Ist ein Verbot der AfD realistisch?

Angesichts der steigenden Umfragewerte der AfD nimmt die Diskussion um ein Verbotsverfahren wieder Fahrt auf. Zuletzt kam eine solche Forderung aus dem Arbeitnehmerflügel der CDU – die allerdings schnell wieder dementiert wurde. Doch die Frage bleibt: Welche Chancen hat ein solches Verfahren wirklich?
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Angesichts der guten Umfragewerte der AfD nimmt die Debatte um ein Verbotsverfahren wieder Fahrt auf.Foto: Odd Andersen/AFP via Getty Images
Von 6. Dezember 2023

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Der Arbeitnehmerflügel der CDU fordert ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Das meldeten in den vergangenen zwei Tagen mehrere Medien, unter anderem auch die „Frankfurter Rundschau“ (FR). Nach einer kontroversen Debatte im Bundesvorstand der „Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft“ (CDA) habe sich die CDU-Vereinigung auf diesen Beschluss geeinigt.

Wenig später dementierte der CDA, diesen Beschluss gefasst zu haben, wie der „Spiegel“ schreibt. Die Pressemitteilung, die den Beschluss meldete, sei „unautorisiert verbreitet“ worden, heißt es. Richtig sei viel mehr, dass die Arbeitsgemeinschaft der christlich demokratischen Gewerkschafter den CDA-Bundesvorstand aufgefordert hat, sich mit einem Verbot der AfD zu beschäftigen. Die verbreitete Pressemitteilung ist inzwischen zurückgezogen worden.

Politik schwingt das scharfe Schwert des Verbots

Immer wieder wurden in den vergangenen Monaten Forderungen nach einem AfD-Verbot in der Politik laut. So hatte etwa die Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, kurz nach der Razzia gegen sogenannte Reichsbürger im letzten Jahr gegenüber der Tageszeitung „Welt“ gesagt, dass eine Debatte um ein Verbot der AfD kein Tabu sein dürfe. „Das muss sehr genau geprüft werden. Denn was wir durchaus sehen, ist, dass der Rechtsextremismus einen parlamentarischen Arm hat – und das ist die AfD“, so Lang damals.

Im August dieses Jahres hatte auch SPD-Vorsitzende Saskia Esken ein Verbot der AfD ins Spiel gebracht. In der ARD-Onlinesendung „frag selbst“ sagte Esken, dass, wenn der Verfassungsschutz die Partei als gesichert rechtsextrem einstufen würde, ein solches Verbot angestrebt werden müsse. Esken betonte weiter, dass die AfD für sie eine „gesichert rechtsextreme Partei“ sei, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden müsse. „Der Kampf gegen die AfD ist ein Kampf, den die Gesamtgesellschaft, alle Demokratinnen und Demokraten, gemeinsam führen müssen“, so die Parteivorsitzende weiter.

Auch der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), hatte sich Anfang Oktober für ein Verbotsverfahren gegen die AfD ausgesprochen. Wie der Bundestagsabgeordnete damals dem ARD-Magazin „Panorama“ sagte, arbeite er an einem Antrag, die AfD verbieten zu lassen. Um diesen im Bundestag stellen zu können, benötigt man 37 Abgeordnete, die das Ansinnen unterstützen. Wanderwitz sagte damals, dass er diese Unterstützer gerade in Gesprächen in der eigenen, aber auch anderen Fraktionen suche.

Umfragewerte der AfD machen Sorgen

Angesichts der AfD-Höhenflüge stellt die junge Partei für alle anderen Parteien eine ernst zu nehmende Konkurrenz dar. Umfragen zur Bundestagswahl sehen die AfD mittlerweile zwischen 19 und 22 Prozent.

Im kommenden Jahr stehen Landtagswahlen in den ostdeutschen Ländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. In Thüringen und Brandenburg sehen die Demoskopen die AfD im Moment mit 34 und 27 Prozent als aktuell stärkste politische Kraft. Und auch die letzte INSA-Umfrage in Sachsen aus dem August sieht die AfD mit 35 Prozent vorn.

Ein Parteienverbot ist eine scharfe Waffe in einer Demokratie. Deshalb sind daran sehr hohe Hürden gebunden. Anders als bei Vereinen kann eine Partei nicht durch die Bundesinnenministerin Faeser oder einen Innenminister der Länder verboten werden. Allein dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe obliegt eine solche Verbotsentscheidung. Antragsberechtigt für solch ein Verfahren sind allein die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat. Das Gericht wird dann allein nach den Maßstäben des Grundgesetzes urteilen. Bisher hat das Verfassungsgericht in der Geschichte der Bundesrepublik erst zwei Parteienverbote ausgesprochen. Das ist allerdings schon sehr lange her.

Lediglich zwei Parteiverbote waren bisher erfolgreich

1952 verbot das Bundesverfassungsgericht die „Sozialistische Reichspartei (SRP)“. Die Richter sahen es damals als erwiesen an, dass es sich bei der Partei um eine Nachfolgeorganisation der NSDAP handelte. Vier Jahre später, also 1956, verboten die Richter die „Kommunistische Partei Deutschland (KPD)“.

Beide Urteilsbegründungen bilden noch heute für das Bundesverfassungsgericht die Leitschnur ihrer Entscheidung. Eine Partei müsse, um als verfassungswidrig zu gelten, „die obersten Werte der Verfassungsordnung verwerfen, die elementaren Verfassungsgrundsätze, die die Verfassungsordnung zu einer freiheitlichen demokratischen machen […].“ Dazu muss allerdings „eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen; sie muss planvoll das Funktionieren dieser Ordnung beeinträchtigen, im weiteren Verlauf diese Ordnung selbst beseitigen wollen.“ Anders als viele Jahre später, stellten die Karlsruhe Richter 1956 im Urteil gegen die KPD klar, dass es auf die geringen Erfolgsaussichten nicht ankomme.

2003 wurde das Verbotsverfahren gegen die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)“ aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt. Nachdem offensichtlich geworden war, dass die Partei bis in die höchsten Ebenen mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war, sah sich das Gericht nicht mehr in der Lage, zu entscheiden, welche Aussagen als Belege der Verfassungsfeindlichkeit der Partei und welche dem Staat zuzuordnen seien.

2017 entschied das Bundesverfassungsgericht dann doch in einem zweiten gegen die NPD angestrengten Verfahren. Dabei stellte der Zweite Senat zwar fest, dass die NPD ein auf Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept vertritt. Wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer politischen Ziele wurde die Partei jedoch nicht verboten. Hier wich das Gericht also von seiner Rechtsprechung im Urteil gegen die KPD ab. Welche Chancen hätte nun aber ein AfD-Verbotsverfahren?

Politische und verfassungsrechtliche Ebene trennen

Für den Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer spricht vieles für ein Verbot der AfD. Er verweist im „Handelsblatt“ darauf, dass mehrere Jugendverbände der AfD sowie die Landesverbände in Thüringen und Sachsen-Anhalt inzwischen von den Behörden als gesichert rechtsextrem eingestuft wurden. Der Professor sieht eine Möglichkeit, dass diese Einschätzung bald auch auf die Gesamtpartei übergreifen könnte. Das spräche für ein Verbot.

Der Staats- und Verfassungsrechtler Dr. Boehme-Neßler räumt so einem Ansinnen wenig Chancen ein. Der Professor für öffentliches Recht an der Universität Oldenburg sagte gegenüber der Zeitung „Der Westen“ im Oktober, man müsse die politische und die verfassungsrechtliche Ebene voneinander trennen. Die Chance, dass ein solches Verfahren erfolgreich sein könnte, schätzt er als gering ein.

Die Kriterien, die für ein Verbot festgestellt werden müssen, sind die Bedrohung der Menschenwürde, der Demokratie und des Rechtsstaats. „Die Parteiführung und die Mitglieder müssen sich inhaltlich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung aussprechen“, erklärt der Verfassungsrechtler. Dies sieht er bei gewissen Teilen der AfD gegeben, allerdings nicht in der gesamten Partei. Deshalb ginge ein Verbotsverfahren nicht durch das Verfassungsgericht.

„Das ganze Handeln der Partei muss kämpferisch und aggressiv gegen die Verfassung gerichtet sein und das Potenzial haben, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.“ Dies sei beispielsweise gegeben, wenn Angehörige der AfD geheime Waffenlager anlegten, Überfälle planten oder die Menschen so sehr einschüchterten, dass diese sich nicht mehr trauten, ihre Meinung frei zu äußern.

Boehme-Neßler warnt die Bundesregierung ausdrücklich vor einem Verbotsverfahren. Würde das Bundesverfassungsgericht den Antrag ablehnen, bedeute das „Rückenwind“ für die AfD.

„Nicht alles, was wir nicht mögen, können wir verbieten“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte schon im Oktober gegenüber dem „Stern“ einem Verbotsverfahren eine Absage erteilt. „Ich bin Juristin. Ich halte nichts davon, auf politisch komplexe Probleme eine solch einfache Antwort zu liefern“, sagte Faeser. Die grundgesetzlichen Hürden für ein Parteienverbot seien zu Recht sehr hoch. „Natürlich kann das niemand als letztes Mittel ausschließen, wenn sich die AfD überall zu einer Art Höcke-Partei entwickelt. Aber ich setze auf die politische Auseinandersetzung.“

Auch Ex-Bundespräsident Joachim Gauck hält nichts von einer Debatte um ein AfD-Verbot. Gegenüber der „Augsburger Allgemeine“ sagte Gauck am Montag: „Nicht alles, was wir nicht mögen, können wir verbieten.“

 



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