EU-Kommission: Von der Leyens Kandidaten im Kreuzverhör

Ab Montag müssen sich die Kandidaten für die EU-Kommission Anhörungen in den Fachausschüssen des Europaparlaments stellen. Sieben Bewerber, die Ursula von der Leyen vorschlug, sind umstritten.
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Das Berlaymont-Haus ist der Sitz der EU-Kommission in Brüssel.Foto: iStock
Epoch Times29. September 2019

Am 1. November will Ursula von der Leyen mit ihrer EU-Kommission die Arbeit aufnehmen. Davor müssen sich die Kandidaten ab Montag Anhörungen in den Fachausschüssen im Europaparlament stellen.

Der für die Prüfung von Interessenskonflikten zuständige Rechtsausschuss verweigerte den Bewerbern aus Rumänien und Ungarn jedoch bereits dafür die Zulassung. Worum es dabei geht und wer sich sonst noch auf harte Befragungen einstellen muss:

Vom Rechtsausschuss blockiert

Rovana Plumb (Rumänien – Verkehr)

Die designierte Verkehrskommissarin aus Rumänien bekam im Rechtsausschuss wegen zwei umstrittenen Krediten von insgesamt fast einer Million Euro keine Freigabe bei der Prüfung möglicher Interessenskonflikte. Dabei geht es um eine Spende von 168.000 Euro an die regierende sozialdemokratische Partei in Rumänien, die sie zunächst nicht angegeben hatte. Sie diente der Finanzierung ihres Europawahlkampfes zur heutigen EU-Abgeordneten. Plumb hatte das Geld als Kredit von einer ungenannten Privatperson erhalten.

Darüber hinaus gab die Sozialdemokratin zunächst einen Bankkredit von 800.000 Euro zum Immobilienkauf nicht an. Der 59-Jährigen zufolge diente er zum Kauf eines Hauses für ihre Familie. In beiden Fällen sieht Plumb keinen Verstoß gegen Bestimmungen. Wenn der Rechtsausschuss aber nicht noch seine Position ändert, darf sie nicht in ihre für Mittwoch geplante Fachanhörung im Verkehrsausschuss. Rumänien müsste dann wohl einen Ersatzkandidaten nominieren.

Laszlo Trocsanyi (Ungarn – Erweiterung)

Vorerst durchfallen ließ der Rechtsausschuss am Donnerstag auch den ungarischen Konservativen Laszlo Trocsanyi. Dabei ging es um die Tätigkeit seiner Anwaltskanzlei in seiner Zeit als ungarischer Justizminister von 2014 bis 2019. Der heutige EU-Abgeordnete der Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orban sieht kein Fehlverhalten und verweist darauf, dass seine Kanzlei während seiner Ministerzeit keine staatlichen Aufträge mehr angenommen habe.

Der Fidesz-Europaabgeordnete Jozsef Szajer kritisierte die Entscheidung des Rechtsausschusses als „politische Hexenjagd“. Trocsanyi sei im Visier, weil er als Orbans Justizminister die Gesetze formuliert habe, „durch die eine Masseneinwanderung“ in Ungarn gestoppt worden sei. Bei anderen Fraktionen im Europaparlament wird Trocsanyi auch als verantwortlich für die Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn gesehen, wegen der seit 2018 ein EU-Strafverfahren gegen Budapest läuft.

Weitere Kandidaten mit finanziellen Vorwürfen

Sylvie Goulard (Frankreich – Binnenmarkt, Verteidigungsindustrie)

Gegen Goulard gibt es eine Untersuchung der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf. Es geht um Vorwürfe zur Scheinbeschäftigung eines Assistenten auf Kosten des Europaparlaments. Dieses hatte seine eigenen Ermittlungen gegen die Liberale Ende August beendet. Es sah kleinere Verstöße gegen Vorschriften. Goulard, die zuletzt Vize-Präsidentin der französischen Zentralbank war, hat inzwischen 45.000 Euro zurückgezahlt. Wegen der Affäre laufen in Frankreich noch Ermittlungen. Eine persönliche Bereicherung wird Goulard nicht vorgeworfen.

Janusz Wojciechowski (Polen – Landwirtschaft)

Auch gegen Janusz Wojciechowski lief eine Untersuchung der EU-Betrugsermittler, die aber am Freitag ohne Sanktionen eingestellt wurde. Dabei ging es um seine Zeit als Europaabgeordneter von 2004 bis 2016. Die Behörde prüfte „angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Erstattung von Reisekosten durch den ehemaligen Abgeordneten“. Der 64-jährige Nationalkonservative, der zuletzt für den EU-Rechnungshof arbeitete, sprach von einem Versehen und hat dem Parlament für den Zeitraum 2009 bis 2011 wegen fehlender Belege für Reisekosten 11.250 Euro erstattet.

Josep Borrell (Spanien – Außenbeauftragter)

Der derzeitige spanische Außenminister und frühere EU-Parlamentspräsident musste im vergangenen Jahr eine Geldstrafe von 30.000 Euro wegen eines Insiderdelikts zahlen. Der 72-jährige Sozialist hatte als Verwaltungsrat des spanischen Energieunternehmens Abengoa Firmenaktien verkauft, kurz bevor die Gesellschaft 2015 Insolvenz anmeldete. Mancher im EU-Parlament stellt die Frage, ob ein Kandidat, der einen Strafbefehl akzeptiert hat, Mitglied der EU-Kommission werden sollte.

Wegen ihrer Ressorts kritisierte Bewerber

Paolo Gentiloni (Italien – Wirtschaft)

Gegen den früheren italienischen Außenminister und Regierungschef gibt es keine juristischen Vorwürfe. Verfechter einer strikten Budgetdisziplin kritisieren jedoch, dass von der Leyen mit dem 64-jährigen Sozialdemokraten ausgerechnet den Kandidaten des hoch verschuldeten Italiens mit der Kontrolle der EU-Haushaltsvorgaben in den Mitgliedstaaten beauftragte. „Dass nun ein Italiener den Problemstaat Italien überwachen soll, ist alles andere als eine ideale Konstellation“, sagte der CSU-Abgeordnete Markus Ferber.

Margaritis Schinas (Griechenland – Unseren europäischen Lebensstil schützen)

Bei dem auch für Migration zuständigen Konservativen Schinas geht es ebenfalls nicht um die Person. Dass der Aufgabenbereich des 57-jährigen designierten Vize-Präsidenten der Kommission den Titel „Unseren europäischen Lebensstil schützen“ erhielt, stieß mit Blick auf Abschottungstendenzen in der Migrationspolitik aber auf Kritik bei Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken. Ein Sprecher von Amnesty International warf der Kommission vor, sich der Sprache der extremen Rechten zu bedienen. Von der Leyen lehnt eine Namensänderung bisher ab.

Ablehnungen von Kommissaren in früheren Perioden

Die stundenlangen Befragungen wurden in der Vergangenheit bereits für manchen Kandidaten zur unüberwindbaren Hürde. Obgleich das Parlament einzelne Kommissare nicht ablehnen kann, muss es am Ende der gesamten Kommission zustimmen. Dies nutzten die Abgeordneten immer wieder, um einzelne Kandidaten zu verhindern. Ein Überblick:

KOMMISSION JEAN-CLAUDE JUNCKER (2014-2019)

Alenka Bratusek

Die Slowenin war als Vizepräsidentin für die Energieunion vorgesehen. Doch sie gab bei ihrer Anhörung aus Sicht vieler Abgeordneter ein schwaches Bild ab. Zudem sah sich die liberale Politikerin zuhause Vorwürfen ausgesetzt, sich vor ihrem Abtritt als Ministerpräsidentin de facto selbst für den Brüsseler Posten vorgeschlagen zu haben. Ljubljana musste auf die Schnelle Violeta Bulc als Ersatz nominieren. Sie bekam dann nur noch das Verkehrsressort als einfache Kommissarin. Vize-Präsident für die Energieunion wurde der Slowake Maros Sefcovic.

KOMMISSION JOSE MANUEL BARROSO II (2010-2014)

Rumjana Schelewa

Die damalige bulgarische Außenministerin sollte Kommissarin für humanitäre Hilfe werden. Kritiker warfen ihr vor, Nebeneinkünfte verschwiegen zu haben. Zudem stand Schelewas Mann im Verdacht, in illegale Geschäfte verstrickt zu sein. Der juristische Dienst des Europaparlaments hatte die Vorwürfe zwar nicht bestätigt, Schelewa aber auch nicht entlastet. Zahlreiche Angeordnete äußerten bei ihrer Anhörung auch Zweifel an ihrer fachlichen Kompetenz. Schelewa warf daraufhin das Handtuch. Sofia nominierte stattdessen die damalige Vizepräsidentin der Weltbank, Kristalina Georgieva.

KOMMISSION JOSE MANUEL BARROSO I (2004 – 2010)

Varujan Vosganian

Zur Aufnahme Rumäniens in die EU sollte der Senator der nationalliberalen Regierungspartei PNL 2007 erster Kommissar seines Landes werden. Die Sozialdemokraten im Europaparlament warfen Vosganian aber Unkenntnis der EU-Politik und Verbindungen zu einem zwielichtigen Geschäftsmann vor. Medien berichteten zudem über eine angebliche Informanten-Tätigkeit für den gefürchteten kommunistischen Geheimdienst Securitate zu Beginn der 80er Jahre. Vosganian zog schließlich seine Kandidatur zurück. Sein Landsmann Leonard Orban wurde darauf EU-Kommissar für Sprachenvielfalt.

Rocco Buttiglione

Der italienische Christdemokrat Buttiglione löste mit erzkonservativen Äußerungen bei seiner Anhörung 2004 einen Sturm der Entrüstung aus. Der ehemalige Vatikan-Berater bezeichnete dabei Homosexualität als „Sünde“ und vertrat die Ansicht, die Ehe sehe für Frauen vor, Kinder zu bekommen und sich von ihrem Mann schützen zu lassen. Die italienische Regierung musste darauf einen Ersatzkandidaten benennen. Für Justiz zuständiger Vizepräsident in der Kommission wurde dann der damalige Außenminister Franco Frattini.

Ingidra Udre

Der Lettin Udre wurde eine Parteispendenaffäre in ihrer Heimat zum Verhängnis, auch wenn ihre persönliche Verwicklung nicht bewiesen war. Nicht hilfreich war auch, dass die designierte Steuerkommissarin erklärt haben soll, sie halte die EU eigentlich für überflüssig. Kommissar wurde dann der frühere lettische Finanzminister Andris Piebalgs. Er bekam das Energieressort. (afp)



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