst für Flüchtlinge, dann für Sozialhilfeempfänger und dann möglicherweise für Arbeitslose oder auch für Rentner. Auffällig sei, so der Wirtschaftsjournalist, „dass die Karte genau die Eigenschaften besitzt, die zu den Kerncharakteristika von dem Geld gehören, das uns nach der Vorstellung von Regierungen und Zentralbanken in absehbarer Zeit erwartet: nämlich CBDCs, Central Bank digital Currencies oder digitales Zentralbankgeld.“

Die Einführung des Zentralbankgeldes (Central Bank Digital Currency) stößt nach Wolffs Recherchen bei sehr vielen Menschen auf Widerstand, „da es uns alle in nie dagewesener Form dem Wohlwollen des Staates unterwirft“, so der Bestsellerautor von Wirtschaftssachbüchern. Deshalb seien diejenigen, die dieses Projekt voranbringen, darauf angewiesen, jede denkbare Möglichkeit auszuloten, wie sich CBDCs still und heimlich in den Alltag integrieren lassen. Exemplarisch dafür sei, so Wolff, die folgende Methode:

„Man nehme ein aktuelles Thema wie den Missbrauch staatlicher Hilfsgelder, bausche es auf und präsentiere dann eine Lösung, die gleichzeitig den Weg für die Einführung des neuen Geldes ebnet.“



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