Der UN-Flüchtlingspakt: Verbirgt sich eine böse Überraschung unter dem Deckmantel der Humanität?

Während der UN-Migrationspakt im Fokus der Öffentlichkeit steht, ist der UN-Flüchtlingspakt noch kein großes Thema. Um was geht es eigentlich beim UN-Flüchtlingspakt?
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Bei einem "Überraschungs-Ei" weiß man nicht, was sich darin verbirgt.Foto: iStock
Von 23. November 2018

Mit dem UN-Flüchtlingspakt (Globaler Pakt für Flüchtlinge) steht neben dem UN-Migrationspakt noch ein zweites globales UN-Abkommen bereit, im Dezember von den UN-Mitgliedsstaaten unterschrieben zu werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte in der Generalaussprache im Bundestag vehement die beiden UN-Pakte. Sie würden den „nationalen Interessen Deutschlands“ dienen, hieß es ihrerseits.

Der von der den Vereinten Nationen ausgearbeitete Entwurf des Flüchtlingspakts wurde am 13. November durch 176 Staaten angenommen. Nur die USA lehnten ihn ab, mit der Begründung, dass der UN-Pakt mit den „souveränen Interessen“ des eigenen Landes nicht vereinbar sei. Im Dezember soll der Flüchtlingspakt im Rahmen einer UN-Generalversammlung offiziell durch die UN-Mitgliedstaaten angenommen werden.

Dem UN-Flüchtlingspakt wird derzeit weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt als dem UN-Migrationspakt. Dabei beinhaltet er, ähnlich wie der UN-Migrationspakt, eindeutige und weitreichende Verpflichtungen für die Unterzeichnerstaaten, die sehr wohl rechtlich bindend sein können.

Was beinhaltet der UN-Flüchtlingspakt?

Die offiziellen Ziele des UN-Flüchtlingspaktes lauten:

  1. den Druck auf die Aufnahmeländer zu mindern,
  2. die Eigenständigkeit der Flüchtlinge zu erhöhen,
  3. den Zugang zu Drittstaatenlösungen zu erweitern, sowie
  4. in den Herkunftsländern Bedingungen für eine Rückkehr in Sicherheit und Würde zu fördern.

Dazu heißt es in dem Pakt:

Die Länder, die Flüchtlinge aufnehmen und unterbringen, oftmals über einen längeren Zeitraum hinweg, leisten im Rahmen ihrer eigenen begrenzten Mittel einen enormen Beitrag zum Gemeinwohl, ja zur Menschlichkeit. Daher ist es unerlässlich, dass diese Länder zur Bewältigung der Aufgabe an vorderster Front greifbare Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft als Ganzes erhalten.“

Wie definiert sich der Begriff „Flüchtlinge“ entsprechend dem UN-Flüchtlingspakt? Zu den Fluchtursachen im UN-Flüchtlingspakt heißt es:

Klima, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen sind zwar für sich selbst genommen keine Ursachen für Fluchtbewegungen, stehen aber immer häufiger in Wechselwirkung mit den Triebkräften solcher Bevölkerungsbewegungen.“

Bedeutet dies nun, dass Migranten, die aufgrund von Klimaveränderungen, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen ihr Heimatland verlassen, als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sind und ihnen die gleichen Rechte zustehen?

Flüchtlingsschutz und -betreuung bedeuten „Investition in die Zukunft“

Zum Erreichen der oben genannten vier Ziele „soll der politische Wille mobilisiert, die Unterstützerbasis erweitert und Regelungen getroffen werden, die ausgewogenere, nachhaltigere und berechenbarere Beiträge seitens der Staaten und anderen relevanten Interessenträger ermöglichen.“

Beim UN-Migrationspakt werden immer wieder die „positiven Möglichkeiten durch Migration“ hervorgehoben und Migration als ein Schlüssel für zukünftigen Fortschritt und Wohlstand dargestellt. Beim UN-Flüchtlingspakt werden der „Flüchtlingsschutz“ und die „Flüchtlingsbetreuung“ als eine „Investition in die Zukunft“ beschrieben. Es werden immer wieder die Rechte von „Flüchtlingen“ und die Verantwortung aller Staaten ihnen gegenüber betont. Gleichzeitig soll aber auch die Belastung der Aufnahmeländer reduziert und die Migranten „gerecht“ verteilt werden.

Dazu heißt es im UN-Flüchtlingspakt:

Große Fluchtbewegungen und Langzeit-Flüchtlingssituationen bestehen weltweit fort. Flüchtlingsschutz und -betreuung retten den Betroffenen das Leben und bedeuten eine Investition in die Zukunft, müssen jedoch unbedingt mit engagierten Anstrengungen zur Bekämpfung der tieferen Fluchtursachen einhergehen. Klima, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen sind zwar für sich selbst genommen keine Ursachen für Fluchtbewegungen, stehen aber immer häufiger in Wechselwirkung mit den Triebkräften solcher Bevölkerungsbewegungen.“

Bis dahin (Seite 3) ging es nur um die Verantwortung der Aufnahmeländer positive Strukturen zu schaffen und Verantwortung für die Migranten zu übernehmen. Im Abschnitt zu den Fluchtursachen werden das Klima, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen genannt. Armut, Krieg und politische Verfolgung werden nicht aufgeführt. Dabei sind Armut und gewaltsame Konflikte die Hauptursachen für Fluchtbewegungen.

Nur an zwei Stellen geht der Pakt auf Armut und Krieg überhaupt ein:

„Alle Staaten und relevanten Interessenträger sind aufgefordert, die tieferen Ursachen großer Flüchtlingssituationen zu bekämpfen, unter anderem durch verstärkte internationale Anstrengungen, Konflikte zu verhüten und beizulegen (…).“

„Die internationale Gemeinschaft als Ganzes ist außerdem aufgefordert, Bemühungen zur Minderung der Armut, zur Verringerung von Katastrophenrisiken und zur Bereitstellung von Entwicklungshilfe für Herkunftsländer zu unterstützen (…).“

Die Formulierung „Minderung der Armut, zur Verringerung des Katastrophenrisikos“, zeigt, dass es in diesem UN-Flüchtlingspakt, obwohl immer wieder die Menschenrechte und die Menschlichkeit betont werden, nicht um eine grundlegende Änderung der Lebenssituation der Menschen in den sogenannten Herkunftsländern geht. Gleich am Anfang des UN-Flüchtlingspaktes heißt es:

Die leidvolle Situation der Flüchtlinge ist eine Sache, die alle Menschen angeht. Flüchtlingssituationen haben an Tragweite, Ausmaß und Komplexität zugenommen, und Flüchtlinge benötigen Schutz, Hilfe und Lösungen.“

Doch Lösungen zur Beseitigung von Fluchtursachen finden sich im UN-Flüchtlingspakt nicht. Stattdessen wird unentwegt darauf hingewiesen, dass für jeden Staat eine Verantwortung bestehe, Flüchtlingen zu helfen und eine umfassende, auch rechtliche, Infrastruktur zur Aufnahme von Flüchtlingen zu schaffen sei.

Der erste Satz unter dem Punkt „Leitprinzipien“ macht deutlich, worum es geht und verschleiert gleichzeitig die Ursache für Flüchtlingsbewegungen:

Der Globale Pakt leitet sich aus den Grundprinzipien der Menschlichkeit und der internationalen Solidarität ab und ist darauf gerichtet, die Grundsätze der Lasten- und Verantwortungsteilung in die Tat umzusetzen, damit der Schutz und die Hilfe für Flüchtlinge verbessert und die Aufnahmeländer und -gemeinschaften unterstützt werden.“

Es heißt dort auch: „Der Globale Pakt ist in seiner Art völlig unpolitisch, einschließlich in seiner Umsetzung“.

Dann folgt der Satz: „Er beruht auf dem internationalen Flüchtlingsschutzsystem, dessen Kern das Kardinalprinzip der Nichtzurückweisung und die Genfer Flüchtlingskonvention und ihr Protokoll von 1967 ausmachen“.

Darin wird verdeutlicht, dass es schon ein UN-Abkommen zum Umgang mit Flüchtlingen gibt, nämlich die Genfer Konventionen. Sie sollen künftig offenbar auch für Flüchtlinge und Migranten, die aufgrund des Klimas, aufgrund von Naturkatastrophen und aufgrund von Umweltzerstörung fliehen, angewendet werden.

Somit würden den „Klimaflüchtlingen“ die gleichen Rechte zustehen, wie Kriegsflüchtlingen oder politisch Verfolgten. Doch wer legt fest, welche Veränderung des Klimas und der Umwelt zu einem Schutzstatus, wie bei Kriegsflüchtlingen oder politisch Verfolgten, führt – mit den damit verbundenen Rechten für den Flüchtling und den Verpflichtungen für das Aufnahmeland?

Fazit: 

  1. Mit der Genfer Flüchtlingskonvention gibt es bereits ein umfassendes internationales Dokument für den Flüchtlingsschutz. Die Genfer Konvention legt klar fest, wer ein Flüchtling ist, welchen rechtlichen Schutz, welche Hilfe und welche sozialen Rechte der Flüchtling von den Unterzeichnerstaaten erhalten sollte. Dort werden aber auch die Pflichten, die ein Flüchtling dem Gastland gegenüber erfüllen muss, definiert.
  2. Der Begriff „Flüchtling“ im Sinne des UN-Flüchtlingspaktes wird nicht definiert.
  3. Der UN-Flüchtlingspakt nennt im Zusammenhang mit Fluchtursachen die Begriffe „Klima, Umweltzerstörung und Naturkatastrophen“ ohne klarzustellen, ob diese Begriffe eindeutig als Fluchtursachen zu zählen sein sollen.
  4. Es wird den UN-Mitgliedstaaten nahegelegt, dass sich für Menschen, die aufgrund des Klimas, aufgrund von Umweltzerstörungen und aufgrund von Naturkatastrophen flüchten, Rechte ergeben und für die Aufnahmeländer Pflichten, wie für Flüchtlinge entsprechend der Genfer Konventionen, also für Kriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte.
  5. Der UN-Flüchtlingspakt spricht nicht die entscheidenden Gründe für Flucht an und benennt keine Lösungsansätze zur Beseitigung von Fluchtursachen.
  6. Im Gegensatz zu der fehlenden Auseinandersetzung mit den Fluchtursachen wird dem Thema Neuansiedlung von Flüchtlingen und dem Thema Langzeit-Flüchtlingssituation große Aufmerksamkeit geschenkt.
  7. Das UN-Abkommen geht einseitig auf die Aufnahme und Behandlung von Flüchtlingen ein. Verpflichtungen werden nur für die allgemeine Gemeinschaft und für die Aufnahmeländer formuliert. Auf die Rechte der Aufnahmeländer und auf Pflichten der Flüchtlinge wird nicht eingegangen.
  8. Ebenso gibt es keine Aussagen zu Verpflichtungen der Herkunftsländer gegenüber den Flüchtlingen oder den Aufnahmeländern.
  9. Die UNHCR als eine UN-Organisation soll eine Katalysator- und Unterstützerrolle in Flüchtlingsfragen einnehmen. Die Weiterverfolgung und Überprüfung des Globalen Paktes soll primär im Rahmen des Globalen Flüchtlingsforums (das alle vier Jahre stattfindet, sofern nichts anderes beschlossen wird), der Beamtentreffen auf hoher Ebene (die alle zwei Jahre zwischen den Foren stattfinden) sowie der jährlichen Berichterstattung des Hohen Flüchtlingskommissars an die Generalversammlung der Vereinten Nationen erfolgen. Dies bedeutet eine weitere Entwicklung weg von vielfältigen bilateralen Beziehungen zwischen eigenständigen Ländern hin zu einer Zentralisierung von Macht, Einfluss, Kontrolle und Regulierung und einem Ausbau des Multilateralismus. Dies kann im ungünstigen Falle zu Druck und Ausgrenzung von Staaten führen, deren eigene nationale Haltung nicht der von der UN beworbenen, bzw. der Haltung einflussreicher Länder innerhalb der UN, entspricht.
  10. Einerseits heißt es „der Globale Pakt ist rechtlich nicht bindend“. Andererseits heißt es, dass „regelmäßig ein Globales Flüchtlingsforum auf Ministerebene stattfinden [wird], auf dem alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und relevanten Interessenträger konkrete Zusagen und Beiträge zur Verwirklichung der in Absatz 7 genannten Ziele des Globalen Paktes ankündigen (…).“
  11. Der UN-Flüchtlingspakt ist in seiner Sprache an vielen Stellen unkonkret (siehe Punkt 2), 3), 5)).
  12. Wie beim UN-Migrationspakt ist auch beim UN-Flüchtlingspakt der Blick einseitig. Beim UN-Migrationspakt geht es nur darum, wie die UN-Mitgliedstaaten, die Zielländer von Migrationsbewegungen sind, mit solchen Bewegungen umgehen sollen. Beim UN-Flüchtlingspakt geht es ausschließlich darum, wie die Aufnahmeländer mit Fluchtbewegungen umgehen sollen.

Aufgrund fehlender Definitionen von Begriffen, unkonkreten Formulierungen und der einseitigen Sicht auf Fluchtbewegungen wirkt der UN-Flüchtlingspakt wie ein „Überraschungs-Ei“ – man weiß gar nicht, was am Ende dabei herauskommt.



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