Grönemeyer unterschreibt Offenen Brief von Antifa: Widerstand gegen EU-Asylrechtsreform

Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus dem Antifa-Umfeld konnten Herbert Grönemeyer, Klaas Heufer-Umlauf und andere für einen offenen Brief an die Bundesregierung gewinnen. Hintergrund ist Kritik an der angestrebten Reform des EU-Asylrechts. Eine Analyse.
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Auch er war mit von der Partie: Herbert Grönemeyer.Foto: Gerald Matzka/Getty Images
Von 6. Juni 2023

Der deutsche Musiker Herbert Grönemeyer ist aktuell mit Band auf Tour. Die Berliner Waldbühne wurde sogar an zwei aufeinanderfolgenden Tagen gebucht, so viel Andrang erwarten die Veranstalter. Und tatsächlich sind kaum noch Karten verfügbar, der Zusatztermin sei ebenfalls fast restlos ausverkauft, teilen die Online-Ticket-Verkaufsstellen mit.

Parallel zur laufenden Tournee veröffentlichte Herbert Grönemeyer am Wochenende zusammen mit weiteren 108 Personen einen offenen Brief an die Bundesregierung mit der zentralen Forderung, nicht gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylrechts zu unterzeichnen.

Ursprünglich waren keine hundert Personen zusammengekommen, wie man einer früheren Verlinkung entnehmen kann, sondern lediglich 90, dann wurde offenbar kurzfristig aufgestockt.

Veröffentlicht wurde der offene Brief auf der Plattform der Aktivisten von #LeaveNoOneBehind. Die Organisation ist vielfach eingebunden und vernetzt mit zahlreichen weiteren Organisationen aus dem Refugees-Welcome-Spektrum. Im Impressum zeichnet ein Ruben Neugebauer verantwortlich, mit Adresse in Berlin. Auf seinem Twitter-Banner präsentiert sich Neugebauer mit einer Antifa-Flagge.

Diese Gemengelage rund um den „Grönemeyer-Brief“ erscheint auf den ersten Blick undurchsichtig. Unter der angegebenen Adresse zur veröffentlichenden Website wird „Civilfleet-Support e.V.“ genannt. Das Erscheinungsbild des Vereins entspricht hier insbesondere in Gestaltung und Farbgebung dem der linksradikalen Antifa-Organisation „Seebrücke“ und der politisch vergleichbar radikal aufgestellten „Letzten Generation“. Möglicherweise beschäftigt man die gleiche Werbeagentur.

Ein alter grüner Bekannter

Welchen Aufgaben sich der Verein verschrieben hat, kann man hier nachlesen. Als Person verantwortlich für den Inhalt bei Civilfleet-Support e.V. ist wiederum der 35-jährige grüne Politiker Erik Marquardt. Er sitzt für seine Partei im Europaparlament und im Parteirat der Grünen.

Marquardt ist seit bald zehn Jahren omnipräsent in der Refugees-Welcome-Bewegung. Er taucht oft dort auf, wo Aktivisten gegen Grenzregime ankämpfen oder als Fluchthelfer aktiv sind. Marquardt war auf dem Antifa-zur-See-Seenotretter Sea Eye unterwegs und ist außerdem in Kabul, Afghanistan, in der Fluchthilfe tätig, um nur zwei weitere Aktivitäten zu nennen.

Der Verein Civilfleet-Support e.V., dessen Vorsitzender Marquardt ist, geht wiederum zurück auf eine Aktion des Fernsehmoderators Klaas Heufer-Umlauf, der vor über fünf Jahren Geld sammelte, um ein weiteres Schiff ins Mittelmeer zu bringen. Das allerdings scheiterte, weil die Kosten explodierten. Die gesammelten Gelder in mittlerer sechsstelliger Höhe wurden anschließend für bereits bestehende Aktionen der „Seenotretter“ eingesetzt.

Die Vernetzungen dieser Organisationen sind vielfältig und umfassend. Besagter Klaas Heufer-Umlauf ist ebenfalls einer der Unterzeichner des offenen Briefes. Grönemeyer und Klaas Heufer-Umlauf sind gut befreundet. Einen Einblick dazu bietet ein kurzes Gespräch der beiden auf dem YouTube-Kanal des Musikers.

Das hier kurz angerissene Organigramm der Akteure vor und hinter dem offenen Brief ließe sich vielfältig fortführen. Neben den genannten bekannteren Künstlern befinden sich überwiegend weniger oder überhaupt nicht prominente Medienvertreter, Aktivisten oder Künstler auf der Liste der Unterzeichner. Das wirft zusätzlich die Frage auf, warum Grönemeyer und Co hier nicht mehr prominente Stimmen für ihr Anliegen gewinnen konnten.

So ist dann auch die Schlagzeile des „Spiegel“ mindestens wohlwollend den Akteuren gegenüber, der davon schreibt, dass „Prominente“ gegen den Asylkurs der Bundesregierung protestieren würden, die wenigsten der Unterzeichner sind Prominente.

Stattdessen taucht dort – um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen – ein anonymer Sebastian 23, Autor und Aktivist“ auf und daneben auch Tadzio Müller, dessen bekennender Konsum harter Drogen wie Crystal Meth und Kokain in der ZDF-Mediathek (ohne Altersbeschränkung) dokumentiert ist.

Die Städte und Kommunen stöhnen unter der Zuwanderung

Aber worum konkret geht es den Unterzeichnern, die verhindern wollen, dass die Bundesregierung der EU-Asylrechtsreform zustimmt?

Besagter Brief beginnt folgendermaßen:

„Sie haben sich im Koalitionsvertrag einen Aufbruch in der Migrationspolitik vorgenommen. Das war gut und richtig, denn viel zu lange wurde der Eindruck erweckt, dass Migration das Problem und Abschottung die Lösung sei.“

Vom Erfolg einer Durchsetzung irgendeiner „Abschottung“ berichten die Kommunen und Städte allerdings nicht. Sie forderten im Gegenteil den Bundeskanzler jüngst auf ihrem Städtetag dringend dazu auf, endlich finanziell mehr Spielräume zu schaffen, denn man sei von der Quantität der Zuwanderung deutlich überfordert.

Der Bundesregierung wird in diesem offenen Brief unterstellt, sie wolle Asylrechtsverschärfungen:

„Statt die versprochenen Verbesserungen voranzutreiben, wollen Sie nun den massivsten EU-Asylrechtsverschärfungen jemals zustimmen.“

Sind diese neuen EU-Bestimmungen die „massivsten Verschärfungen jemals“? Tatsächlich geht es auch hier darum, unterschiedliches nationales Asylrecht auf EU-Ebene zu vereinheitlichen. Auf diese Weise soll beispielsweise die Sekundärmigration innerhalb der EU reduziert und die Registrierung der Migranten gleich an der EU-Außengrenze verbessert werden.

Es geht demnach nicht unbedingt um eine strengere Zurückweisung, sondern im Gegenteil um die „Schaffung eines ständigen Neuansiedlungsrahmens der EU“. Oder vereinfacht ausgedrückt: Die Reform legalisiert vielfach eine zuvor illegale Migration.

Bundesinnenministerin Faeser äußerte zuletzt gegenüber der „Bild“:

„Mein fester Wille ist, dieses zentrale europäische Reformprojekt abzuschließen. […] Wir schützen die Menschen, die vor Krieg und Terror geflüchtet sind. Zugleich müssen wir Migration nachhaltig ordnen und steuern und die irreguläre Migration begrenzen. Das geht nur mit europäischen Lösungen.“

Der offene Brief an die Bundesregierung befindet konträr dazu, dass hier ein „migrationspolitischer Aufbruch“ abgewürgt werden soll. Deutschland allerdings erlebte 2015 keinen Aufbruch, sondern einen migrationspolitischen Dammbruch, glaubt man der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Urteil später lautete: „Eine Situation wie im Sommer 2015 darf sich nicht wiederholen.“

Grenzkontrollen à la EU sind nicht automatisch abweisend

Eine lückenlose Registrierung von Migration und schnelle Asylverfahren an den EU-Außengrenzen sind nicht automatisch Dämpfer einer Migration, denn solche Dämpfer messen sich immer am Härtegrad potenzieller Zurückweisungen. Merkels „hässliche Bilder“ sind nach wie vor bei jeder Zurückweisung möglich, 2016 erklärte Sebastian Kurz, der damalige Bundeskanzler Österreichs: „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“

Will man diese hässlichen Bilder aber weiterhin vermeiden, dann kann man den Autoren der neuen EU-Asylregelungen attestieren, dass sie Zuwanderung erleichtern und nicht begrenzen wollen. Möglicherweise fußt die Empörung der Künstler um Grönemeyer am Ende auf einem Missverständnis. Im offenen Brief heißt es dazu:

„Doch statt Kritik oder Maßnahmen an den systematischen Rechtsbrüchen und Misshandlungen von Schutzsuchenden an den Grenzen, nehmen wir nur Rufe nach Zäunen und Haftlagern wahr.“

Für die Absender des Briefes ist das Thema ausdiskutiert. Sie beanspruchen die Meinungshoheit und eine Einhelligkeit und Übereinstimmung der Meinungsführer:

„Hilfsorganisationen, Anwaltsvereine und Forschende aus der Migrationswissenschaft haben bereits ihre Sorgen und ihre Kritik an den geplanten, massiven Asylrechtsbeschneidungen einhellig und zahlreich geäußert.“

Die Debatte um Migrationspolitik hätte sich in Deutschland „in einem Wettstreit der Unwürdigkeit verirrt“, heißt es dazu erklärend.

Es ist auch nicht mehr der Rechtsstaat, der hier eine Handlungsanweisung vorgibt, wenn es im Brief weiter heißt, Lösungen „im Sinne und Dienste einer universell gültigen Menschlichkeit“ blieben auf der Strecke.

Das wäre dann die Fortführung des „humanitären Imperativ“, der den Rechtsstaat dauerhaft außer Kraft setzt angesichts eines anhaltenden Ausnahmezustands an den Außengrenzen der EU.

Zuletzt fordern Herbert Grönemeyer und weitere über einhundert Unterzeichner die Bundesregierung in ihrem offenen Brief auf, sich mit ihnen zu treffen, um „einige Fragen zu den aktuellen migrationspolitischen Vorschlägen (zu) diskutieren“. Eine ergebnisoffene Diskussion um die Gestaltung der europäischen und deutschen Asylpolitik wurde bereits ein paar Zeilen zuvor als Verirrung abgelehnt.



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